Wintersemester 2014/15

PROF. DR. BARBARA STOLLBERG-RILINGER

Master-Seminar: Körpergeschichte im 18. Jahrhundert zwischen Religion und Medizin

Mo, 14-18,  Raum: F 104, Beginn: 13.10.2014

Auch der menschliche Körper ist ein Gegenstand der Geschichtswissenschaft, denn er ist historischem Wandel unterworfen. Das Wissen von und der Umgang mit Geburt und Tod, Sexualität und Krankheit, Essen und Trinken, Körperkontrolle und Hygiene usw. waren je nach Zeit, Raum und sozialer Schicht ganz unterschiedlich kulturell geprägt. In der Frühen Neuzeit war der menschliche Körper Gegenstand konkurrierender Diskurse und Praktiken: der Religion einerseits, der Medizin andererseits. Aus religiöser Sicht war der Körper etwas anderes als aus medizinischer Sicht; die Religion schrieb für Schwangerschaft und Geburt, Gesundheit und Krankheit, Tod und Beisetzung andere Praktiken vor als die Medizin. Die Frage ist, wie beide Sinnsysteme sich zueinander verhielten, inwiefern sie im 18. Jahrhundert in Konflikt gerieten, weil die Wissenschaft der Religion die Deutungshoheit zunehmend streitig machte, und wie die Menschen im Alltag praktisch damit umgingen. Diesen Fragen soll im Seminar anhand ausgewählter Quellenbeispiele nachgegangen werden.

Um persönliche Voranmeldung in einer der Feriensprechstunden wird gebeten, da es notwendig ist, dass jede/r Teilnehmer/in sich schon vorher auf einen Themenschwerpunkt vorbereitet.

Erste Literaturhinweise: Philipp Sarasin, Mapping the Body. Körpergeschichte zwischen Konstruktivismus, Politik und »Erfahrung«, in: Historische Anthropologie 7, 1999, S. 437–

 

082104 Hauptseminar: Der Kaiserhof im 18. Jahrhundert

Mi, 14-16h, Raum: F 3, Beginn: 22.10.2014 

Der frühneuzeitliche Hof war der erweiterte Haushalt der Herrscherfamilie, das Zentrum der Herrschaftsrepräsentation und zugleich der Ort der Regierung und Verwaltung des sich herausbildenden „Staates“. Der Hof hatte daher eine hohe Anziehungskraft für alle möglichen Personengruppen; hier wurden symbolische und wirtschaftliche Güter verteilt; hier liefen alle wichtigen Beziehungsnetze zusammen. Der Soziologe Norbert Elias hat in seinem bahnbrechenden, aber auch umstrittenen Pionierwerk über „Die höfische Gesellschaft“ die soziale Rationalität des Hoflebens der Rationalität der modernen „bürgerlichen Gesellschaft“ diametral gegenübergestellt: Verschwendung statt Sparsamkeit, zeremonielle Form statt Authentizität, Gunst und Patronage statt Leistung usw. Am Beispiel des Wiener Kaiserhofs, des politischen Zentrums der habsburgischen Erbländer und des Römisch-deutschen Reiches, soll exemplarisch untersucht werden, wie das soziale System des Hofes funktionierte und wie es sich unter dem Einfluss „aufgeklärter“ Reformen veränderte.

 

Erste Literaturhinweise: Aloys Winterling, Hof. Versuch einer idealtypischen Bestimmung, in: ders., Hrsg., Zwischen ‚Haus‘ und ‚Staat‘, München 1997, S. 11-25; Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft (1969), Frankfurt/Main 2002; Andreas Pečar, Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls V., Darmstadt 2003; Jeroen Duindam, Vienna and Versailles. The Courts of Europe’s Dynastic Rivals, 1550-1780, Cambridge 2003; Barbara Stollberg-Rilinger, Die Aufklärung, Stuttgart 2013.

 

PROF. DR. ANDRÉ KRISCHER

081768 Vorlesung: Geschichte der Außenbeziehungen in der Frühen Neuzeit, 1650-1800

Di, 14-16h, Raum: Ist dem HISLSF zu entnehmen.

