Neues zur Geschichte der Römischen Inquisition und Buchzensur

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© Schöningh

Der heftig umstrittene „Antimodernisteneid“ ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch im Heiligen Offizium, der ehemaligen Römischen Inquisition, unterschiedlich gedeutet worden. Zu diesem Ergebnis kommt Judith Schepers, Koordinatorin des Münsteraner Langfristvorhabens zur Buchzensur, in ihrer Dissertation „Streitbare Brüder“. Sie behandelt das Thema parallelbiografisch am Beispiel der Priester Franz und Konstantin Wieland. Die Arbeit ist jetzt als Band 18 der Reihe „Römische Inquisition und Indexkongregation“ im Verlag Ferdinand Schöningh erschienen.

Zwei weitere Bände werden noch in diesem Jahr folgen. Der im vergangenen Jahr verstorbene Jan Dirk Busemann hat seine Dissertation der Indexkongregation im Literatur-, Gewerkschafts- und Zentrumsstreit gewidmet, also ebenfalls der Modernismuskrise in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Auch diese Arbeit mit dem Titel „Katholische Laienemanzipation und römische Reaktion“ ist im Buchzensur-Langfristvorhaben entstanden. Jyri Hasecker, ein weiterer Mitarbeiter des Projekts, wird noch in diesem Jahr einen Band mit zentralen Quellen zur päpstlichen Pressekontrolle in der Neuzeit (1487-1966) herausgeben und damit ein wichtiges Desiderat der Forschung beheben. Im kommenden Jahr werden dann in der Reihe „Grundlagenforschung“ für die Jahre 1542 bis 1700 die Bände „Römische Bucherverbote. Edition der Bandi von Inquisition und Indexkongregation“, „Systematisches Repertorium zur Buchzensur. Inquisition“ und „Personen und Profile“ erscheinen.

Die ungleichen Brüder Wieland teilten Judith Schepers zufolge ein gemeinsames Schicksal: In der modernistischen Krise von Theologie und Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts gerieten sie mehrfach in Konflikt mit dem kirchlichen Lehramt. Weil sie sich weigerten, den Antimodernisteneid zu leisten, verloren sie ihr Priesteramt. Ihr Protest gegen diesen Eid, der ihrer Meinung nach die Glaubenspflicht in einer unzulässigen Weise ausdehnte, war deutschlandweit einzigartig. Schepers zeigt, dass die Wieland’sche Kritik in der obersten römischen Glaubensbehörde einen bisher unbekannten Klärungsprozess zur Eidesformel auslöste, in dem sich die Deutung des Eides als „Gehorsamserklärung“ gegen dessen dogmatische Aufladung als „Glaubensbekenntnis“ durchsetzte. Indem Judith Schepers die Entstehung und Deutung des Eides aufarbeitet, schließt sie eine Lücke in der Erforschung des lehramtlichen Antimodernismus. Sie entschlüsselt außerdem erstmals ein Verfahren gegen Verweigerer des Antimodernisteneides und bietet durch die parallelbiographische Herangehensweise eine differenzierte Annäherung an die Lebenswege der Brüder Wieland.


Schepers, Judith: Streitbare Brüder. Ein parallelbiographischer Zugriff auf Modernismuskontroverse und Antimodernisteneid am Beispiel von Franz und Konstantin Wieland (Römische Inquisition und Indexkongregation 18), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2016.