Mensch und Mythos

Prof. Dr. Ulrich Oevermann zu Zusammenhängen zwischen Religion und Säkularisation

Ringvorlesung Oevermann

Prof. Dr. Ulrich Oevermann sprach in der Ringvorlesung über Zusammen­hänge zwischen Religion und Säkularisation.

„Auf eine gewisse Form von Mythologie kann der Mensch selbst in einer säkularisierten Welt nicht verzichten“, brachte Prof. Dr. Ulrich Oevermann, Emeritus der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, die Verbindung von Religion und Moderne in der heutigen Gesellschaft auf den Punkt. Als vierter Referent der aktuellen Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ schilderte er die Entstehung dieses scheinbar widersprüchlichen Umstandes. Der Titel seines Vortrags lautete „Das Erklärungspotential der Religionssoziologie für Entwicklungen der Moderne“.

Der Soziologe betonte, die für den Menschen unabänderlich notwendigen Mythen seien immer zugleich Impulse zur Säkularisation gewesen. Ein Beispiel hierfür lasse sich bereits in der Bibel finden, wo der Sündenfall zum „Befreiungsfall“ geworden sei. Erst die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies, durch die der Mensch "sterblich" geworden sei, habe letztlich den Schritt zur Selbständigkeit ermöglicht.

Weitere Beispiele für das Bedingungsverhältnis von Religion und Moderne sieht der Wissenschaftler in der Geschichte der katholischen Kirche. So sei diese für die Einführung einer universalistischen Friedensordnung verantwortlich. Die Kirche habe auch durch das Sakrament der Ehe maßgeblich dazu beigetragen, den zuvor verbreiteten „Frauentausch“ einzudämmen. Darüber hinaus stehe sie seit frühester Zeit Verfolgten als Zufluchtsort offen und engagiere sich für die Freiheit des Menschen.

In der Ringvorlesung „Moderne. Religion. Politik - Konzepte, Befunde und Perspektiven“ stellen 13 Referenten aus fünf Nationen Perspektiven ihrer Disziplinen auf die Theorie der Moderne vor. Jeweils dienstags von 18 bis 20 Uhr sind Interessierte zu den öffentlichen Vorträgen eingeladen. Nächster Termin: Am 19. Mai spricht Dr. Shalini Randeria, Professorin am Ethnologischen Seminar Zürich, über „Entangled Modernities: Governance of Nature in a post-colonial perspective“. (log)