„Neue christliche Epoche“

Internationaler Workshop über christliche Märtyrerverehrung in der Antike

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© AKG369640, akg-images/Cameraphoto

Mit dem Wandel christlicher Märtyrerverehrung in der Antike befasst sich ein internationaler Workshop des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ in Münster. „Im 4. Jahrhundert nahm die Verehrung regelrecht explosionsartig zu bis hin zur Neuerfindung zahlreicher Märtyrer, welche zugleich eine hohe soziale und politische Bedeutung erlangten“, erläutert der Althistoriker Prof. Dr. Johannes Hahn vom Exzellenzcluster, der die Tagung organsiert. Dies sei paradox, da nach Wegfall der staatlichen Christenverfolgung im 4. Jahrhundert Christen kaum noch einen gewaltsamen Märtyrertod erlitten. Unter dem Titel „Innovationen der Märtyrerverehrung im 4. Jahrhundert n. Chr.“ diskutieren Forscher aus Deutschland, den USA, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien vom 14. bis 15. Juli in Münster darüber, welche neue Bedeutungen und Funktionen Märtyrern und ihrer Verehrung in der Spätantike zukam.

„Nach der konstantinischen Wende Anfang des 4. Jahrhunderts christianisierte sich das römische Reich rapide und die Märtyrerverehrung verbreitete sich dynamisch“, führt der Althistoriker aus. Die Religiosität breiter christlicher Kreise galt den Blutzeugen, ihren Gräbern, Schreinen und Reliquien. „Neue Vorstellungen von Heiligkeit und sakraler Topographie entfalteten sich im Osten und Westen des römischen Reiches, womit zahlreiche Innovationen verbunden sind, im Besonderen die ‚inventio‘ und ‚translatio‘ von oft vormals unbekannten Märtyrern“. Manche dieser Märtyrer seien tatsächlich neu erfunden worden. „Die Verbreitung und Mobilität von Reliquien, die ständige Konstruktion neuer Märtyrer, die Akzeptanz von Wundern und heidnischer Praktiken wie der Inkubation haben eine neue christliche Epoche gekennzeichnet.“

Lokale Märtyrertraditionen

Diese Strömungen unter den Christen nahm die Kirche auf, wie Prof. Hahn erläutert. Nicht etwa Kirchengebäude, sondern Orte der Märtyrerverehrung, die sogenannten „Martyria“, dominierten die entstehenden lokalen christlichen Infrastrukturen und Topographien. Bischöfe etablierten oft neue Kulte und bemächtigten sich lokaler Märtyrertraditionen. „Soziale und politische Bedeutung erhielt diese Entwicklung etwa dadurch, dass Märtyrer als neue Stadt- und Schutzheilige propagiert wurden, womit sie der persönlichen wie kollektiven Identitätsstiftung dienten.“

Der Workshop nimmt die reichen literarischen Quellen wie etwa ‚acta‘, Predigten, ‚miracula-Sammlungen‘ und Martyrologien aus dem 4. Jahrhundert in den Blick. Die Wissenschaftler betrachten, wie sich die Entwicklungen als grundlegend für die Spiritualität, Kirche, Gesellschaft und sogar Politik der Spätantike und darüber hinaus erwiesen, und analysieren sie in ihrer Dynamik und in ihren Wechselwirkungen. Der Workshop, der vom 14. bis 15. Juli in Münster stattfindet, ist Teil des Projektes D2-4 des Exzellenzclusters „Martyrium und Martyriumsdiskurse im 4. Jahrhundert n. Chr.“, das Prof. Hahn leitet. (ill/maz)

Workshop „Innovationen der Märtyrerverehrung im 4. Jahrhundert n. Chr.“

Agora Tagungszentrum
Tagungsraum 1
Bismarckallee 11 B
48151 Münster

Anmeldung bis 06.07.2017
Matthias Sandberg, M.A. | sandberm@wwu.de
Nicole Abele | abelen@wwu.de
Tel. +49 251 83-24360, sonst -24367 (Lena Woestmann)

Programm

Freitag, 14.07.2017
9:00–09:30 Einführung
09:30–10:30 Martyrs and martyr veneration in the second and third century AD
Jan Bremmer, Groningen
Kaffeepause
11:00–12:00 Panegyreis, the evolution of a festival culture and of martyr calendars in Cappadocia and beyond
Vasiliki Limberis, Philadelphia
12:00–13:00 The beginnings of the veneration of relics in the fourth century AD
Estelle Cronnier, Paris
Mittagspause
14:30–15:30 Between private and public: martyr veneration and episcopal authority in fourth-century Rome
Steffen Diefenbach, Konstanz 
Kaffeepause
16:00–17:00 “Those who grovel among the tombs”. Pagan views of Christian relics
Massimo Vitiello, Kansas City
17:00–18:00 Struggling for identities: martyr veneration in the fourth century AD
Johannes Hahn, Münster
Abendessen
Samstag, 15.07.2017
9:30–10:30 Homilies on Christian martyrs as means of communication
Alissa Dahlmann, Münster
Kaffeepause
11:00–12:00 From veneration to expectation. The use of martyrs in personal conflict management
Gesa Schenke, Oxford
12:00–12:45 Abschlussdiskussion
Mittagessen