Sommersemester 2011
Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger
Oberseminar: Die Kultur der Gabe in der Vormoderne (zusammen mit Prof. Dr. Gerd Althoff)
Raum & Zeit: Mo 16–18, H 17
Beginn: siehe Ausgang
Geschenke erhalten die Freundschaft – das ist eine wohl universelle kulturelle
Regel. In vormodernen Gesellschaften hatte sie indessen eine noch viel elementarere
Funktion als heute. Denn die sozialen, wirtschaftlichen und politischen
Strukturen waren noch in viel höherem Maße von persönlichen Freundschaftsund
Verwandtschaftsbeziehungen geprägt; es gab noch kaum unpersönliche
Organisationen der Daseinsvorsorge; die abstrakt-generellen Gesetze der Geldwirtschaft
beherrschten noch nicht den gesellschaftlichen Austausch. Selbst die
Beziehungen zwischen Himmel und Erde waren von Gabentausch geprägt. Man
kann den Austausch von Gaben geradezu als das soziale Bindemittel mittelalterlicher
und frühneuzeitlicher Gesellschaften beschreiben. Indem man herausarbeitet,
was eine vormoderne Gabe von einem heutigen Geschenk unterscheidet,
kommt man den grundlegenden strukturellen Unterschieden zwischen
vormodernen und modernen Gesellschaften auf die Spur. Im Seminar soll daher
gefragt werden, welcher sozialen Logik und welchen ungeschriebenen Regeln
der Gabentausch folgte und welche symbolischen Botschaften damit vermittelt
wurden. Nicht zuletzt soll die Entwicklung vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit
herausgearbeitet werden.
Im Vordergrund des Seminars steht die gemeinsame Quellenlektüre und -
diskussion; ergänzend sollen Kurzreferate gehalten werden. Das Seminar ermöglicht
modulübergreifend den Erwerb eines Scheins sowohl in der Mittelalterlichen
wie der Neueren Geschichte. Persönliche Anmeldung in der Feriensprechstunde
einer der beiden Veranstalter wird erwartet.
Erste Literaturhinweise: Marcel Mauss, Die Gabe, in: ders., Soziologie und Anthropologie,
Bd. 2, Berlin 1978, 1–144; Pierre Bourdieu, Die Ökonomie der symbolischen
Güter, in: ders., Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt/Main
1998, S. 163–202; Gadi Algazi, Bernhard Jussen, Valentin Groebner, Hg., Negotiating
the Gift. Pre-Modern Figurations of Exchange, Göttingen 2003; Jacques T. Godbout,
The World of the Gift, Montreal etc. 1998 (frz. Originalausg. 1992); Maurice Godelier,
Das Rätsel der Gabe. Geld, Geschenke, heilige Objekte (frz. Orig.ausg. Paris
1996), München 1999; Mark Osteen, Hg., The Question of the Gift. Essays Across
Disciplines, London, New York 2002; Arnould-Jan Bijsterveld, The Medieval Gift as
Agent of Social Bonding and Political Power: A Comparative Approach, in: Medieval
Transformations. Texts, Power, and Gifts in Context, hg. von Esther Cohen, Mayke
B. de Jong, Leiden, Boston, Cologne 2001, 123–156.
Einführungsvorlesung: Einführung in das Studium der neueren und
neuesten Geschichte
Raum & Zeit: Mi 16–18 Raum: PC 7
Beginn: siehe Ausgang
Die Vorlesung unterrichtet einerseits über die Grundfragen der Neueren und
Neuesten Geschichte, andererseits stellt sie die wichtigsten Teildisziplinen dieser
historischen Epoche vor. Sie ergänzt damit die in der Regel auf ein Spezialthema
ausgerichteten Proseminarien um einen umfassenden Blick auf die
Neuzeit.
Erste Literaturhinweise: Gabriele Metzer, Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, Paderborn 2004; ChristophNonn, Das 19. und 20. Jahrhundert, Paderborn 2007;
Anette Völker-Rasor (Hg.), Frühe Neuzeit, München 20062.
