Prof. Dr. Karl Hauck


Prof. Dr. Karl Hauck, emeritierter Hochschullehrer für mittelalterliche Geschichte und langjähriger Direktor des Historischen Seminars und des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster, kann am 21. Dezember 2006 seinen 90. Geburtstag feiern.

Münster verdankt ihm die Organisation eines festen Verbundes mehrerer an der Erforschung des Mittelalters beteiligter Disziplinen und die Erschließung eines bis dahin fast unbekannten Gebiets für die historische Erkenntnis. Mit beidem hat er eine entscheidende Basis dafür geschaffen, dass die Universität Münster bis heute einen Schwerpunkt interdisziplinärer Mediävistik vorzeigen kann, der durch innovative Fragestellungen und in Neuland führende Ergebnisse international hoch angesehen ist.

1942 und 1943 nach schwerer Kriegsverwundung mit Arbeiten zur Geschichte und mittellateinischen Philologie des 10. und 11. Jahrhunderts promoviert und habilitiert, seit 1950 außerordentlicher Professor in Erlangen, schlug Karl Hauck 1959 den ihm angetragenen Lehrstuhl für Germanische Altertumskunde an der Universität München aus und nahm den Ruf auf den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Münster an. Dieser blieb er auch treu, als 1963 ein Ruf der Universität Freiburg/Br. an ihn erging. Bis 1982 wirkte er mit unermüdlichem Einsatz als Lehrer, Forscher und Organisator an der hiesigen Universität. Seit der Emeritierung hat er, stets mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Fächern und mehreren Nationen kooperierend, sein eigenes Forschungsgebiet durch zahlreiche Publikationen weiter erhellt und dem Verständnis des Frühmittelalters noch weitere Horizonte erschlossen. Mehrere wissenschaftliche Kommissionen und Akademien, darunter die Göttinger Akademie der Wissenschaften, die Medieval Academy of America und die Accademia mediterranea delle Scienze in Catania, haben den Gelehrten als Mitglied aufgenommen.

Mit einer programmatischen Abhandlung über das Frankenreich vom 5. bis 9. Jahrhundert kündigte Hauck 1967 die Konzentration auf "seine" Thematik und auf eine Epoche an: auf die kulturelle Transformation der germanischen Welt im Ausstrahlungsbereich der mittelmeerischen Antike. Die aufsehenerregenden Funde der Kaiserpfalz in Paderborn bildeten den Ausgangspunkt für seine Studien für Sachsenmission Karls des Großen. Die Einrichtung des Sonderforschungsbereichs 7 "Mittelalterforschung" gab ihm die Möglichkeit, in einem Langzeitprojekt einen einmaligen Überlieferungsbestand zu erschließen: die mehr als 900 überlieferten Götterbildamulette des 5. und 6. Jahrhunderts, die "Goldbrakteaten" aus dem Gebiet der an Ost- und Nordsee siedelnden Germanen. Sie wurden als "religionsgeschichtliche Urkunden" auch mit modernen technischen Verfahren gelesen und in einem grundlegenden, jedes Detail kommentierenden mehrbändigen Katalog der Forschung zugänglich gemacht.

Es gelang in interdisziplinärer Zusammenarbeit, die aus Anregungen antiker Münzen und anderer Bildquellen entwickelten Bildchiffren der Amulette immer sicherer zu deuten, unter Einbeziehung der "sakralen Halbschriftlichkeit" der Runenzeichen. Zusätzlich gestützt auf Sprachzeugnisse, Götter- und Ortsnamen, spätere altenglische und skandinavische Dichtung sowie historiographische Nachrichten und Bodenfunde konnten Karl Hauck und die mit ihm kooperierenden Wissenschaftler in eine untergegangene Gedächtniskultur eindringen, die sonst nur auf verlorener mündlicher Überlieferung gründete. Fundverteilung und Überlieferungsumstände, archäologische Befunde und historische Geographie erlaubten es, aus der Erforschung der Goldbrakteaten heraus weite Bereiche der religiösen Vorstellungen sowie der herrschaftlichen und gesellschaftlichen Organisation der Seegermanen in einer historisch wichtigen Übergangszeit zu beobachten.

In engster Kooperation mit skandinavischen Wissenschaftlern hat Hauck so "der archäologischen Forschung eine bisher verborgen gebliebene Welt eröffnet", wie die Begründung des Königs von Schweden für die Verleihung des Ordenszeichens eines "Kommandeurs des Königlichen Nordsternordens" im Jahr 1993 formulierte. Für den Forscher Hauck ist die Arbeit auch nach mehr als 60 Aufsätzen zur Ikonologie der Goldbrakteaten nicht beendet. Jede neue Erkenntnis stellt neue, weiterführende Fragen.

Prof. Hauck ist es gelungen, die Philologien des Mittelalters, Denkmalwissenschaften wie Archäologie und Kunstgeschichte und die Religionswissenschaft voll in die historische Forschung einzubinden. In Münster fand er Partner aus den anderen Fächern für längerfristige Zusammenarbeit unter einem übergreifenden Erkenntnisziel. Mit der Gründung des Instituts für Frühmittelalterforschung wurde 1964 eine ständige Kooperation dieser Disziplinen institutionalisiert. 1967 erschien der erste Band "Frühmittelalterliche Studien. Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster", deren Herausgeber Hauck bis 1987 blieb, bis heute eine der angesehensten Mittelalterzeitschriften weltweit. 1968 wurde als einer der ersten Sonderforschungsbereiche (SFB) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf maßgebliche Initiative von Hauck in Münster der SFB 7 "Mittelalterforschung. Bild, Bedeutung, Sachen, Wörter und Personen" eingerichtet und dann 17 Jahre lang gefördert. In diesen Vernetzungen bildete sich an der Universität Münster eine Kultur der fächerübergreifenden Forschung aus. Sie führten die Beschäftigung mit dem Mittelalter immer wieder in neue und umfassende Fragestellungen, so dass auf dieser Basis zwei weitere Sonderforschungsbereiche an die Westfälische Wilhelms-Universität geholt werden konnten:
der SFB 231 "Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter" (1986-1999)
sowie der SFB 496 "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution" (seit 2000).