„Organe sollten automatisch zur Verfügung stehen“

Ethiker Prof. Dr. Michael Quante plädiert in der Transplantationsdebatte für Widerspruchslösung

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 Prof. Dr. Michael Quante

Die Organe aller Bürger sollten nach Ansicht des Münsteraner Ethikers und Philosophen Prof. Dr. Michael Quante nach einem Hirntod automatisch zur Transplantation zur Verfügung stehen. „Ausgenommen sind nur die Fälle, in denen sich der Spender zu Lebzeiten ausdrücklich gegen eine Spende ausgesprochen hat“, sagte der Experte aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) am Mittwoch in der Sendung „Agenda“ in DRadio Wissen. Damit plädierte er in der aktuellen Diskussion um die gesetzliche Regelung von Organspenden für die sogenannte Widerspruchslösung. Hintergrund ist ein Treffen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern. Sie beraten am Mittwoch und Donnerstag in Frankfurt über ein neues Gesetz zu Organspenden, das ab dem 1. Januar 2012 in Kraft treten soll.

Zurzeit gilt in Deutschland für Organspenden die Zustimmungsregelung. Organe dürfen nur entnommen werden, wenn der Verstorbene durch einen Organspende-Ausweis sein ausdrückliches Einverständnis gegeben hat oder stellvertretend die Angehörigen einer Transplantation zustimmen. „Ich halte es für ethisch bedenklich, wenn die Angehörigen diese Entscheidungsmacht und Entscheidungslast übernehmen. Es ist eher zumutbar, schwerwiegende Entscheidungen in eigenen Angelegenheiten zu treffen“, so Prof. Quante. Außerdem stünden aufgrund dieser Regelung zurzeit nicht genug Organe zur Verfügung, um den „Tod auf der Warteliste“ zu verhindern.

Neben der Zustimmungsregelung und der Widerspruchslösung steht als dritte Möglichkeit die Entscheidungslösung zur Diskussion. Sie sieht vor, dass jeder Bürger mindestens einmal im Leben nach seiner Einstellung zur Organspende befragt und seine Entscheidung registriert wird, wie Prof. Quante erläuterte. „Die Widerspruchslösung drückt aber besser aus, dass die Organspende als Akt der Solidarität selbstverständlich sein sollte.“ Eine stillschweigende Zustimmung sei bei der Entscheidungslösung nicht möglich. „Außerdem befürchte ich, dass diese keine größeren positiven Auswirkungen auf die Zahl der transplantierten Organe haben wird.“

Voraussetzung für die Widerspruchslösung ist dem Forscher zufolge eine umfassende Information der Bürger, etwa indem der Religions- oder Ethikunterricht an den Schulen das Thema aufgreift. Außerdem sollten nach seinen Worten gute Register in den Behörden es dem Bürger ermöglichen, die Entscheidung gegen eine Organspende jederzeit rückgängig zu machen.

Prof. Dr. Michael Quante ist Professor für Ethik und praktische Philosophie und beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Organspende-Debatte. Er forscht am Exzellenzcluster im Projekt A17 „Konstellationen der Religions- und Staatskritik im Linkshegelianismus“ und ist Mitglied der Kollegforschergruppe „Normbegründung in Medizinethik und Biopolitik“. (arn)