Die Studierenden aus Tamale besuchten auch einen Gottesdienst in der afrikanischen Gemeinde in Münster.
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Interkultureller Austausch mit Ghana

Seit mehr als vier Jahrzehnten besteht zwischen dem Bistum Münster und den nördlichen Bistümern Ghanas eine enge und kontinuierlich gewachsene Partnerschaft. Im Laufe der Zeit hat sich diese Kooperation zu einem vielschichtigen Netzwerk entwickelt, das neben pastoralen, kirchlichen und sozialen Initiativen zunehmend auch akademische Austauschformate umfasst.

Ein bemerkenswertes Beispiel für diese Entwicklung ist die Kooperation zwischen der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster und dem St. Victor Major Seminary in Tamale. Im Wintersemester 2024/2025 wurde die Kooperation mit einer digitalen Ringvorlesung zum Thema „Gemeinsam Kirche sein“ wieder aufgenommen.

Im Rahmen dieser gewachsenen und von gegenseitigem Respekt geprägten Beziehung hat eine Gruppe von Studierenden aus Tamale vom 26. Mai bis zum 10. Juni 2025 Münster besucht. Der Aufenthalt der ghanaischen Gäste wurde durch ein vielseitiges und interdisziplinäres Programm begleitet. Neben dem Bistum Münster, der KSHG und der Katholisch-Theologischen Fakultät beteiligten sich auch die Stadt Münster und die Fachhochschule Münster. Die Katholisch-Theologischen Fakultät hat dafür zwei Programme angeboten: ein interkulturelles Hauptseminar und eine Tagung zum Thema „Theologie und Beruf“.

Im Seminar diskutierten die Teilnehmer:innen die Herausforderungen christlicher Identitätsbildung in Deutschland und Ghana.
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Interkulturelles Hauptseminar

Am 28. Mai nahmen Studierende aus Ghana und Deutschland gemeinsam an einem interkulturellen Hauptseminar unserer Fakultät „Plurale Christentümer - Herausforderung Christsein in Europa und Ghana“ teil. Gegenstand des Seminars war eine Reflexion über die Herausforderungen christlicher Identitätsbildung in Deutschland und Ghana. Im Austausch wurde deutlich, dass sich Glaube, religiöse Praxis und kirchliches Engagement kulturell spezifisch ausformen, zugleich jedoch von einer gemeinsamen Grunddynamik theologischen Fragens und Deutens geprägt sind.

Die Teilnehmenden identifizierten dabei unterschiedliche gesellschaftliche Kontexte als Herausforderung für das Christsein in beiden Ländern. In Deutschland stellen sich Christen insbesondere den prägnanten Rahmenbedingungen der Säkularisierung und religiösen Indifferenz gegenüber. In Ghana sehen sich Christen insbesondere durch das starke Wachstum pfingstlich-charismatischer Bewegungen herausgefordert. Im Anschluss an das Seminar wurde am Sonntag, 1. Juni, ein afrikanischer Gottesdienst in der afrikanischen Gemeinde in Münster besucht. Ziel war es, kontextuelle Formen liturgischer Praxis beispielhaft zu erleben.

Dekan Prof. Dr. Oliver Dyma (rechts) begrüßte die Gäste aus Ghana bei der Tagung zum Thema „Theologie und Beruf“.
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Tagung zum Thema „Theologie und Beruf“

Am 2. Juni nahmen die Studierenden an einer Tagung zum Thema „Theologie und Beruf“ teil und konnten sich mit ihren Fragen einbringen. Nach einer Begrüßung durch Dekan Prof. Dr. Oliver Dyma referierte Matthias Beckmann vom Netzwerk "Theologie und Beruf“ über die spezifische Situation theologischer Studiengänge im deutschen Kontext. Demgegenüber steht das Theologiestudium in Ghana, das in vielen Fällen primär der Vorbereitung auf ein geistliches Amt – insbesondere das Priesteramt – dient. In Deutschland hingegen ist das Studium der Theologie grundsätzlich für alle Interessierten offen und nicht ausschließlich an eine kirchliche Laufbahn gebunden. Theologie kann an staatlichen sowie an kirchlichen Hochschulen studiert werden und eröffnet vielfältige berufliche Perspektiven, beispielsweise im Bildungswesen, im Journalismus, im Kulturbereich oder in sozialen Handlungsfeldern.

Der Austausch zwischen den Studierenden aus Ghana und Deutschland hat das Potenzial interkultureller Theologie eindrucksvoll veranschaulicht. Im interkulturellen Dialog erschließen sich theologische Fragestellungen neu und gewinnen an Tiefe durch die Perspektivenvielfalt, die sich aus unterschiedlichen kulturellen, sozialen und spirituellen Erfahrungswelten ergibt. In diesem Zusammenhang wurde für alle Beteiligten deutlich, dass Theologie stets in konkrete Lebenswirklichkeiten und historisch-gesellschaftliche Kontexte eingebettet ist.

Text: Prof. Dr. Judith Könemann und Dr. Égide Muziazia