Philipp Saukel
Philipp Saukel

Jugendbewegte Literatur. Poetologie, Ideologie und Intertextualität bündischer Texte in der Frühzeit der Bundesrepublik

Foto von Philipp Saukel
© privat

Die deutsche Jugendbewegung wird heute, wenn überhaupt bekannt, als kurioses Produkt der Zwischenkriegszeit ohne größere Relevanz für literaturgeschichtliche Prozesse gesehen. Bekannt sind der Wandervogel, ihre Nachdichtungen von Volksliedern oder auch eine pathetisch-romantische Naturverehrung. Doch innerhalb der Jugendbewegung gab es viel mehr Ambivalenzen: zwischen Moderne und Vormoderne, zwischen Intellektuellenfeindlichkeit und Avantgarde, zwischen Konservativer Revolution und Fortschrittsglauben. Gerade deswegen aber erlauben Schriften von Wandervögeln und co. einen Perspektivwechsel auf die deutsche Literatur – bis in die 1950er und 1960er Jahre.

Zur Expo 1958 – in der sogenannten „Bibliothek eines geistig interessierten Deutschen“, die damals der Welt Deutschlands Rückkehr in die internationale intellektuelle Gemeinschaft zeigen sollte – wurden gleich drei Bücher von dem Wandervogel und Aushängeschild der Jugendbewegung Werner Helwig ausgestellt. Die so valorisierte Literatur Helwigs bietet ein außergewöhnliches Amalgam an Avantgardismen, Referenzen auf die großen antiken Denker, aber auch Bezüge auf den Expressionismus. Nicht zuletzt ufert die Kultur der Bündischen und Jugendbewegten schließlich in die Tramper-Kultur der 50er, die paneuropäische Ideen vertrat; und im folgenden auch in die deutsche Liedermacherszene unter Hannes Wader, Franz Josef Degenhardt und Reinhard Mey, die alle ihre Bekanntheit durch Auftritte bei einem Wandervogel-Fest 1964 erlangten. Kurzum: Die Jugendbewegung ist der Schlüssel für das Verständnis deutscher Jugendkulturen nicht nur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern bis zur 68er-Bewegung.

Das Projekt liefert eine erste produktionsästhetische Grundlagenarbeit über die Literatur der Jugendbewegung und behandelt dabei auch Autor*innen, die bislang von der wissenschaftlichen Community kaum oder gar nicht beachtet worden sind. Es stützt sich in großem Ausmaß auf extensive Textarbeit in Archiven und liefert so Material und Anstöße für weitere Forschung zur Frühzeit der Bundesrepublik.

Betreuer: Prof. Dr. Moritz Baßler

Kontakt

  • Forschungsschwerpunkte

    • Deutschsprachige Literatur von der literarischen Moderne bis zum frühen Pop in den 1960er Jahren

    • Jugend- und Gegenkulturen

    • Japanische Transkulturalität

    • Semiotik des Spiels
  • Akademische Ausbildung

    seit 05/2025 Promotion, Deutsche Philologie, Graduate School Practices of Literature, Universität Münster
    10/2020 - 05/2023 Master of Arts, Kulturpoetik der Literatur und Medien, Universität Münster
    10/2016 - 03/2020 Bachelor of Arts, Germanistik und Politikwissenschaften, Universität Münster
  • Projekte und berufliche Tätigkeiten

    Beschäftigung

    04/2024 - 09/2024 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Institut der Universität Münster (Lehrstuhl Prof. Dr. Moritz Baßler)

    Lehrtätigkeiten

    09/2021 - 02/2022 Bachelorseminar „Literaturwissenschaftliche Zugänge zu Kinderliteratur“, Germanistisches Institut, Universität Münster
    08/2018 - 09/2020 Tutorium „Lektüretest“, Germanistisches Institut, Universität Münster

    Sonstige Projekte und Tätigkeiten

    10/2024 - 04/2025 Praktikum, Deutsche Industrie- und Handelskammer in Tokio, Japan
  • Publikationen und Konferenzvorträge

    Publikationen

    Melzow, Louisa und Saukel, Philipp: Medienkulturwissenschaften. In: Paradigma. Studienbeiträge zu Literatur und Film 5. Medienkulturwissenschaften. Theorien – Ansätze – Perspektiven. Hrsg. von Stephan Brössel. Münster: Germanistisches Institut 2022.

     

    Konferenzvorträge

    09/2023 „Mythische Fahrt. Bündische Ideologie in der Literatur der frühen BRD“, Workshop „50er Jahre. Kultur- und medienpoetische Lektüren“ von Philipp Pabst und David Brehmm, Universität Münster