Außenpolitik galt lange Zeit als Inbegriff einer „verstaubten“ Geschichte der „Haupt- und Staatsaktionen“. Seit einigen Jahren hat sich diese Bild deutlich gewandelt. Unter dem Begriff Außenbeziehungen wird versucht, den spezifisch frühneuzeitlichen Dimensionen und Charakteristika gerecht zu werden. So ist nicht mehr im Sinne des 19. Jahrhunderts von „Staaten“ und ihrer „Außenpolitik“ die Rede. Frühneuzeitlichen Außenbeziehungen existierten nicht nur zwischen souveränen Herrschern, sondern auch zwischen all jenen kleinen Fürsten, Republiken und Freistädten, deren politischer Status ambivalent war. Diplomaten – und dazu gehörten in einem erweiterten Sinne auch Frauen – werden wiederum als Akteure betrachtet, die die zwischen verschiedenen, auch außereuropäischen Kulturen und Gesellschaften vermittelten, die vor Ort „mikropolitisch“ handelten und spionierten, die Experten für Rituale und Verhandlungstechniken waren usf. Die Vorlesung vermittelt unter diesen Vorzeichen einen Überblick über die Geschichte der Außenbeziehungen vom Westfälischen Frieden bis zum Ende des Ancien Régime. Es wird dabei nicht nur um Europa gehen, sondern auch um die Kontakte und Interaktionen mit außereuropäischen Kulturen, die zuletzt ganz besonders im Fokus der Forschung gestanden und einen neuen Blick auf das Konstrukt „Europa“ und seinen Status in der globalen Frühen Neuzeit geworfen haben.

Erste Literaturhinweise: Heinz Duchhardt: Altes Reich und europäische Staatenwelt 1648–1806 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte 4), München 1990; Christian Windler: «Normen aushandeln. Die französische Diplomatie und der muslimische «Andere» (1700-1840)», in: Ius Commune. Zeitschrift für Europäische Rechtsgeschichte 24 (1997), S. 171-210; Hillard v. Thiessen / Christian Windler (Hg.): Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel (Externa 1), Köln u.a. 2010; Corina Bastian (u.a.) (Hg.): Das Geschlecht der Diplomatie. Geschlechterrollen in den Außenbeziehungen vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert (Externa 5), Köln (u.a.) 2014.

 

DR. TILMAN HAUG

083024 Proseminar: Einführung in das Studium der neueren Geschichte: Der Westfälische Frieden von 1648 und seine Folgen

Mo, 10-12h und 14-16h, Raum: 10-12h: Orléans-Ring 12 - SRZ 202; 14-16h: F 33

Der 1648 in Münster und Osnabrück geschlossene Westfälische Frieden war nicht nur eines der zentralen politischen Ereignisse der Frühen Neuzeit, das einen dreißig Jahre dauernden Krieg beendete, in den die europäischen Mächte ausweglos verstrickt schienen. Er beeinflusste auch das Völkerrecht und die Theorie und Praxis der Diplomatie so nachhaltig, dass mancherorts das gesamte System moderner Zwischenstaatlichkeit als „Westfälisches System“ bezeichnet wird. Das Proseminar wird sich nicht zuletzt kritisch mit der Frage auseinandersetzen, wie „zukunftsweisend“ der Frieden tatsächlich war, wo er ältere Traditionen fortschrieb und wo spätere Entwicklungen in den Außenbeziehungen grundlegend von den Intentionen der Friedenschließenden abwichen. Neben Diplomatie- und Völkerrechtsgeschichte sollen aber auch kultur- und sozialgeschichtliche Fragestellungen eine wichtige Rolle spielen: Warum war bspw. das Zeremoniell auf dem Friedenskongress für die Akteure so wichtig? Wie wirkten sich die vielfältigen Sozialbeziehungen von Gesandten auf ihre Diplomatentätigkeit aus? Wie wurden Frieden und Friedenskongress als Ereignisse von den Zeitgenossen in Text und Bild dargestellt und erinnert?

