„Streit um den wahren Islam ist sinnlos“

Prof. Dr. Helene Basu über die Vielfalt im indischen Islam

News Bericht Rvl Basu

Prof. Dr. Helene Basu

Nach Ansicht der Münsteraner Ethnologin Prof. Dr. Helene Basu ist „der immer lauter werdende Streit“ unter Muslimen um den „wahren Islam“ sinnlos. Radikale Gelehrte behaupteten häufig, die Verehrung von Heiligen an deren Schreinen stehe dem Islam des Korans und der Moschee entgegen. Weit verbreitete und einflussreiche Strömungen wie der Sufismus gerieten dadurch in den Verdacht, nicht „wirklich islamisch“ zu sein. Der „gelebte Islam“ in Indien und Pakistan verbinde aber immer schon beide Elemente und sei äußerst vielfältig, sagte sie am Dienstagabend in der Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU).  „Die Sufi-Orden werden dennoch in einigen Ländern mit Gewalt bekämpft“, berichtete die Ethnologin.

Helene Basu forscht seit mehr als 20 Jahren in Südasien. Im Münsteraner Exzellenzcluster leitet sie ein Projekt über religiöse und psychiatrische Hilfen für seelisch Kranke in Indien, die etwa an Heiligenschreinen angeboten werden. Besonders interessiert sie sich für die „institutionalisierte Heiligenverehrung“, die im Sufismus eine große Rolle spielt. Bei den Feiern an den Schreinen bildet der Ethnologin zufolge immer das Gebet den festen Rahmen, oft seien auch Korangelehrte aus benachbarten Moscheen anwesend. Andere Vertreter des Islams lehnten diese Volksfrömmigkeit jedoch ab. Sie glaubten im Unterschied zu den Sufisten nicht, dass verstorbene Heilige aus dem Jenseits in die Geschichte eingreifen könnten. Diese Macht besitze nur Allah selbst.

Muslimische Heilige als Bindeglieder zur hindiuistischen Welt

Die Strömung des Sufismus gewinnt nach Angaben von Basu in Indien und Pakistan nach wie vor neue Anhänger. Zu den Feiern der Orden gehörten auch prächtige Prozessionen, ausgelassene Tänze, Theatervorführungen sowie Spiele mit Schwertern, Nadeln und brennendem Öl. „Die Teilnehmer bleiben unverletzt. Das beweist den Anwesenden, dass die spirituellen Führer die Körper vor Verletzungen bewahren können“, erklärte Basu. Feuer nehme in den Ritualen und Spielen seit einigen Jahren mehr Raum ein. „Möglicherweise wird so verarbeitet, dass radikale Hindus bei Übergriffen gegen Muslime Menschen verbrannt haben“, sagte die Ethnologin.
In Indien kam es in den vergangenen Jahren wiederholt zu solchen gewaltsamen Verfolgungen von Muslimen. Umso wichtiger sind den Forschungen Basus zufolge die sufistischen Heiligen und Fürsten. „Sie sind Bindeglieder zwischen der muslimischen und der hinduistischen Welt und stabilisieren so die soziale Ordnung“, erklärte die Ethnologin.

Am kommenden Dienstag, 2. Februar, endet die Ringvorlesung dieses Semesters mit einem Vortrag des New Yorker Theaterregisseurs Richard Schechner, der zugleich Professor für „Performance Studies“ ist. Unter der Überschrift „The Ramlila of Ramnagar, North India: A Ritual Political Entertaining Performance of Great Magnitude“ spricht er über die Aufführung eines indischen Nationalepos. Die Ringvorlesung beginnt wie immer um 18 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses (Domplatz 20-22). (arn)