„Vom Osmanen zum Türken“

Historikerin Sara-Marie Demiriz über sakrale Elemente in der laizistischen Türkei

Buchcover
© Ergon-Verlag

Mit sakralen Elementen in der Anfangsphase der türkischen Republik befasst sich eine neue Studie aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“, die die Historikerin Dr. Sara-Marie Demiriz vorgelegt hat. „Ihrem Selbstverständnis nach ist die Türkei seit ihrer Gründung 1923 ein laizistischer Staat. Doch selbst der ungeschulte Beobachter konstatiert sakrale Elemente im türkischen Staatskult, die zu meist mit dem Gründervater der Türkei, Atatürk, in Zusammenhang gebracht werden“, erläutert die Wissenschaftlerin. Sie ist in Ihrer Studie der Frage nach Bedeutung und Funktion des türkischen Staats- und Personenkultes und seiner Entstehung nachgegangen. Das Buch trägt den Titel „Vom Osmanen zum Türken. Nationale und staatsbürgerliche Erziehung durch Feier- und Gedenktage in der türkischen Republik 1923-1938“ und ist kürzlich in der Reihe „Religion und Politik“ im Ergon-Verlag erschienen.

Sara-Marie Demiriz konzentriert sich darin auf die Frage nach der Entstehung des türkischen Nationalstaats und des in dieser Phase begründeten Staatskults, insbesondere auf die damit verbundenen Ausdrucks- und Inszenierungsformen, ihre gesellschaftliche Funktion und ihr Verhältnis zum Islam. Die Untersuchung ist auf die Einparteien-Periode von 1923-1938 begrenzt, berücksichtigt aber auch die großen Umbrüche vor und nach diesem Zeitraum. „Der neue Nationalstaat verlangte eine veränderte Legitimationsstiftung, was zu einem neuen Verhältnis zwischen Religion und Politik führte“, sagt die Historikerin. In einem vermeintlich säkularen Kontext entwickelte die türkische Republik neuartige „Sakralisierungsstrategien“, die innerhalb der Gesellschaft integrierende und gemeinschaftsstiftende Funktionen übernahmen. „Der osmanische Untertan sollte zum türkischen Staatsbürger mit entsprechenden Rechten, aber auch Pflichten, herangebildet werden“, so Demiriz. Wie die Regierung diese „Umerziehungsmaßnahme“ umsetzte, welche Mittel und Strategien angewandt wurden und wie der türkische Bürger von Seiten der Staatselite erdacht wurde, ist Gegenstand der Untersuchung. Die Dissertationsschrift ist am Projekt B6 Politische Religion, Utopie und Gewalt im 19. und 20. Jahrhundert unter Leitung des Historikers Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer entstanden. (Ergon Verlag/sca/maz)

Hinweis: Demiriz, Sara-Marie: Vom Osmanen zum Türken. Nationale und staatsbürgerliche Erziehung durch Feier- und Gedenktage in der Türkischen Republik 1923-1938 (Religion und Politik 15), Würzburg: Ergon-Verlag 2018, 536 S., ISBN 978-3-95650-233-0, 79,00 Euro.