Das Proseminar soll anhand eines zentralen Ereignisses in die Geschichte frühneuzeitlicher Außenbeziehungen einführen und dabei grundlegende geschichtswissenschaftliche Arbeitstechniken vermitteln.

Voraussetzungen für den Erwerb eines Leistungsnachweises sind regelmäßige aktive Teilnahme, die Übernahme einer Präsentation bzw. eines Kurzreferats im Seminar, das Bestehen einer Abschlussklausur sowie die Anfertigung einer schriftlichen Hausarbeit.

 Lektüre zur Einführung in das Studium der Neueren Geschichte: Birgit Emich, Geschichte der Frühen Neuzeit studieren (UTB basics), Konstanz 2006. Zur ersten Einführung in das Thema: Derek Croxton / Anuschka Tischer (Hrsg.): The Peace of Westphalia. A Historical Dictionary. Westport / London 2002; Christoph Kampmann: Europa und das Reich im Dreissigjährigen Krieg: Geschichte eines europäischen Konflikts, Stuttgart 2008 (2. Aufl. 2013). Sowie das entsprechende Kapitel in Heinz Schilling: Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559-1660 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen 2), Paderborn u.a. 2007.

 

DR. PHILIP HOFFMANN-REHNITZ

081935 Proseminar: Der Bauernkrieg

Mi, 14-16h und Do, 12-14h, Räume: Mi: F 042, Do: F 102

Der sogenannte „Deutsche Bauernkrieg“ von 1524/25 gehört zu den konstitutiven historischen Ereignissen am Beginn der Neuzeit in Mitteleuropa. Von dieser Aufstandsbewegung waren weite Teile im Süden und der Mitte des Reichs betroffen; sie umfasste neben den ländlichen Gesellschaften auch zahlreiche Städte. Die Ursachen hierfür waren vielschichtig und lagen in tiefgreifenden Veränderungen der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bedingungen an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit begründet. Enge Wechselbeziehungen bestanden zudem zur Reformation. Die Veranstaltung wird demnach zum einen den Ursachen, historischen Hintergründen und Grundlagen, dem Verlauf, den Folgen wie auch der kulturellen und historiographischen Rezeption des „Großen Bauernkriegs“ nachgehen. Darüber hinaus werden aber auch vergleichend andere Fälle von überregionalen bäuerlichen Aufstandsbewegungen bzw. „Bauernkriegen“ besprochen, die sich in größerer Anzahl im Verlauf der Frühen Neuzeit in Mitteleuropa ereigneten (jedoch ohne dieselbe Prominenz wie der Bauernkrieg von 1524/25 erlangt zu haben). Im Rahmen des Proseminars werden am Beispiel des Themas Bauernkrieg zentrale Techniken des wissenschaftlichen und historischen Arbeitens besprochen, der Umgang mit Quellen und wissenschaftlicher Literatur eingeübt und wichtige Ansätze und Theorien in der Geschichtswissenschaft bzw. der Neueren Geschichte diskutiert.

Voraussetzungen für den Erwerb eines Leistungsnachweises sind regelmäßige aktive Teilnahme, die Übernahme eines mündlichen Referats, das Bestehen einer Abschlussklausur über die propädeutischen Inhalte des Proseminars sowie die Anfertigung einer schriftlichen Hausarbeit.

 Einführende Literatur zum Bauernkrieg: Peter Blickle: Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes, München 4. Aufl. 2012 (zur Anschaffung und vorbereitenden Lektüre empfohlen). Peter Blickle: Die Revolution von 1525, München 4. Aufl. 2004. Peter Blickle: Unruhen in der ständischen Gesellschaft 13000-1800, München 2. Aufl. 2012.

