Populäre Avantgarde. Fantastik in der Populärkultur um 1900 [Arbeitstitel]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebt die deutschsprachige fantastische Literatur einen Höhepunkt. Vor allem in den Medien der Populärkultur, aber auch in den Texten der hochliterarischen Avantgarden zirkulieren Motive, die heute aus der Science-Fiction bekannt sind: Der Kontakt zu Außerirdischen, Planetenreisen und technisch-utopische Fantasien. Dieser Befund allein zeigt, dass die – unter anderem von der Literaturwissenschaft – immer wieder aufgerufene Trennung von ‚high‘ und ‚low‘, von Kunst und Unterhaltung, nicht haltbar ist. Zwar publizieren Autoren wie Hans Dominik, Kurd Laßwitz und Friedrich Wilhelm Mader in anderen Medien (z. B. in Das neue Universum oder der Schlesischen Zeitung) als Autoren wie Georg Heym und Albert Ehrenstein (z. B. Die Aktion). Wenn aber Heym und Ehrenstein über Marsmenschen schreiben, Alfred Döblin mit Giganten (1932) ein „Abenteuerbuch“ vorlegt, das eine leicht verdauliche Fassung seines Epos Berge Meere und Giganten (1924) sein soll und Paul Scheerbart über technische Großprojekte schreibt, wie sie auch in Bernhard Kellermanns Der Tunnel (1913) titelgebend sind, wird schnell deutlich, dass sich Populärkultur und Avantgarde nicht in voneinander getrennten Sphären bewegen.
Die Dissertation untersucht, welche Energien im Greenblatt’schen Sinne zwischen den Texten zirkulieren, und nimmt Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Texte (z. B. auf Verfahrensebene) in den Blick. Publikationskontexte spielen dabei ebenso eine Rolle wie Kanonisierungspraxen. Theoretisch fundiert und analytisch abgesichert wird so das Feld der Fantastik um 1900 ausgelotet und neue Beschreibungskategorien entwickelt, die sich nicht mehr am Antagonismus von ‚high‘ und ‚low‘ abarbeiten.