Die Entwicklung kooperativen Verhaltens und Moralentwicklung

Kooperation und prosoziales Verhalten

Kontakt: Marta Giner Torréns, Nils Schuhmacher & Joscha Kärtner

Kinder beginnen mit ca. einem Jahr, prosoziales Verhalten zu zeigen. In unseren Studien beschäftigen wir uns mit Einflüssen auf diese frühe Entwicklung: wir beobachten das prosoziale Verhalten von Kindern im Alter zwischen 9 Monaten und 3 Jahren gegenüber Erwachsenen und anderen Kindern und erfassen zentrale sozial-kognitive, emotionale und kommunikative Fähigkeiten.Unsere Befunde zeigen, dass Kinder ab ca. 9 Monaten die Bedürftigkeit anderer verstehen. Im Laufe des zweiten Lebensjahres tragen die Fähigkeit, gemeinsame Aufmerksamkeit zu erzeugen und zwischen eigenem und fremden Erleben zu differenzieren dazu bei, dass verschiedene Arten des prosozialen Verhaltens (helfen, trösten, kooperieren) nicht miteinander zusammenhängen (Domänenspezifität).
Um mehr über die Motivation prosozialen Verhaltens zu erfahren, analysieren wir den Einfluss von Kultur und Sozialisation auf die Entwicklung prosozialen Verhaltens: dazu erfassen wir das prosoziale Verhalten der Kinder und die Sozialisationsziele und -strategien der Mütter in verschiedenen kulturellen Kontexten (städtische und/ oder ländliche Stichproben aus Deutschland, Indien, Brasilien, Japan, Kamerun und Ecuador).
Die bisherigen Befunde zeigen, dass sich das frühe Hilfeverhalten zwischen Kulturen unterscheidet und jeweils mit spezifischen Sozialisationsstrategien zusammenhängt. Beispielsweise konnten wir zeigen, dass die Art und Weise, wie Mütter ihre Kinder auffordern, etwas zu erledigen mit deren spontanen Hilfeverhalten zusammenhängt. So scheinen zweijährige Kinder im ländlichen Brasilien Hilfeverhalten als zwischenmenschliche Verpflichtung zu verstehen, wohingegen für Kinder der deutschen Mittelklasse der freie Entschluss zum Helfen entscheidend ist. Ein ähnlicher Befund zeigt sich in einer anderen Studie, in der das Hilfeverhalten von Kindern in Delhi stärker mit den Erwartungen anderer und den damit verbundenen Konsequenzen zusammenhing als in Münster.
In weiteren Studien untersuchen wir zur Zeit (i) die Bidirektionalität zwischen Elternverhalten und der Entwicklung prosozialen Verhaltens auf Grundlage transaktionaler und experimenteller Designs, (ii) die Rolle sozialen Lernens für die Entwicklung prosozialen Verhaltens und (iii) ökologisch valide Zugänge zur Erfassung prosozialen Verhaltens und der kindlichen Lebenswelt in verschiedenen Kulturen.


Ausgewählte Publikationen:

  • Giner Torréns, M., & Kärtner, J. (2017). The influence of socialization on early helping from a cross-cultural perspective. Journal of Cross-Cultural Psychology.
  • Schuhmacher, N., Collard, J., & Kärtner, J. (2017). The differential role of parenting, peers, and temperament for explaining interindividual differences in 18-months-olds’ comforting and helping. Infant Behavior and Development, 46, 124-134.
  • Giner Torréns, M., & Kärtner, J. (2017). Psychometric properties of the early prosocial behavior questionnaire. European Journal of Developmental Psychology. Advance online publication.
  • Köster, M., Cavalcante, L., Carvalho, R., Resende, B., & Kärtner, J. (2016). Cultural influences on toddlers’ prosocial behavior: How maternal task assignment relates to helping others. Child Development, 87, 1727-1738.
  • Köster, M., Ohmer, X., Nguyen, T. D., & Kärtner, J. (2016). Infants understand others’ needs. Psychological Science, 27(4), 542-548.
  • Schuhmacher, N., & Kärtner, J. (2015). Explaining interindividual differences in toddlers’ collaboration with unfamiliar peers: Individual, dyadic, and social factors. Frontiers in Psychology, 6, 1-14.
  • Kärtner, J., Schuhmacher, N., & Collard, J. (2014). Socio-cognitive influences on the domain-specificity of prosocial behavior in the second year. Infant Behavior & Development, 37, 665-675.
  • Kärtner, J., Keller, H., & Chaudhary, N. (2010). Cognitive and social influences on early prosocial behavior in two socio-cultural contexts. Developmental Psychology, 46(4), 905-914.