 

DR. ANDREAS RUTZ

081940 Proseminar: Das Täuferreich von Münster

Mi, 14-18h, Raum: Institut für vergleichende Städtegeschichte

 

Das Täufertum ist eine der schillerndsten Bewegungen der Reformationszeit. Es umfasst eine Vielzahl religiöser Gruppen, die insbesondere durch die Ablehnung der Kindtaufe schon früh in Gegensatz zu den herrschenden konfessionskirchlichen Strömungen der Zeit gerieten. Seit 1529 wurden sie reichsrechtlich mit der Todesstrafe bedroht. Die Ursprünge des Täufertums liegen in der Schweiz, in Süddeutschland und in den Niederlanden. Von hier gingen wichtige Impulse für die Entwicklung der täuferischen Bewegung im Rheinland und in Westfalen aus. Eine überragende Bedeutung kommt in diesem Raum dem 1534 etablierten Münsteraner Täuferreich zu, das als die wohl radikalste Ausprägung des Täufertums gelten kann. In der zum neuen Jerusalem ausgerufenen Stadt wurde – vielfach gewaltsam – eine neue Gesellschaftsordnung eingeführt, die auf Taufgesinnte im Nordwesten des Reiches eine große Anziehungskraft ausübte. Dem Fürstbischof von Münster als Stadtherrn gelang es schließlich im Juni 1535 mit Unterstützung benachbarter Fürsten die Stadt einzunehmen und den katholischen Glauben wieder herzustellen.

Im Proseminar soll die Geschichte des Täuferreichs anhand von Quellen und Sekundärliteratur diskutiert werden. Dabei werden sowohl die spezifischen stadt- und landesgeschichtlichen Aspekte des Themas als auch allgemeine Fragen der Reformationsgeschichte erörtert. Darüber hinaus führt das Proseminar anhand des Themas in Methoden und Hilfsmittel der neueren Geschichte ein und vermittelt die grundlegenden Techniken wissenschaftlichen Arbeitens.

 Literatur: LAUBACH, Ernst: Reformation und Täuferherrschaft, in: JAKOBI, Franz-Josef (Hrsg.): Geschichte der Stadt Münster, Bd. 1, Münster 1993, S. 145–216; LUTTERBACH, Hubertus: Der Weg in das Täuferreich von Münster. Ein Ringen um die heilige Stadt (Geschichte des Bistums Münster 3), Münster 2006; ROTHKEGEL, Martin: Art. ‚Täufer‘, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 13, Stuttgart 2011, Sp. 282–289.

 

PROF. DR. MICHAEL SIKORA

081954 Proseminar: Einführung in das Studium der neueren Geschichte: Adel in der Frühen Neuzeit

Di, 16-18h und Mi, 10-12h, Räume: Di: Orléans Ring 12 – SRZ 115, Mi: F 043

 In der Zeit vor der Französischen Revolution spielte der Adel noch eine ganz andere Rolle als heute. Als privilegierter Herrschaftsstand repräsentierte er in besonders herausgehobener Weise die Prinzipien einer vormodernen Gesellschaftsstruktur. Nicht zuletzt spiegelte sich diese Rolle in der Herausbildung einer spezifischen Standeskultur. Die Untersuchung adliger Lebensweisen eröffnet daher besonders aufschlußreiche Einblicke in eine Epoche, an der uns vieles fremd vorkommt, bei der es also auch besonderer Herangehensweisen bedarf, um sie angemessen begreifen zu können. Adelsgeschichte ist überdies zur Zeit ein intensiv bearbeitetes Forschungsfeld. Nicht zuletzt deshalb ermöglicht es ein solches Thema, unterschiedliche Perspektiven der Geschichtswissenschaft zu erproben, etwa im Hinblick auf Sozialgeschichte, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Landesgeschichte oder auch Rechts- und Verfassungsgeschichte. Allerdings werden wir es nicht mit linearer Ereignisgeschichte zu tun haben. Erforderlich ist daher auch die Bereitschaft und Flexibilität, sich immer wieder neu auf verschiedene Fallbeispiele und Konstellationen einzulassen. Die Beschäftigung mit dem Thema dient zugleich dazu, exemplarisch die Arbeitsweisen des Studiums und der Forschung kennenzulernen. Zu diesem Zweck werden begleitend die wichtigsten Hilfsmittel und Grundsatzfragen des Faches vorgestellt und besprochen. Wichtige Fertigkeiten wie Recherchieren, Interpretieren und Präsentieren sollen durch Referate, schriftliche Ausarbeitungen und eine Abschlußklausur geübt werden.

