(C15) Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland: Integration durch politische Steuerung?

Mit ca. vier Millionen Mitgliedern stellen die Muslime – nach Katholiken und Protestanten – die drittgrößte religiöse Gruppe in Deutschland dar. Die ökonomischen, aber auch kulturellen und religionspraktischen Integrationsprobleme dieser Gruppe werden von der Politik zunehmend als wichtige Themenfelder beschrieben. Dies führt zu einem erhöhten Handlungsbedarf seitens der staatlichen Akteure. Mit der 2007 vom Bundesministerium des Innern gegründeten „Deutschen Islam Konferenz“ (DIK) wurde daher ein Instrument geschaffen, „einen langfristig angelegten Verhandlungs- und Kommunikationsprozess zwischen Vertretern des deutschen Staates und Vertretern der in Deutschland lebenden Muslime zu initiieren“ (BMI 2008).

Diese Konferenz stellt damit einerseits den ersten institutionalisierten Dialog zwischen Vertretern des deutschen Staates und Vertretern der Muslime in Deutschland dar und verweist gleichzeitig auf das Problem der organisatorischen Segmentierung islamischer Interessengruppen. Die Vielfalt von islamischen Organisationen, ihre lediglich fragmentarische Vernetzung untereinander sowie der insgesamt als schleppend wahrgenommene Prozess der Selbstorganisation der Muslime werden hinsichtlich der Integrationsbemühungen staatlicher Akteure häufig als nicht ausreichend bezeichnet. Die DIK forcierte daher die Gründung des Spitzenverbandes "Koordinationsrate der Muslime in Deutschland" (KRM) durch die vier großen Dachverbände „Zentralrat der Muslime in Deutschland“, der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion“, dem „Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland“ (IRD) und dem „Verband der Islamischen Kulturzentren“.

Diese neuen Institutionalisierungsbemühungen im Verhältnis von Staat und Muslimen in Deutschland können dabei grundsätzlich aus zwei Perspektiven betrachtet werden: Zum einen aus der Top-Down-Sicht des Staates und zum anderen aus Bottom-Up-Perspektive der unterschiedlichen Interessen der Muslime in Deutschland. Mit der durch den Staat angeregten Gründung des KRM wird zunächst aktiv ein Ansprechpartner konstruiert, um überhaupt die Bedingungen für eine koordinierte Integrationspolitik zuschaffen, so dass danach gefragt werden muss, ob der Rat eine „Brückenkopf-Funktion“ zur Durchsetzung politischer Ziele erfüllt. Angesichts dieser staatlichen Einbindungsstrategie ist es beispielsweise von Interesse, ob mit der Gründung des Spitzenverbandes gleichzeitig auch eine reelle Reduzierung bzw. Bündelung von Interessenvielfalt innerhalb der muslimischen Akteure stattfindet oder ob diese staatliche Strategie nicht möglicherweise zu einer (weiteren) Ausdifferenzierung der Interessen führt.

Aus Sicht des KRM geht es umgekehrt um die Interessen der im Rat assoziierten Akteure: Stellt der KRM ein geeignetes Kooperations- aber auch Emanzipationsinstrument dar? Zur Beantwortung dieser Frage muss neben der Abbildung der Interessenheterogenität und des objektiven Akteurssets auch nach den Prämissen gefragt werden, unter welchen der der KRM zustande gekommen ist. Gleichzeitig ist im Hinblick auf die Einflussnahme auf politische Entscheidungen auch die Reichweite des Vertretungsanspruches des KRM gegenüber der Gesamtheit der in Deutschland lebenden Muslime von Interesse.