Kolloquium Forum Gesellschaftliche Symbolik (zusammen mit Prof. Dr. Gerd Althoff und Prof. Dr. Nikolaus Staubach)
Raum & Zeit: Mi 18–20 Raum: H 18
Veranstaltet vom SFB 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche
Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“ und dem
Graduiertenkolleg „Gesellschaftliche Symbolik im Mittelalter“ und VW Forschungsgruppe
„Kulturgeschichte und Theologie des Bildes“: Vortragende sind Angehörige der Universität und auswärtige Gäste anderer, deutscher und europäischer
Universitäten und Forschungseinrichtungen. Das Programm wird zu
Beginn des Semesters auf den entsprechenden Homepages bekannt gegeben.
Kolloquium: 800-1800 Forschungskolloquium Mittelalter und Frühe Neuzeit (zusammen mit Prof. Dr. Gerd Althoff, Prof. Dr. Martin Kintzinger und Prof. Dr. Werner Freitag)
Raum & Zeit: Mi 18–20 Raum: S 102
Das Programm des Kolloquiums wird zu Beginn des Semesters bekannt gegeben.
Kolloquium: Forschungskolloquium zur Frühen Neuzeit (zusammen mit Juniorprof. Dr. André Krischer, Juniorprof. Dr. Matthias Pohlig, PD Dr. Michael Sikora und Prof. Dr. Silke Hensel)
Raum & Zeit: Mi 18–20 Uhr, Raum: F 6
Beginn: 2. Semesterwoche
Das Forschungskolloquium gibt vor allem auswärtigen Historiker/innen der
Frühen Neuzeit Gelegenheit, Vorträge über ihre laufenden Forschungsarbeiten
zur Diskussion zu stellen. Das Programm wird zu Beginn des Semesters auf
der Homepage des Historischen Seminars bekanntgegeben. – Die Teilnahme
steht allen Interessierten offen.
Christina Brauner
Übung: Die europäische Expansion in der Frühen Neuzeit und das Völkerrecht
Raum & Zeit: Do 16–18 Raum: S 041
Beginn: 2. Vorlesungswoche
Die ‚Entdeckung‘ Amerikas und des Seewegs nach Indien, die Erforschung der afrikanischen Küsten, die Landnahmen in Virginia und die Indianermission in der Nouvelle France – der Prozess der europäischen Expansion umfasst viele Aspekte europäischer Einflussnahme in der Welt; in jüngster Zeit sprechen
manche Forscher auch vom Beginn der Globalisierung.
Die Übung soll einen Überblick über diesen Prozess vermitteln und zwar unter dem spezifischen Gesichtspunkt der völkerrechtlichen Auseinandersetzung, von der die Expansion stets begleitet war. Verhandelt wurden nicht nur Fragen nach dem Status der neu ‚entdeckten‘ indigenen Völkern sowie nach der Legitimität ihrer Unterwerfung unter koloniale Herrschaft, sondern auch die Stellung des Papsts als ‚Schiedsrichter‘ zwischen den christlichen Nationen, die Freiheit der Schifffahrt und die Rolle von Kartographie bei der Inbesitznahme von Land.
Neben Sekundärliteratur werden verschiedene Quellentexte zum frühneuzeitlichen
Völkerrecht Grundlage der Seminardiskussion sein, Bereitschaft zur
Lektüre auch fremdsprachiger Texte ist daher notwendig.
Erste Literaturhinweise: Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus zur Globalisierung. Europa und die Welt seit 1500, Paderborn u. a. 2007; Die „Frühe Neuzeit“ außerhalb Europas, in: Annette Völker-Rasor (Hrsg.), Frühe Neuzeit (Oldenbourg Geschichte Lehrbuch),
S. 429–486; Jürgen Osterhammel, Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen, München
52006; Wolfgang Reinhard (Hrsg.), Geschichte der Europäischen Expansion,
4 Bände, Stuttgart u. a. 1984ff.; Jörg Fisch, Die europäische Expansion und das Völkerrecht.
Die Auseinandersetzungen um den Status der
Thomas Köhler
Übungen zur Einführungsvorlesung: Einführung in die neuere und neueste Geschichte
Raum & Zeit: Mo 16–18 in Raum: H 4 (082143), Di 10–12 in Raum: S 030 (082158), Di 14–16 in Raum: S 3 (082162), Mi 10–12 in Raum: H 18
Beginn: 1.Vorlesungswoche. Es findet zur Platzvergabe ein zentrales
Anmelde- und Verteilverfahren statt: Zwischen dem 17. 1. 2011 und dem
3. 2. 2011 (bis 12 Uhr) muss ein Wahlzettel mit drei Wünschen in die Urne
des Historischen Seminars, die an der Bibliotheksaufsicht aufgestellt ist,
eingeworfen werden.
