Epidemien: Bilder, Metaphern, Allegorien

Dossier "Epidemien. Kulturwissenschaftliche Ansichten"

© CC-BY-SA-4.0; Basel, Kunstmuseum (gemeinfrei); Rijksmuseum, Amsterdam; cdc; Belvedere Wien, Inv. 4048

Seit schwere Infektionskrankheiten beobachtet und beschrieben werden, stellt sich das Problem ihrer Darstellung in den unterschiedlichen Medien. Da sie bzw. ihre Erreger als solche sich der sinnlichen Wahrnehmung entziehen bzw. entzogen, solange keine entsprechenden Hilfsmittel zur Verfügung standen (s. Dossier „Sichtbarkeit“), war man auf andere Strategien der Darstellung angewiesen. Eine davon ging davon aus, die Symptomatik von Infektionen zum Gegenstand zu machen, indem man etwa Menschen mit Pestbeulen darstellte oder in der Rede vom ‚Schwarzen Tod‘ eine metonymische Bezeichnung aufgrund einer klinischen Erscheinung konstruierte. Allgemeiner konnte auch das Phänomen einer dramatischen Mortalität als begriffliche Grundlage dienen („gran morìa“/„großes Sterben“).

Ein anderer Ansatz konnte darin bestehen, mit symbolischen oder allegorischen Darstellungsmodi zu operieren. Für Covid-19 wird immer wieder mit der Wellenmetapher gearbeitet, jüngst wurde die Metapher des Waldbrandes vorgeschlagen. Älter sind Bildformeln wie der Sensenmann oder die Pfeile sowie Metaphern wie die „Gottesgeißel“, der „morbus gallicus“ (‚Franzosenkrankheit‘ als Bezeichnung für die Syphilis) oder die „Lustseuche“ (ebenfalls für Syphilis oder in der jüngeren Vergangenheit für AIDS). Solche Symbole oder Begriffe brachten und bringen nicht allein Krankheiten zur Darstellung, sondern bieten vielfach Ansatzpunkte für die Verknüpfung mit anderen Diskursen, tatsächlichen oder gefühlten Bedrohungsszenarien oder Konzepten sozialer Abgrenzung (‚othering‘). Überdies können Epidemien und Infektionskrankheiten ihrerseits zur Metapher oder zum Bild für andere Phänomene werden.

Die Beiträge des vorliegenden Dossiers beleuchten einige Facetten der hier umrissenen Problematik – in einem Spektrum, das, wie gewohnt, von der Alten Geschichte bis zur Kunst- und Literaturgeschichte.

© Rijksmuseum, Amsterdam

Unter der gelben Choleraflagge. Gabriel Garciá Márquez, Die Liebe in Zeiten der Cholera. Von Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf (Germanistik)

Das ist schon eine seltsame Geschichte, die Gabriel García Márquez in seinem Roman Die Liebe in den Zeiten der Cholera (span. El amor en los tiempos del cólera, erschienen 1985) erzählt: Fermina Daza und Florentino Ariza verlieben sich in jungen Jahren ineinander. Ferminas Vater aber ist gegen diese Verbindung und nimmt seine Tochter mit auf eine Reise: er bringt sie dann zu entfernt lebenden Verwandten, damit sie sich den Ariza aus dem Kopf schlage. Weiterlesen

© cdc

Die schlimmste aller Seuchen. Von Historikerin Dr. Katharina Wolff

Was ist das Schlimmste an einer Seuchenkatastrophe? Die Toten? Die geschädigt Überlebenden? Die Angst, die alles begleitet? Die Ungewissheit des Ausgangs? Wollte man dieses Schlimme noch steigern, um in einer fiktiven Adaption der Thematik das Maximum an Schrecken zu erreichen, wie würde dieses schließlich aussehen? Weiterlesen

© Basel, Kunstmuseum (gemeinfrei)

Die Unausweichlichkeit des „schwarzen Todes“: Böcklins „Pest“ von 1898. Von Kunsthistorikerin Prof. Dr. Eva-Bettina Krems

Weit sind die pechschwarzen Flügel ausgebreitet, sie durchschneiden horizontal die Bildfläche und zerstören das Idyll einer von der Sonne beschienenen Stadt. Das ungeheuerliche Drachenwesen rauscht durch die enge Gasse direkt auf den Betrachter zu, sein langer Hals ist nach links unten gedreht. Seinem weit aufgerissenen Rachen entströmt ein weiß-bläulicher Hauch. Weiterlesen

© Rijksmuseum, Amsterdam

„Engel des Herrn“ und „Donna spauenteuole“: Bilder der Pest in der Kunst der Frühen Neuzeit. Von Kunsthistoriker Prof. Dr. Jens Niebaum

Der hier gezeigte Stich, den wohl Egidius Sadeler um 1580-1600 nach einer Vorlage des Antwerpener Malers Maerten de Vos als Teil eines Zyklus von Szenen aus dem Alten Testament im Verlag seines Onkels Johann fertigte, bringt in komprimierter Form eine Episode aus dem 2. Buch Samuel (Kap. 24: 15-25) und dem 1. Buch der Chronik (21:14-27) zur Darstellung, die von einer Pest zur Zeit Davids handelt. Weiterlesen