(C2) Parteiische Götter – konkurrierende Götter. Die Rolle von Kulten und Heiligtümern in antiken Staatsverträgen

Die antike Staatenwelt war in ihrem Denken und Handeln unabänderlich orientiert an den Maximen von Ehre, Rache und Vergeltung. Zwischenstaatliche Beziehungen befanden sich daher permanent in einem prekären Zustand. Die Gewährleistung eines regulierten zwischenstaatlichen Miteinanders erforderte die Durchsetzung von Verhaltensnormen, die auf die Einhegung und Kontrolle von Gewalt hinwirkten. Die gegenseitige Akzeptanz solcher Normen allein war dafür aber in der Regel nicht ausreichend; es bedurfte der Verankerung der Normen in einem kollektiven Sinnzusammenhang, den in besonderer Weise Religion und Kult boten, da diese auch unter den Bedingungen polytheistischer Gesellschaften für einen begründenden und absichernden Rekurs unabdingbar waren.

Die geplanten Untersuchungen zielen darauf ab, den Stellenwert von Religion und Kult für die Sicherung der Akzeptanz zwischenstaatlicher Vereinbarungen zu bestimmen. Im Fokus wird zunächst die antike griechische Staatenwelt im östlichen Mittelmeerbereich von der Archaik bis in die römische Kaiserzeit stehen. Die Vertragspraxis ist hier besonders aufschlussreich, da der religiöse Rekurs vor allem dann, wenn der Bereich der Polisreligion überschritten wurde, in sehr komplexe Rahmenbedingungen eingebunden war. Die Griechen waren sich zwar durchaus einer im Grunde gemeinsamen Religion bewusst und kannten auch ein gesamtgriechisches Pantheon, das jedoch angefüllt war mit einander widerstreitenden Göttern. Noch vielschichtiger wurden die Gegebenheiten, wenn es bei zwischenstaatlichen Vereinbarungen darum ging, einen gemeinsamen Bezugsrahmen in religiosis nicht nur im innergriechischen Bereich zu finden, sondern dieser im Verhältnis zu fremden Religionen auszumachen war. Den Ausgangspunkt bilden die epigraphisch und literarisch überlieferten Staatsverträge, deren Veröffentlichung häufig dergestalt geregelt war, dass diese nicht nur an bestimmten Kultplätzen des jeweiligen Vertragspartners, sondern auch in großen Heiligtümern an „dritten Orten“ aufgestellt wurden. Praxis und Bedeutung dieser Regeln sollen ebenso analysiert werden wie die in den Verträgen (auch mit nichtgriechischen Staaten) zugrunde gelegten Schwur- und Verfluchungsformeln mit ihren jeweiligen Götteranrufungen. Hier spielt auch das Problem von Exklusion und Inklusion in polytheistischen Religionen eine wichtige Rolle, ebenso wie die Frage der gegenseitigen Akzeptanz und Toleranz. Darüber hinaus gilt es auch die Instrumentarien im Umgang mit Gewalt zu beschreiben, die in diesen Verträgen mit Rekurs auf Kult und Religion in Anwendung kamen (z. B. Asylie, Ekecheiria).