„Von Drachenkämpfern und anderen Heiligen“

Byzantinist Grünbart an Ikonen-Schau beteiligt – Zur Militarisierung von Märtyrern

Prof Dr Michael Gruenbart
Prof. Dr. Michael Grünbart
© Institut für Byzantinistik und Neogräzistik

An der neuen Ausstellung „Von Drachenkämpfern und anderen Heiligen“ im Ikonen-Museum Recklinghausen beteiligen sich die Byzantinisten Prof. Dr. Michael Grünbart und Lutz Rickelt vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ sowie Oleksandr Zabirko vom Slavisch-Baltischen Seminar der WWU. Die Ausstellung zum 60-jährigen Bestehen des Hauses zeigt seit 2. Oktober 2016 bis 12. Februar 2017 Darstellungen christlicher Heiliger, die als Beschützer und Garanten der Sicherheit galten und darum ab der Spätantike oft als Krieger mit Waffen und Rüstung abgebildet wurden, wie das Museum mitteilt.

Die 123 Exponate reichen von mannshohen Darstellungen auf Ikonen über feine Holzschnitzereien und Amulette bis zu winzigen Münzen. Die Ikonen stammen aus dem 6. bis 20. Jahrhundert und kommen aus verschiedenen Regionen Russlands, Südosteuropas, Griechenlands, Ägyptens und Äthiopiens. Am häufigsten sei der Drachenkampf des heiligen Georg zu sehen, erläutert Prof. Dr. Michael Grünbart, der im Ausstellungskatalog den Prozess der Militarisierung und Aufrüstung der Heiligen bis in die byzantinische Zeit darlegt und den Vortrag zur Ausstellungseröffnung gehalten hat.

Begleitend zur Ausstellung veranstaltet der Wissenschaftler mit Osteuropa-Historikerin Dr. Liliya Bereshnaya am 1. und 2. Februar 2017 eine Tagung am Exzellenzcluster, die die Frage der Militarisierung der Heiligen bis in die Moderne führt. Prof. Grünbart: „Neben den frühchristlichen Märtyrern wurden auch russische Heilige verehrt wie die heiligen ‚Leidensdulder‘ und Fürstensöhne Boris und Gleb, die nach 1015 im Kampf um die Nachfolge von ihrem Halbbruder Svjatopolk umgebracht wurden.“

Vom Geistlichen zum Krieger

Heilige wie Georg oder Demetrios seien erst ab dem Frühmittelalter als Krieger dargestellt worden, sagt der Forscher. Die Verehrung der Märtyrer, die bei früheren Christenverfolgungen umgekommen waren, habe sich weiterentwickelt. Ihr martialisches Auftreten war nach den Worten von Michael Grünbart nicht von Anfang an Programm, denn dem militärischen Aspekt wurde im frühen Christentum kaum Beachtung geschenkt. „Die erst später als Kriegerheilige bezeichneten heiligen Männer – Frauen gibt es in dieser Kategorie nicht – betätigten sich ursprünglich nicht militärisch, sie führten keinen gerechten oder gar heiligen Krieg. Erst in der frühbyzantinischen Zeit bis zum 7. Jahrhundert kam es zu einer Militarisierung der Erzählungen und der Ikonographie der Heiligen.“

„Heilige trugen daher zunächst keine Waffen oder Rüstungen, da sie friedfertig für ihren Glauben eintraten“, führt der Forscher aus. Nachdem das Christentum im spätrömischen Reich nicht mehr verboten war und sich zunehmend etablierte, seien die frühchristlichen Märtyrer als Schutzheilige um Hilfe angerufen worden. „Zum einen stellte man sich die Heiligen als wirksame Kämpfer gegen böse Einflüsse vor, was auch in heidnischen Kontexten zu finden war“, verdeutlicht der Byzantinist. „Zum anderen konnte im Frühmittelalter die schwindende Zentralmacht den Schutz der Bevölkerung nicht mehr gewährleisten, so dass Schutzpatrone wichtiger wurden. Andererseits wurden sie auch von der kaiserlichen Macht instrumentalisiert.“ So werden die Heiligen mit Waffen und Rüstung dargestellt, oft auch zu Pferde. „Militär-, Soldaten- oder Kriegerheilige nahmen besonders in der christlich orthodoxen Glaubensvorstellung einen wichtigen Platz ein. Im überwiegend katholisch geprägten westlichen Teil Europas kann hingegen lediglich die Gestalt des heiligen Georg als Ritterheiliger bezeichnet werden.“

Weltweit bedeutendes Museum

Als weiteres Beispiel führt der Wissenschaftler den heiligen Demetrios an, der Diakon war und um das Jahr 306 als christlicher Märtyrer starb und den mehrere Exponate als Krieger im Kampf zeigen. Ab dem sechsten Jahrhundert hätten Christen in der Stadt Thessaloniki ihn als Schutzpatron wegen wundertätiger Hilfe angerufen und verehrt. „Im Jahr 1207 soll mit seiner Hilfe der bulgarische Zar Kalojan bezwungen worden sein“, so Grünbart unter Verweis auf überlieferte Schriften. Die Kampfszene ist in der Ausstellung zu sehen. Weitere Exponate der Sonderausstellung zeigen Heilige wie Georg, Menas, sowie das Heiligenpaar Theodor Stratelates und Theodor Tiron.

Das Ikonen-Museum Recklinghausen ist eines der weltweit bedeutendsten Museen ostkirchlicher Kunst außerhalb der orthodoxen Länder. Prof. Dr. Michael Grünbart hatte 2012 die Ausstellung „Gold und Blei. Byzantinische Kostbarkeiten aus dem Münsterland“ des Ikonen-Museums Recklinghausen kuratiert und den begleitenden Katalog herausgegeben. Im Exzellenzcluster leitet er das Projekt B2-8 „Moses und David: Ambige Typologien für Patriarchen und Kaiser in Byzanz“. (ill/vvm)