Abgestimmt auf die Inhalte der Vorlesung werden in dieser Übung wichtige
Texte zur Neueren und Neuesten Geschichte gelesen und in der Sitzung analysiert
und diskutiert. Methodische Zugänge zur Geschichtswissenschaft stehen
dabei im Mittelpunkt. Hierfür haben die Studierenden einen zum Semesterbeginn
verfügbaren Reader in Franks Copy-Shop, Frauenstr. 28 zu kaufen. Die
Studienleistung besteht in Exzerpten zu diesen Texten sowie einem Essay.
Literatur: Stefan Jordan: Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft, Paderborn
u. a. 2008.
Erste Literaturhinweise: Thomas Mergel: Geht es weiterhin voran? Die Modernisierungstheorie auf dem Weg zu einer Theorie der Moderne, in: ders./Thomas Welskopp
(Hg.), Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte,
München 1997, 203–232; Paul Nolte: Gibt es noch eine Einheit der neueren Geschichte?,
in: ZHF 24 (1997), 377–399; M. Rainer Lepsius: Soziologische Theoreme über die
Zeitstruktur der „Moderne“ und die „Modernisierung“, in: Reinhart Koselleck (Hg.):
Studien zum Beginn der Modernen Welt, Stuttgart 1977, 10–29; Thorsten Bonacker/
Andreas Reckwitz (Hg.): Kulturen der Moderne. Soziologische Perspektiven der Gegenwart.
Dr. André Krischer
Oberseminar / Hauptseminar: Was ist Modernisierung?
Raum & Zeit: Mittwoch 16– 18 Raum: Sitzungsraum des Leibnizprojekts, Hittorfstr. 17
Beginn: siehe Ausgang
Der Begriff der Moderne ist für die Bildung historischer Epochen zentral. Damit
wird nicht nur üblicherweise das 19. und 20. Jahrhundert bezeichnet. Andere
Epochen werden von dieser Zeit auch als Vormoderne oder Frühmoderne
abgegrenzt. Gleichwohl liegt dem Begriff der Moderne häufig ein diffuses
Verständnis zugrunde. Moderne wird mit Rationalisierung, Liberalisierung,
Emanzipierung usf. gleichgesetzt. Es überwiegt ein unkritisches, emphatisches
Begriffsverständnis der Moderne als qualitativer Fortschritt gegenüber früheren
Epochen vor. Das hat wiederum auch zu Mißverständnisse bei Mediävisten
und Frühneuzeithistoriker geführt, die es häufig ablehnen, Wandlungsprozesse
in ihren Epochen als Modernisierung zu beschreiben. Weil allerdings die Erklärung
langfristiger und fundamentaler Wandlungsprozesse für die historische
Forschung eine besondere Herausforderung darstellt und es nicht zu bestreiten
ist, dass es die Moderne gibt, ist es an der Zeit für ein differenziertes Begriffsverständnis
von Moderne und v. a. von Modernisierung als einer unverzichtbaren
historischen Prozeßkategorie. In der Übung sollen zunächst die geschichtswissenschaftliche
Modernisierungskontroverse rekonstruiert, dann Beiträge zur
Theorie der Moderne und der Modernisierung aus der Nachbarbardisziplin Soziologie
rezipiert und schließlich das Modell am Beispiel Großbritanniens im 18.
und 19. Jahrhundert konkretisiert werden. Die Übung fragt nach einer Einheit
der neueren Geschichte und ist sowohl für die Geschichte der Frühen Neuzeit
wie für die Neuere Geschichte relevant. Schließlich ist auch im globalgeschichtlichen
Kontext zu fragen: Gab es nur eine (westliche) Modernisierung oder
„multiple modernities“ (Shmuel N. Eisenstadt)?
