Kehrt das Religiöse wirklich zurück?

Diskussionsveranstaltung zum neuen Buch von Prof. Dr. Detlef Pollack

Buchcover
© Mohr Siebeck

Die „Wiederkehr der Götter“ sei empirisch nicht zu beweisen, schreibt Prof. Dr. Pollack in seinem neuesten Buch „Rückkehr des Religiösen?“; viele seiner Kollegen sieht er in einem „Religiositätsrausch“. Am 9. Februar um 18 Uhr diskutiert der Religionssoziologe diese umstrittenen Thesen im Hörsaal J12 (Johannisstraße 1-4) mit anderen Mitgliedern des Exzellenzclusters „Religion und Politik“. Er wird selbst ins Thema einführen. Vor der anschließenden Diskussion im Plenum werden vier Vertreter verschiedener Fächer ihre Leseeindrücke schildern: die Ethnologin Prof. Dr. Helene Basu, der Jurist Prof. Dr. Christian Walter, der Theologe Daniel Steinke aus der Graduiertenschule sowie der Nachwuchsgruppenleiter und Historiker Dr. Klaus Große Kracht. Die Veranstaltung richtet sich an Wissenschaftler des Exzellenzclusters.

Pollack schreibt in seinem Buch, zahlreiche Historiker, Theologen und Religionssoziologen seien überzeugt, dass „unsere Gesellschaft voller Religion sei; das Religiöse manifestiere sich nicht mehr nur in den Kirchen, sondern auch an bislang unvermuteten Plätzen“. Dazu gehörten Popsongs, Werbung, TV-Serien, meditative Techniken und Fußballbegeisterung genauso wie Extremsport, Gruppentherapie oder die Selbsttranszendierung in der Sexualität.

„Betrachtet man diesen inflationären Gebrauch des Religionsbegriffs, dann gewinnt man zuweilen den Eindruck, als ob sich alles, was manche Theologen und Religionssoziologen anfassen, wie von Zauberhand in Religion zu verwandeln mag“, so Pollack in seinem Buch aus dem Tübinger Verlag Mohr Siebeck. Der Wissenschaftler weist darauf hin, dass die Zahl der Konfessionslosen Erhebungen zufolge in allen westeuropäischen Ländern zunimmt. Auch die regelmäßigen Kirchgänger in Westeuropa würden seit 30 Jahren immer weniger. Selbst die Anzahl der Menschen, die an Gott glauben, sei mit Ausnahme der neunziger Jahre seit Jahrzehnten rückläufig.

Die starke Präsenz der Religion in den Medien darf nach Ansicht von Pollack nicht mit der religiösen Praxis und Lebensführung Einzelner verwechselt werden. Hier ließen repräsentative Erhebungen keine Trendumkehr erkennen. Die Säkularisierungsthese, nach der der Stellenwert von Religion und Kirche in modernen Gesellschaften abnimmt, sei also empirisch gut belegt, auch wenn Soziologen und Historiker sie inzwischen gern als veraltet sowie als „eindimensional, deterministisch und fortschrittsgläubig abtun“. Ihre Ablehnung habe weniger mit einem Zuwachs an Religiosität zu tun als mit einer weit verbreiteten Skepsis gegenüber den Versprechungen der Moderne. Auch das Bewusstwerden der politischen Konflikthaftigkeit des Religiösen habe dazu beigetragen, den Bedeutungsrückgang des Religiösen in modernen Gesellschaften zu bezweifeln. Zwischen der politischen Indienstnahme des Religiösen und seiner gesellschaftlichen und persönlichen Akzeptanz müsse jedoch klar unterschieden werden. (arn/vvm)

Hinweis: Detlef Pollack, Rückkehr des Religiösen? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland und Europa II. Tübingen, Verlag Mohr Siebeck 2009, 34 Euro.