 

Erste Literaturhinweise: Martina Schattkowsky (Hrsg.): Adlige Lebenswelten in Sachsen, Köln 2013; Jörn Leonhard, Christian Wieland (Hrsg.): What Makes the Nobility Noble?, Göttingen 2011; Eckart Conze u.a. (Hrsg.): Adel in Hessen, Marburg 2010; Michael Sikora: Der Adel in der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2009 (mit weiterführenden Literaturangaben); Gudrun Gersmann u. a. (Hrsg.): Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit, Köln u. a. 2009; Walter Demel, Ferdinand Kramer (Hrsg.): Adel und Adelskultur in Bayern, München 2008; Ronald G. Asch: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2008.

 

PROF. DR. MATTHIAS POHLIG

082090 Hauptseminar: Repräsentieren, Verhandeln, Spionieren. Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Diplomatie in der Frühen Neuzeit

Do, 10-12h, Raum: Orléans-Ring 12 - SRZ 116

Wie funktionierte frühneuzeitliche Diplomatie? Wer waren „Diplomaten“, und was taten sie? Dies sind die Ausgangsfragen des Seminars. Es soll also weniger um die „großen Mächte“ (Ranke), um ereignis- und systemgeschichtliche Fragen der internationalen Politik gehen; das Seminar wendet sich statt dessen der Diplomatiegeschichte aus einer anderen Perspektive zu: Es fragt nach der Sozial- und Kulturgeschichte eines neu entstehenden und sich ausdifferenzierenden Feldes. Dabei werden so unterschiedliche Themen zur Sprache kommen wie Akteure (formelle und informelle), diplomatisches Zeremoniell, die Praxis des Verhandelns, Botschafts- und Botschafteralltag, Spionage und Bestechung, Patronage, Selbst- und Fremdbilder von Diplomaten etc.

 Literatur: von Thiessen, Hillard, Diplomatie vom type ancien. Überlegungen zu einem Idealtypus des frühneuzeitlichen Gesandtschaftswesens, in: Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, hg. v. Hillard von Thiessen/Christian Windler, Köln/Weimar/Wien 2010, 471-503

 

082362 Übung: Frühneuzeitliche Reiseberichte über das Osmanische Reich

Mi, 10-12h, Raum: Orléans-Ring 12 - SRZ 115, Beginn: 15.10.2014

 Das Osmanische Reich, eine europäische Großmacht an der Peripherie, war in der Frühen Neuzeit ein Feind, eine Gefahr, eine Kontrastfolie, aber auch ein Spiegel und eine Attraktion. Doch nur wenige frühneuzeitliche Mitteleuropäer reisten überhaupt dorthin – als Missionare oder Diplomaten etwa –, und ihre Berichte prägten in hohem Maße das Bild mit, das über „den Türcken“ kursierte. In der Übung soll in der Auseinandersetzung mit der methodologischen Literatur zum Genre des Reiseberichts gefragt werden, wie diese als Quellen überhaupt funktionieren und was man ihnen entnehmen kann: Informationen über ein fremdes Land? Oder doch mehr mehr über das zeitgenössische Eigene, die Stereotypen und Weltsichten der Europäer? In einem zweiten Schritt sollen einige der wichtigsten zentraleuropäischen Reiseberichte über das Osmanische Reich gelesen und diskutiert werden. Dabei soll es unter anderem darum gehen, wie die Themen Religion, Herrschaft und Alltag von den Autoren präsentiert werden.

