„Anthropologie der Kehre“
Tagung über Konversionen und Figuren der Wende in der mittelalterlichen Literatur

Mit literarischen Darstellungen von Konversionen im Mittelalter befasst sich ein Kolloquium des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der WWU, das die Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Bruno Quast vom Forschungsverbund, Prof. Dr. Udo Friedrich von der Universität zu Köln und Dr. Ulrich Hoffmann vom Germanistischen Institut der WWU organisieren. „Die Wende ist in der Literaturgeschichte eine elementare Form der Orientierung“, so Prof. Quast. Vom platonischen Erkenntnismodell über prominente Figuren religiöser Konversion, wie Paulus, Augustinus und Hieronymus, bis hin zu literarischen Modellen oder Formen der Umkehr erstrecke sich ihre Wirkungsgeschichte in ganz verschiedenen Feldern. Literaturwissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien und der Schweiz untersuchen vom 28. bis 30. Juni 2017 Figuren der Wende sowohl in ihren kulturellen Ausprägungen und historischen Entwicklungen als auch in ihren poetologischen Konfigurationen. Das Kolloquium trägt den Titel „Anthropologie der Kehre. Figuren der Wende in der Literatur des Mittelalters“.
„Im Begriff der Wende liegt eine Bipolarität, denn eine Wende stellt immer zugleich eine Grenze und einen Ausgang dar“, erläutert Prof. Quast. Die Kehre markiere in einem Handlungsgefüge insofern eine Grenze, als sie das Ende einer narrativen Sequenz an einen neuen Anfang binde, der mit der Figur einer Rückorientierung verbunden sei. „Die literarische Inszenierung des kulturellen Narrativs der ‚conversio‘ kann das Wende-Narrativ selbst in den Mittelpunkt rücken, etwa den Moment der Krisis, der Nichtentschiedenheit.“ Obwohl die Krisis als konstitutiv für den Wendeprozess anzusetzen sei, müsse sie aber nicht zwingend literarisch zur Darstellung kommen. Im Kolloquium gehen die Wissenschaftler auch der Frage nach, in welche verschiedenen Diskursrahmen Figuren der Wende eingespannt werden können. Die Veranstaltung ist Teil des Projektes B2-15 „Konversion im Mittelalter. Zur ordnungsstiftenden Funktion eines kulturellen Narrativs“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“, das Prof. Quast leitet. (ill/maz)