Religiöser Wandel in der Spätantike
Internationale Tagung über Enteignung und Zerstörung von Synagogen
Mit der Enteignung und der Zerstörung jüdischer Synagogen in der Spätantike befasst sich eine internationale Tagung am Exzellenzcluster „Religion und Politik“, zu der der Historiker Prof. Dr. Johannes Hahn vom 14. bis 17. September einlädt. In einem öffentlichen Abendvortrag am 14. September spricht die US-amerikanische Archäologin Prof. Dr. Jodi Magness von der University of North Carolina at Chapel Hill zum Thema „Huqoq and the Fate of Late Roman Synagogues in Galilee“ (Huqoq und das Schicksal spätrömischer Synagogen in Galiläa). Der englischsprachige Vortrag ist ab 18.15 Uhr im Hörsaalgebäude des Exzellenzclusters, Hörsaal JO 1, Johannisstraße 4 in Münster zu hören. Zum Thema der Tagung „Expropriation and Destruction of Synagogues in Late Antiquity. History, Archaeology and Tradition in Context” (Enteignung und Zerstörung von Synagogen in der Spätantike. Geschichte, Archäologie und Tradition im Kontext) erläutert der Veranstalter:
Die traditionelle Wahrnehmung der Religionsgeschichte des spätrömischen Reiches nach der konstantinischen Wende als eines überwältigenden Triumphes der christlichen Kirche ist in jüngerer Zeit von Historikern, Archäologen und Judaisten nachhaltig in Frage gestellt worden. Die Meistererzählung einer unwiderruflichen Christianisierung des Imperiums und eines Zusammenbruchs bzw. einer Zerstörung der paganen Kulte und des Judentums seit Konstantin, wie sie christliche Autoren formuliert haben, repräsentiert keine tragfähige historische Überlieferung, sondern gibt weit mehr einen anhaltenden innerkirchlichen Diskurs über christliche Identität zu erkennen. Tatsächlich wissen wir heute, dass es im Besonderen keinen allgemeinen Niedergang jüdischen Lebens gegeben hat, vielmehr blühende jüdische Gemeinden in wichtigen Räumen des spätrömischen Reiches existierten.
Literarische und archäologische Quellen
Allerdings verweisen zeitgenössische und spätere Berichte und Überlieferungen und ebenso verschiedene archäologische Befunde unzweifelhaft auf die Enteignung und die Zerstörung von Synagogen und auf eine zunehmend spannungsgeladene religiöse Atmosphäre, die nicht allein von religiösem Wettbewerb und Konflikt, sondern, zumindest in einigen Fällen, von Gewaltausbrüchen gekennzeichnet war. Diese literarischen und archäologischen Quellen bedürfen einer eingehenden Untersuchung und Diskussion.
Ausgrabungen haben dabei wichtige neue Befunde zutage gebracht: Besonders reichhaltige Ergebnisse stammen aus dem früheren Palästina, doch auch in der Diaspora wurden bislang unbekannte Synagogen entdeckt. Zudem vermögen bislang vernachlässigte literarische Überlieferungen neues Licht auf wichtige Aspekte zu werfen. Die Präsentation, Neubewertung und historische Interpretation der archäologischen und literarischen Evidenz stellt so eine zentrale Aufgabe der im Rahmen der Konferenz zu führenden interdisziplinären Diskussion dar. Die erstmalige umfassende kritische Bestandsaufnahme und Analyse der spätantiken Synagogenzerstörungen und -konfiskationen trägt so zur Aufhellung eines wichtigen Aspekts der religiösen Transformation bei, welche die Spätantike in so markanter Weise charakterisiert. (exc/ill)