Erste Literaturhinweise: Thomas Mergel: Geht es weiterhin voran? Die Modernisierungstheorie
auf dem Weg zu einer Theorie der Moderne, in: ders./Thomas Welskopp
(Hg.), Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte,
München 1997, 203–232; Paul Nolte: Gibt es noch eine Einheit der neueren Geschichte?,
in: ZHF 24 (1997), 377–399; M. Rainer Lepsius: Soziologische Theoreme über die
Zeitstruktur der „Moderne“ und die „Modernisierung“, in: Reinhart Koselleck (Hg.):
Studien zum Beginn der Modernen Welt, Stuttgart 1977, 10–29; Thorsten Bonacker/
Andreas Reckwitz (Hg.): Kulturen der Moderne. Soziologische Perspektiven der Gegenwart.
Hinweis: Das Masterseminar wird auch als Hauptseminar für die Bachelor-Studiengänge angeboten, um das Lehrangebot im Vertiefungsmodul Frühe Neuzeit / Sektorale Geschichte zu erweitern.
Übung: Forschungen über Großbritannien – Forschungen in Großbritannien.
Exkursion nach London und Oxford.
Raum & Zeit: 12. 6.–19. 6. 2011. Vor- und nachbereitende Sitzungen am 20. 4., 20. 5. und 29. 6.
jeweils 8–10 Uhr. Raum: F 6
Die Exkursion richtet sich an fortgeschrittene Studierende, die eine Qualifikationsarbeit
und/oder weitere Forschungen mit einem Thema zur britischen Geschichte der Neuzeit planen. Besucht werden u. a. Forschungsorte wie die British Library und das British Museum, das Public Record Office, das Deutsche Historische Institut (mit Seminar Lecture) und das Warburg Institute. An einem Tag fahren wir nach Oxford und besuchen dort u. a. das St. John’s College und das Ashmolean Museum. Die Kosten für Fahrt und Unterkunft werden voraussichtlich teilweise übernommen.
Interessenten werden gebeten, ihren Teilnahmewunsch auf ca. 1 Seite zu
begründen. Anmeldung per Mail bis zum 31. 3. 2011 an krischer@uni-muenster.
de Die Teilnehmerzahl ist auf 10 Personen beschränkt.
Vorlesung: Europäische Geschichte im 16. Jahrhundert
Raum & Zeit: Mi 10–12 Raum: F 2
Beginn: siehe Ausgang
Die Vorlesung gibt einen Überblick über Strukturen und Ereignisse im Europa
des 16. Jahrhunderts und versteht sich deswegen auch als Einführung in die
Geschichte der Frühneuzeit. Thematisiert werden die Politik-, Sozial-, Kulturund
Wirtschaftsgeschichte ebenso wie die Geschichte von Reformation und
Konfessionalisierung in den europäischen Reichen und die Anfänge der europäischen
Expansion. Gefragt wird zudem nach einer Einheit der europäischen
Geschichte und der Epochenschwelle um 1500.
Erste Literaturhinweise: Eine ausführliche Literaturliste wird zu Beginn der Vorlesung zur Verfügung gestellt.
Dr. Matthias Pohlig
Hauptseminar II: Humanismus und Reformation
Raum & Zeit: Mi 14–16 Raum: S 33
Beginn: siehe Ausgang
Der Begriff des Humanismus ist sowohl breit akzeptiert als auch relativ umstritten.
Das Problem verschärft sich noch, wenn man den Humanismus in
Bezug zur Reformation und konfessionellen Konfrontation zu setzen versucht.
Sowohl der ‚humanistische‘ Aufruf zur Kirchenreform als auch die Entwicklung
der Textkritik waren Voraussetzungen, auf denen die Reformation aufbauen
konnte, so daß man zugespitzt formuliert hat: „Ohne Humanismus keine Reformation“
(Bernd Moeller), ohne damit eine Identität beider Bewegungen zu
behaupten. Doch was geschah mit humanistischen Werten und Techniken im
Zeitalter der Reformation? Das Seminar soll dieser Frage nachgehen und dabei
sowohl einen tragfähigen Begriff des Humanismus erarbeiten als auch die
differenzierten Verbindungen und auch Abstoßungen zwischen Humanismus
und Reformation (oder später zwischen Humanismus und den verschiedenen
Konfessionalisierungen) beleuchten.
