Wie sich das frühe Christentum durchsetzen konnte

Wissenschaftlerin: Antikes Briefsystem von Bischöfen ähnelt modernen Netzwerken

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Eva Baumkamp

Die schnelle Ausbreitung des frühen Christentums fußt nach neuesten Forschungsergebnissen auf einem Briefsystem, das an moderne Kommunikationsnetzwerke erinnert. „Im Römischen Reich des dritten Jahrhunderts korrespondierten verfolgte Bischöfe von Karthago bis Kleinasien über ihre Religion und machtpolitische Fragen. Vorteil des ausgefeilten Briefsystems war, dass viele Christen und Gemeinden gleichzeitig teilhaben konnten. Die starke Vernetzung trug wesentlich zur schnellen Ausbreitung des Christentums bei“, sagt Althistorikerin Eva Baumkamp vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster, die den Briefverkehr frühchristlicher Bischöfe in einer Studie des Forschungsverbundes untersucht hat.

„Das Christentum war anfangs eine verbotene Untergrundorganisation, die ihre Glaubenslehre sowie Organisations- und Machtstruktur erst definieren musste“, so die Wissenschaftlerin von der Graduiertenschule des Exzellenzclusters. Von den Römern verfolgt, hätten die Christen über den intensiven Briefaustausch zwischen vielen Gemeinden um eine reichsweite Identität gerungen. Durch Namenslisten wurde festgelegt, wer Teil der Briefgemeinschaft war und wer nicht. Sozialen Online-Netzwerken gleich, diente das Briefsystem der schriftlichen Diskussion von aktuellen Themen. „Unter dem Druck der Verfolgung durch die römischen Kaiser Decius (250-251) und Valerian (257-260) versuchten die Christen früh, ihre theologischen Probleme zu lösen. Das wirkte wie ein Motor. So profitierte das Christentum letztendlich von der Bedrohung“, so Baumkamp.

Streit um Ketzer-Taufen und pagane Opferungen

Für ihr Dissertationsprojekt, das Althistoriker Prof. Dr. Johannes Hahn begleitete, hat die Forscherin gut 80 antike Briefe von und an Bischof Cyprian von Karthago untersucht. Sie zog außerdem Hinweise aus anderen Schreiben auf Briefe von Bischof Dionysius von Alexandria und weiteren Bischöfen aus Rom, Gallien und Kleinasien hinzu. Die Kirchenmänner diskutierten darin zahlreiche Detailfragen, etwa wie mit Christen umzugehen sei, die dem Kaiser während der Verfolgung pagane Opfer erbracht hatten oder Beamte bestachen, um einer Verhaftung oder Hinrichtung zu entgehen. „Die Kleriker stritten aber auch über die Frage, ob von Ketzern getaufte Christen für eine Rückkehr in die Gemeinde neu getauft werden müssten oder das Handauflegen eines Bischofs ausreiche.“

Die Briefe erfüllten zudem machtpolitische Zwecke, wie Baumkamp erläuterte. „Viele Bischöfe flüchteten während der Verfolgungen ins Exil, wollten aber ihre Gemeinden weiter führen und ihnen Handlungsanweisungen geben. Das ging nur über Briefe.“ Gleichzeitig handelten die Kleriker per Briefverfahren Hierarchien aus. „Vor allem Bischöfe größerer Städte wie Rom, Karthago, Alexandria oder Lyon waren bald nicht mehr bloß Sprachrohr ihrer Einzelgemeinde, sondern beanspruchten mehr oder weniger erfolgreich, die gesamte Provinz zu vertreten“, so die Althistorikerin. Bischof Stephanus von Rom bemühte sich demnach darum, die höchste christliche Entscheidungsgewalt in Rom zu verorten. „Die Bischöfe aus Karthago und Kleinasien ignorierten den Versuch jedoch im weiteren Briefverkehr, so dass ein römisches Primat zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgesetzt werden konnte.“

Kampf um Macht

Die Schriftstücke aus dem dritten Jahrhundert belegen der Wissenschaftlerin zufolge auch, welche Auswirkungen individuelles Verhalten der Bischöfe für ihre Position in den Gemeinden haben konnte und wie wenig ihre Macht zu diesem Zeitpunkt gefestigt war. „Man sieht in den Briefen, wie sehr Bischöfe – obwohl nach christlicher Vorstellung durch Gott legitimiert – noch darum kämpfen mussten, ihre Position in Krisensituationen gegen konkurrierende Presbyter, Diakone oder Märtyrer zu behaupten.“ Baumkamps Dissertation trägt den Titel „Zwischen Konflikt und Konsens. Informationsaustausch der Bischöfe in christlichen Gemeinden des dritten Jahrhunderts“.

Die komplexe Briefkommunikation im Untergrund hatte nach den Worten der Althistorikerin auch langfristig Auswirkungen: „Kaiser Konstantin der Große konnte die gewachsenen Kommunikationsstrukturen noch im vierten Jahrhundert nutzen und machte das Christentum zur privilegierten Religion im Römischen Reich.“ Die Konstantinische Wende war ein Meilenstein für die Ausbreitung des Christentums. (han/vvm)