 Literatur: Höfert, Almut, Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450-1600, Frankfurt/New York 2003

 

OLE MEINERS

082669 Frühneuzeitliche Egodokumente als Quelle

Mo, 12-14h, Raum: F 153, Beginn: 13.10.2014

 Ego-Dokumente sind im Rahmen der kulturalistischen Wende stärker als zuvor in den Fokus der Geschichtswissenschaften gerückt. Als (vermeintlich?) besonders authentische Quellen erlauben etwa Tagebücher, Briefe und Reiseberichte Einblicke in die individuelle Wahrnehmung und Konstruktion der 'Wirklichkeit' historischer Akteure, was sie für viele Fragestellungen zu einer bevorzugten Quellengattung macht. Bei der Arbeit mit Ego-Dokumenten sind die spezifischen Charakteristika der Quellengattung besonders zu berücksichtigen. In der Übung soll sich daher zum einen der Quellengattung 'Ego-Dokument' in theoretischer Hinsicht angenähert werden: Was ist ein Ego-Dokument? Was unterscheidet Ego-Dokumente von anderen Quellengattungen und was bedeutet dies für den Umgang mit ihnen? Zum anderen soll anhand konkreter Beispiele gemeinsam erörtert und diskutiert werden, wie diese einzuordnen sind, welche Fragen sich aus ihnen ergeben und zu welchen Themen sich die jeweilige Quelle im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten verwenden ließe. Im Zentrum soll die Entwicklung von eigenen Fragestellungen aus der konkreten Quellenlektüre stehen, als Übung für eigene Haus- oder Abschlussarbeiten. Hierbei können gerne auch konkret anstehende Arbeiten der Teilnehmer_Innen berücksichtigt werden.

 Einführende Literatur: Andreas Rutz, Ego-Dokument oder Ich-Konstruktion? Selbstzeugnisse als Quellen zur Erforschung des frühneuzeitlichen Menschen, in: http://www.zeitenblicke.de/2002/02/rutz/ Benigna von Krusenstjern, Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert, in: HA 2 (1994), S. 462–471; Winfried Schulze (Hg.), Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996; Kaspar von Greyerz, Hans Medick, Patrice Veit (Hg.), Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich: Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen (1500–1850), Köln 2001; Kaspar von Greyerz (Hg.), Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit. Individualisierungsweisen in interdisziplinärer Perspektive, München 2007.

 

DR. ANDREAS PIETSCH

082377 Übung: Libertin! Die Konjunktur einer Verunglimpfung

Mo, 14-16h, Raum: F 040 Beginn: 13.10.2014

 Als „Libertin“ mussten sich all diejenigen bezeichnen lassen, die von den gesellschaftlichen Normen allzu weit abwichen. Diese Bezeichnung mit deutlichem negativem Beigeschmack hat gerade in der Frühen Neuzeit eine bemerkenswerte Konjunktur besessen. Bemerkenswert ist jedoch nicht nur die Häufigkeit ihrer Verwendung, sondern auch die Breite der Anwendungsfelder: es konnte eine angeblich falsche „Freiheit“ (libertinage) in Bezug auf religiöse, moralische oder auch politische Vorstellungen gebrandmarkt werden. Zudem lässt sich vom 16. bis ins 18. Jahrundert ein deutlicher Wandel studieren, was als Libertinage wahrgenommen und bewertet wurde. Die Forschung hat sich schon deshalb mit diesem Phänomen in letzter Zeit vermehrt beschäftigt, weil sich hier Anfänge des Säkularismus, im Sinne einer „Moderne aus dem Untergrund“ (Mulsow) zeigen lassen.

An ausgewählten Beispielen sollen die Bedeutungsnuancen und –verschiebungen erarbeitet werden.

 Literatur: Gerhard Schneider, Der Libertin. Zur Geistes- und Sozialgeschichte des Bürgertums im 16. und 17. Jahrhundert, Stuttgart 1970/2000; Thomas Berns u.a. (Hg.), Libertin! Usage d’une invective aux XVIe et XVIIe siècle, Paris 2013; Jean-Pierre Cavaillé, Irréligion et libertinage au début de l’époque moderne, Paris 2013.