Obligatorische Anmeldung bitte im Sekretariat des Lehrstuhls Frühe Neuzeit,
F-Haus, Raum 140. (Aushänge beachten!)
Erste Literaturhinweise: Walther, Gerrit, Art. „Humanismus“, in: Enzyklopädie der
Neuzeit 5 (2007), Sp. 665–692; Rummel, Erika, The Confessionalization of Humanism
in Reformation Germany (= Oxford Studies in Historical Theology), Oxford 2000
Oberseminar: Frühneuzeitliche Verwaltungsgeschichte als Kulturgeschichte
Raum & Zeit: Do 14–16 Raum: S 102
Beginn: siehe Ausgang
„Bürokratisierung“, die Ausbildung von v. a. staatlichen Verwaltungen, ist einer
der Kardinalprozesse der Neuzeit. Doch scheint es, als ob das maßgeblich
von Max Weber geprägte Bürokratisierungs- und Rationalisierungsnarrativ,
so sehr es auch zutreffen mag, auch den Blick dafür verstellt, wie frühneuzeitliche
Verwaltungen faktisch funktioniert haben. Daher sollen im Seminar
sowohl einige systemtheoretische wie organisationssoziologische Theoreme zur
Verwaltungspraxis („muddling through“, „brauchbare Illegalität“, Formalität/
Informalität, Mitgliedsrollen, Organisation als „myth and ceremony“) erarbeitet
als auch an ausgewählten frühneuzeitlichen Beispielen der abstrakte „Behördenapparat“
auf der Ebene der konkreten Interaktionen betrachtet werden.
Dabei stehen Fragen der Behördenkultur, der Rekrutierung von Personal und
der Informationsbeschaffung/-verarbeitung im Mittelpunkt.
Obligatorische Anmeldung bitte im Sekretariat des Lehrstuhls Frühe Neuzeit,
F-Haus, Raum 140. (Aushänge beachten!)
Michael Sikora
Hauptseminar II: Kleine Fürsten im Reich – das Beispiel Anhalt
Raum & Zeit: Di 10–12, Raum: S 33
Beginn: 2.Vorlesungswoche
Der Name des Bundeslandes Sachsen-Anhalt bewahrt noch die Erinnerung an
ein (immer noch existierendes) Fürstenhaus, das sich zu den ältesten Familien
des deutschen Hochadels zählte und zählt. Infolge von Erbteilungen regierten
die Anhalter Fürsten in der Frühen Neuzeit nur relativ kleine Territorien und
führten mitunter eine gemessen an den Maßstäben ihres Standes nur bescheidene
Existenz. Dennoch spiegeln sich in ihrer Geschichte viele Facetten ihrer
Epoche. Ein Anhalter zählte zu jenen Fürsten, die sich am frühesten auf die
Seite der Reformation stellten, ein anderer wurde zum Drillmeister der preußischen
Armee. Dynastische Verbindungen schlugen Brücken des Kulturtransfers
bis in die Niederlande, und eine Anhalter Prinzessin stieg zur Zarin von Rußland
auf. Johann Sebastian Bach war Hofkantor an einem Anhalter Hof, und
ein Anhalter Fürst stiftete das Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Im Laufe des
Seminars können und wollen wir zwar nicht jede Anekdote verfolgen. Aber
im Gang durch die drei Jahrhunderte der Frühen Neuzeit wollen wir durch
Einzelfallstudien, Vergleiche und strukturelle Analysen die sich wandelnden
Ausdrucksformen und Anpassungsprozesse einer Dynastie hoch privilegierter
Kleinfürsten verfolgen. Herkömmliche Herangehensweisen der Biographik und der Politikgeschichte sollen dabei durch Ansätze der modernen Adels- und
Kulturgeschichte überprüft und erweitert werden. Ziel wird es sein, Vorstellungen
zu entwickeln von den Handlungsspielräumen und Zwängen vormoderner
Adelsherrschaft zwischen spätmittelalterlicher Herrschaftsverdichtung
und moderner Staatlichkeit. Als zusätzliches, nicht verpflichtendes Angebot
zur Vertiefung soll, entsprechendes Interesse und vereinbare Terminvorstellungen
vorausgesetzt, eine Exkursion organisiert werden.
