„Vielleicht kann durch das Vermitteln anschaulicher Ergebnisse mehr bewegt werden als über abstrakte Mahnungen.“

Die Studentische Hilfskraft Annika Möller und Citizen Scientist Bernhard Heinemann helfen dabei, die Bittschreiben jüdischer Verfolgter wieder sichtbar zu machen

Im Projekt „Asking the Pope for Help” arbeiten neben den Wissenschaftlichen Mitarbeitenden auch neun Studentische Hilfskräfte und 13 Citizen Scientists zusammen an der Aufnahme der Bittschreiben in die Datenbank des Forschungsvorhabens. Bei der gemeinsamen Arbeit im Großraumbüro entsteht dabei ein intergenerationeller Dialog, von dem alle Parteien profitieren. Im Doppelinterview sprechen die Studentische Hilfskraft Annika Möller und Citizen Scientist Bernhard Heinemann über die Zusammenarbeit und ihre Interessen im Projekt.

Womit beschäftigen Sie sich aktuell im Projekt?

Annika Möller: Im Augenblick unterstütze ich vor allem die Citizen Scientists in ihrer Arbeit und beantworte Fragen. Außerdem lege ich selbst Dokumentstrukturen für die Bittschreiben an und übertrage transkribierte Dokumente von Word in Oxygen. Meine Aufgaben verändern sich aber auch immer wieder, je nachdem, was gerade Neues ansteht.

Bernhard Heinemann: Ich transkribiere vor allem Texte – auf Latein, Deutsch, Englisch und Portugiesisch. Darüber hinaus übersetze ich die lateinischen und portugiesischen Dokumente auch ins Deutsche. Seit neuestem lerne ich zudem, die abgeschriebenen Texte direkt in XML in die interne Datenbank einzugeben.

Porträt Annika Möller und Bernhard Heinemann
Annika Möller und Bernhard Heinemann
© SMNKG - Jana Haack

Warum engagieren Sie sich in dem Forschungsvorhaben?

Bernhard Heinemann: Ich war auf der Suche nach einem interessanten Ehrenamt und bin über einen Emailverteiler auf „Asking the Pope for Help“ gestoßen. Als ehemaliger Professor für Informatik fand ich das Projekt sowohl von der Thematik als auch den technischen Anforderungen sehr interessant. Da ich mit vier meiner fünf Kinder immer Latein für die Schule gelernt habe, kann ich auch hier diese Kenntnisse gut anwenden.

Annika Möller: Bei mir war es vor allem das spannende Thema, das mich angezogen hat. Mit meinen Studienfächern Geschichte und Religion trifft das Forschungsvorhaben genau meine Interessen.

Was macht die Zusammenarbeit zwischen Ihnen aus?

Bernhard Heinemann: Viele der Studentischen Hilfskräfte sind schon länger Teil des Projekts – das Teilprojekt Citizen Science gibt es erst seit einigen Monaten. Daher erklären uns die SHKs viel und leiten uns bei der Eingabe der Dokumente in XML an, damit wir selbst Arbeitsroutinen entwickeln und Neues lernen können. Dabei ist es vor allem die freundliche und nette Atmosphäre sowie die Geduld der Hilfskräfte, die die gemeinsame Arbeit ausmachen.

Annika Möller: Aber auch wir lernen von den Citizen Scientists Neues: Der Blick von Herrn Heinemann auf das Projekt, die jüdischen Bittsteller und die Römische Kurie ist ein ganz anderer als mein eigener – man bekommt nochmal ein neues Verständnis für das Forschungsvorhaben. Nach einem Jahr im Projekt stelle ich zudem fest, wie viel meines mittlerweile erworbenen Wissens im Bereich Kirche und Nationalsozialismus aber auch im Bereich der digitalen Editionen überhaupt nicht selbstverständlich ist.

Was fasziniert Sie an dem Projekt „Asking the Pope for Help“?

Annika Möller: Besonders fasziniert mich die Vielfalt an Bitten und Bittstellern: Von Bitten um finanzielle Unterstützung, Hilfe bei der Ausreise über Bitten zur Anstellung im Vatikan bis zur Frage, ob im Vatikan überhaupt bekannt sei, was in den Konzentrationslagern überhaupt passiert, ist alles dabei. Von den Schicksalen dieser jüdischen Menschen in ihren Briefen zu lesen, ist sehr viel konkreter als das bloße historische Wissen darum, was während des Holocaust geschah.

Bernhard Heinemann: Ich interessiere mich vor allem für die Bedeutung dieses historischen Prozesses für die Gegenwart. Erstarkender Antisemitismus in Deutschland und der Welt zeigt, wie aktuell Forschungsvorhaben wie „Asking the Pope for Help“ heutzutage wieder werden. Vielleicht kann durch das Vermitteln anschaulicher Ergebnisse mehr bewegt werden als über abstrakte Mahnungen.

Auf welche wissenschaftliche Frage hätten Sie gern eine Antwort?

Bernhard Heinemann: Ich wüsste gerne, was in 100 Jahren State of the Art ist. Zum einen bezogen auf meine ehemaligen Fächer als Informatiker, also Mathe, Astrophysik, Physik und Informatik – zum anderen auch in Bezug auf das Projekt. Hatte es Erfolg? Wie werden die Ergebnisse dann genutzt und in welcher Form präsentiert?

Annika Möller: Solche Fragen interessieren mich auch sehr. Wie werden die Ergebnisse des Projekts in 100 Jahren rezipiert? Die Ereignisse, mit denen wir uns beschäftigen, liegen ja nicht einmal 100 Jahre zurück ...

Gibt es auch Frustrierendes an der Arbeit im Projekt?

Bernhard Heinemann: Zum Glück nichts, aber eigene Fehler ärgern einen natürlich selbst immer. Und es ist zwar nicht frustrierend, doch man merkt, wie viel schneller die SHKs in allen projektbezogenen Aufgaben sind.

Was wollten Sie schon immer einmal im Vatikan machen?

Bernhard Heinemann: Ich war 2023 das erste Mal in Rom und habe eine Generalaudienz und eine Führung durch die beeindruckenden Katakomben erleben dürfen. Außerdem habe ich den Deutschen Friedhof besucht. Ich würde aber noch sehr gerne die Vatikanischen Museen besuchen und eine Führung durch die Bibliothek und die Archive bekommen.

Annika Möller: Die Bibliothek und die Archive wären wirklich sehr interessant. Spannender aber fände ich Insider-Geheimtipps, um mich überraschen zu lassen, oder weitere Dinge, die man sonst nicht zu sehen bekommt.

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