"Bedeutsamer Forschungsgegenstand für den Cluster"

Privatsammler Walter Remy übergibt der WWU rund 650 altsprachliche Bibeln

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Prof. Dr. Thomas Sternberg, Prof. Dr. Ursula Nelles, Walter Remy, Prof. Dr. Holger Strutwolf und Dr. Michael Reitemeyer (v. l.)

Für die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster sei es "ein großartiges Ereignis", betonte WWU-Rektorin Prof. Dr. Ursula Nelles. Andere Redner sprachen von einer "epochalen Sammlung" und "einem bedeutenden Tag" für das Bibelmuseum der WWU. Grund für die Freude: Am Montag hat die Universität Münster die europaweit größte Bibel-Sammlung aus Privatbesitz erhalten. Auch für den Exzellenzcluster "Religion und Politik" werden die Bände "bedeutsame Forschungsgegenstände" sein, wie Cluster-Sprecher Prof. Dr. Gerd Althoff betonte.

Die Sammlung war mit erheblicher finanzieller Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Kunststiftung des Landes Nordrhein-Westfalen, der Staatskanzlei NRW und des Exzellenzclusters erworben worden. Der aus Betzdorf/Sieg stammende Jurist Walter Remy hat über viele Jahre hinweg hunderte Bibeln zusammengetragen - den altsprachlichen Teile davon, exakt 652 Werke, hat er jetzt der Universität überlassen. Sie werden im Institut für Neutestamentliche Textforschung (INTF) wissenschaftlich erschlossen und zum Teil im angeschlossenen Bibelmuseum der Öffentlichkeit präsentiert.

Bislang lag der Schwerpunkt des Instituts auf der Rekonstruktion des Urtextes des griechischen Neuen Testaments. "Die Sammlung Remy ist ein Juwel für Münster und für uns eine wundervolle Ergänzung, denn mit ihrer Hilfe können wir nun erforschen, wie der Bibeltext in der Neuzeit editiert wurde. Für uns ist die Übergabe ein historisches Ereignis", erklärte Prof. Dr. Holger Strutwolf, Direktor des INTF und des Bibelmuseums. Rund 500 Bibeln von der Antike bis zur Neuzeit zeichnen dort bislang die Geschichte der Bibel und damit auch die Geschichte des Buches insgesamt nach. Der Bestand wird durch die neuen Bände also mehr als verdoppelt.

Walter Remy zeigte sich von der Resonanz seiner mehr als sechzigjährigen Arbeit beeindruckt. „Ich bin überwältigt und hätte niemals mit so einem Echo gerechnet", sagte der 75-Jährige während des Festakts. Als besondere Überraschung übergab er Ursula Nelles zusätzlich eine Luther-Bibel aus dem Jahr 1534 mit Zeichnungen des Renaissance-Malers Lucas Kranach. „Die habe ich bei einer Freundin auf dem Dachboden gefunden", erzählte er. Ursula Nelles und Holger Strutwolf freuten sich sichtlich über das Geschenk, das nun ebenfalls in den Bibelbestand aufgenommen wird.

Der Landtagsabgeordnete Prof. Dr. Thomas Sternberg, der neben dem ehemaligen Regierungspräsidenten Jörg Twenhöven und dem ehemaligen Stadtdirektor von Recklinghausen, Peter Borggraefe, als Vermittler wesentlichen Anteil daran hatte, die Sammlung nach Münster zu holen, betonte, dass nicht nur die Evangelisch-Theologische Fakultät, zu der INTF und Museum gehören, von der Überlassung der Bibeln profitiert. "Für beide Theologien ist die Sammlung außerordentlich wichtig. Es sind Stücke von außerordentlicher Seltenheit darunter, Münster darf sich über die europaweit bedeutendste private Bibelsammlung freuen." Der Hauptteil der Bibeln ist in Latein geschrieben, das heißt, es sind überwiegend katholische Bibeln.

Dr. Michael Reitemeyer von der Staatskanzlei verwies auf das Schwerpunktprogramm "Substanzerhalt" der Landesregierung: "Wir wollen Fragen beantworten wie: Was ist das entscheidende an unserer kulturellen Substanz? Woher kommen wir? Was sind unsere geistigen Wurzeln?" Dafür sei die Sammlung bestens geeignet.

Walter Remy stammt aus einem Elternhaus, das auf eine 350-jährige hugenottische Tradition zurückblickt. Schon in seiner Kindheit wurde die Bibel zu einem zentralen Bezugspunkt des täglichen Lebens. Sowohl während seines Studiums als auch während seiner Tätigkeit als Anwalt verlor der heute 75-Jährige nie das Interesse an alten Büchern und Bibeln. Er besuchte zahlreiche nationale und internationale Buch-Auktionen und -messen sowie Antiquariate. Seit der Schließung seiner Anwaltspraxis im Jahr 2000 widmet er sich seinem eigenen Antiquariat, das er unter dem Namen "Remigius" in Betzdorf führt. (upm/vvm)