Erste Literaturhinweise: Achim Detmers, Ulla Jablonowski (Hrsg.): 500 Jahre Georg
III. Fürst und Christ in Anhalt, Köthen 2008; Wilhelm Haefs, Holger Zaunstöck
(Hrsg.): Hof – Geschlecht – Kultur. Luise von Anhalt-Dessau (1750–1811) und die
Fürstinnen ihrer Zeit, Wolfenbüttel 2004; Werner Freitag, Michael Hecht (Hrsg.): Die
Fürsten von Anhalt. Herrschaftssymbolik, dynastische Vernunft und politische Konzepte
in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Halle 2003, 22009; Katharina Bechler:
Schloss Oranienbaum. Architektur und Kunstpolitik der Oranierinnen in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, Halle 2002; Rohrschneider, Michael, Johann Georg
II. von Anhalt-Dessau (1627–1693). Eine politische Biographie, Berlin 1998; Fürst
Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676–1747) – „Der Alte Dessauer“. Ausstellung zum
250. Todestag, Dessau 1997; Hermann Wäschke: Anhaltische Geschichte, Bd. 1–3, Köthen
1912–1913.
Proseminar: Einführung in das Studium der Neueren und Neuesten Geschichte:
Adelsherrschaft und Adelskultur in der Frühen Neuzeit
Raum & Zeit: Di 16–18 in Raum: S 3, Mi 10–12 in Raum: S 040
Beginn: 2.Vorlesungswoche
„Adel macht Eindruck“; „Warum adelige Politiker Deutschland gut tun“; „Brauchen
wir mehr Adel in der Politik?“ – das sind Schlagzeilen der letzten anderthalb
Jahre, seit ein smarter Verteidigungsminister deutsche Journalisten in
Verzückung und offenbar auch Verwirrung stürzt. Da tut es not, sich darauf
zu besinnen, was Adel eigentlch einmal gewesen ist, damals, vor der Epoche der Französischen Revolution, als das Zusammenleben noch ganz selbstverständlich
von Ungleichheit und Privilegien geprägt war und Adlige über Land und
Leute herrschten. Im Seminar sollen in diesem Sinne Fragen der sozialen Ordnung
und politischen Verfaßtheit in der Frühen Neuzeit aufgegriffen werden.
Das schließt Aspekte der Mentalität, der Wirtschaftsweise und der kulturellen
Ausdrucksformen als konstitutive Bestandteile adliger Existenz ein. Ziel wird
es sein, breit angelegte, kritische Vorstellungen vormoderner Gesellschaftsstrukturen
zu erarbeiten, und auf dieser Basis kann auch darüber diskutiert
werden, was davon nach der Revolution fortgelebt habt. Die Beschäftigung
mit dem Thema dient zugleich dazu, exemplarisch die Arbeitsweisen des Studiums
und der Forschung kennenzulernen. Zu diesem Zweck werden begleitend
die wichtigsten Hilfsmittel und Grundsatzfragen des Faches vorgestellt
und besprochen. Wichtige Fertigkeiten wie Recherchieren, Interpretieren und
Präsentieren sollen durch Referate, schriftliche Ausarbeitungen und eine Abschlußklausur
geübt werden.
Erste Literaturhinweise: Michael Sikora: Der Adel in der Frühen Neuzeit, Darmstadt
2009 (mit weiterführenden Literaturangaben); Gudrun Gersmann u. a. (Hrsg.):
Adlige Lebenswelten im Rheinland. Kommentierte Quellen der Frühen Neuzeit, Köln
u. a. 2009; Ronald G. Asch: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/
Wien 2008; Otto Gerhard Oexle: Aspekte der Geschichte des Adels im Mittelalter und
in der Frühen Neuzeit, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Europäischer Adel 1750–1950
(Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 13), Göttingen 1990, S. 19–56.