Zum Profil der Graduate School

Drei eng aufeinander bezogene thematische Säulen bilden das Profil:

1. Literatur und Gesellschaft
Gesellschaftsbezug von Literatur und Literaturwissenschaft, Theorien der Gesellschaft, Kulturtheorien, cultural turn und Literaturwissenschaft

2. Theorie(n) der Literaturwissenschaft
Wissenschaftstheorie, Geschichte und Theorie der Literaturwissenschaft, Theorie und Methoden der Literaturwissenschaft

3. Literaturwissenschaft und Praxis
Berufspraktische Anwendungsfelder literaturwissenschaftlichen Wissens, der literarische Markt, literaturwissenschaftliche Schlüsselqualifikationen, das Verhältnis von literaturwissenschaftlicher Theorie/Wissenschaftstheorie und Praxis.

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Rolle der Literaturwissenschaft in der Gegenwart

Vor dem Hintergrund tiefgreifender gesellschaftlicher und wissenschaftspolitischer Veränderungen ist am Beginn des 21. Jahrhunderts eine Neubestimmung des disziplinären Selbstverständnisses der Literaturwissenschaft erforderlich. Bildung und Wissenschaft werden daran gemessen, auf welche Weise sie zu einem besseren Verständnis der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme einer von Globalisierung, Migration, Technisierung und Internationalisierung bestimmten Welt beitragen. Daher müssen sich auch die traditionell für den Bereich des Künstlerisch-Ästhetischen zuständigen Wissenschaften fragen lassen, welches ihr gesellschaftlicher Auftrag in der Gegenwart ist und welche Rolle sie in der künftigen Wissenschaftslandschaft spielen werden.

Soziale Dimensionen literaturwissenschaftlicher Forschung

Nachdem in den politisierten 1960er Jahren verstärkt die gesellschaftliche ‚Relevanz‘ von Literatur und Literaturwissenschaft eingefordert wurde, kam es in der Folgezeit zu einer diversifizierten Theorie- und Methodendebatte, die gesellschaftliche Bezugnahmen oft in den Hintergrund treten ließ. Namentlich im Zuge des medial und des cultural turn hat jedoch die Literaturwissenschaft ihren Gegenstandsbereich maßgeblich erweitert. Indem Texte jeglicher Art, Filme, Bilder und kulturelle Aspekte wie Geschlechterrollen, Mode, Sport u.a. in den Fokus der Literaturwissenschaft gerieten, hat der spezifisch literaturwissenschaftliche Blick Einsichten von disziplinübergreifender Bedeutung vermittelt. Allerdings setzte sich die Literaturwissenschaft damit auch dem Vorwurf aus, im weitgefassten kulturwissenschaftlichen Feld unkenntlich zu werden. Die Graduiertenschule fördert deshalb auf der Grundlage der produktiven disziplinären Entwicklungen der zurückliegenden Jahrzehnte und im Blick auf die genannten aktuellen politischen Problemstellungen die kritische Auseinandersetzung mit der politisch-gesellschaftlichen Dimension literaturwissenschaftlicher Forschung.

Soziale Dimensionen der Literatur

Der neue gesellschaftliche Ort der Literaturwissenschaft kann indessen nur in enger Rückkopplung an die Erforschung der sich historisch wandelnden sozialen Dimensionen der Literatur diskutiert werden. Practices of Literature bedeutet dabei zweierlei: zum einen Verfahrensweisen des Literarischen, die mit der sprachlichen Medialität der Literatur und ihrem spezifischen Konstruktionscharakter verbunden sind, zum anderen aber auch konkrete gesellschaftliche Praxisformen des Literarischen (Literatur als Interventionsmedium, als kulturelles Medium der Modellierung von Geschlecht, soziales Dialogforum, politische Gegenöffentlichkeit u.a.). Für eine kritische Reflexion der Wirklichkeit, die nicht länger von einem Gegensatz von Fakt und Fiktion, vielmehr von der Sprachlichkeit des Realen ausgeht, erhält die Literatur in der Gegenwart zweifellos neue Brisanz: Aufgrund der ihr eigenen Fiktionalisierungs- und Virtualisierungskapazitäten ist sie in der Lage, einerseits soziokulturelle Konstruktions- und Inszenierungsprozesse transparent zu machen, andererseits aber auch selbst Wirklichkeitsmodelle zu erzeugen.

Anschlussfähigkeit und Praxisbezug

Die in der Graduiertenschule Promovierenden sollen befähigt werden, sich wissenschaftstheoretisch fundiert mit ihrem Fach auseinanderzusetzen. Dazu gehört nicht zuletzt auch interdisziplinäre Dialogfähigkeit. Gleichzeitig werden sie angehalten, sich bereits während ihrer Doktorarbeit systematisch Gedanken über gegenwärtige und künftige gesellschaftliche Anwendungsfelder literaturwissenschaftlichen Wissens zu machen. Ein besonderes Anliegen des Ausbildungsprogramms ist es daher, auch mit der außer-universitären Öffentlichkeit in einen Dialog über die gesellschaftliche Bedeutung von Literatur und Literaturwissenschaft zu treten und die Ergebnisse literaturwissenschaftlicher Forschung nachvollziehbar zu kommunizieren.