Elena Sacoph
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Romantische Übersetzung als europäisches Identitätsmodell

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© Elena Sacoph

Zeitgenössische Positionen und Theorien bewerten die Tatsache, dass es gerade bei der formgebundenen literarischen Übersetzung zu Differenzen zwischen Original und Übersetzung kommt, nicht als Fehler oder Makel. Stattdessen wird die Differenz in der Übersetzung als Ort der ‚poetischen Interaktion‘ oder auch als Ort der Gastfreundschaft („hospitalité“) gedeutet. Genau dieser Ort soll in meinem Dissertationsprojekt genauer untersucht werden. Die Fragestellung, die ich Ihnen vorstellen möchte, lautet: Inwiefern wirken romantische Übersetzungsdiskurse modellbildend in Hinblick auf sinn- und identitätsstiftende Elemente in einem transnationalen, europäischen Kontext?
Moderne und zeitgenössische Übersetzungsdiskurse basieren zu großen Teilen auf einer romantischen Tradition der Übersetzungstheorie. In der Literatur um 1800 finden sich zwei gegenläufige Tendenzen: einerseits das durchaus nationalistische Bestreben, die eigene deutsche Literatur in Abgrenzung zu anderen Nationalliteraturen zu profilieren, andererseits das eingangs erwähnte ethisch motivierte Grundinteresse am Anderen und die Suche nach dem ‚richtigen‘ Verhältnis zum Fremden in der Übersetzung.
Ziel meines Vorhabens ist es, die Modellhaftigkeit romantischer Übersetzungsdiskurse zu untersuchen und herauszufinden, inwieweit von gleichbleibenden Motiven und Strukturen gesprochen werden kann, die bis in die Gegenwart hineinwirken. Die modellhafte Wirkung soll dabei aus einer europäischen und transnationalen Perspektive heraus untersucht werden. Den Ursprung jener Modellwirkung gerade in der Romantik zu verorten erscheint mir sinnhaft, da sich die Romantik, ausgehend von der deutschen Frühromantik, zu einem Phänomen der europäischen Moderne entwickelt hat. Die herauszuarbeitenden Motive, Strukturen, Topoi und Symbole in romantischen Übersetzungsdiskursen sollen anhand von konkreten Übersetzungsbeispielen illustriert werden (Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch).
Mein Projekt würde insofern über bereits existierende Studien hinausgehen, als es die Modellperspektive ermöglicht, interdisziplinäre Theorien und Methoden mit einzubeziehen, die transnationale und europäische Identitätsbildung thematisieren. Sich diesem Themenkomplex über die Übersetzung zu nähern, erscheint mir besonders gewinnbringend, da gerade die Sprache erheblich am Prozess der (kollektiven) Identitätsbildung beteiligt ist. Interpretiert man nun die Übersetzung als einen Ort des gemeinsamen ‚Sprechens‘ und als eine Art kritisches ‚Gespräch‘ zwischen Übersetzer und fremdem Text, und geht man davon aus, dass sich Identität im Wesentlichen über Interaktion und Begegnung konstituiert, ist die Verbindung zu den eingangs erwähnten Konzepten ‚Gastfreundschaft‘ und ‚Interaktion‘ hergestellt.


Kontakt

Akademischer Werdegang

2013 - 2018 Deutsch-Französische Studien / Études franco-allemandes an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, M.A., Abschluss: Master of Arts (1,1)
darin: Studienaufenthalt an der Univeristé Paris IV - Paris Sorbonne   (Oktober 2015 - September 2016)
2009 - 2012

Deutsch-Französische Studien / Études franco-allemandes an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, B.A.,  Abschluss: Bachelor of Arts (2,0) und Licence (13,6/20)
darin: Studienaufenthalt an der Université de Paris IV - Paris Sorbonne   (Oktober 2010 - September 2011)