Erinnerung an Karl Rahner
Am 23. Juni 1970 wurde Prof. Dr. Karl Rahner Mitglied des Ordens „Pour le mérite für Wissenschaften und Künste“. Er sei einer der produktivsten, ideenreichsten und angesehensten Vertreter der katholischen Theologie, hieß es in der Laudatio über den Münsteraner Theologen. Heribert Woestmann, Akademischer Direktor i. R., arbeitete damals an der Katholisch-Theologischen Fakultät für den Ordinarius. In einem Gastbeitrag erinnert er sich an die Verleihung vor 55 Jahren.
Von Heribert Woestmann
Auf der Jahrestagung des Ordens „Pour le mérite für Wissenschaften und Künste“, die am 2. Juni 1970 in Bonn stattfand, wurde Prof. Dr. Karl Rahner neben dem Architekten Egon Eiermann, dem Physiker Walter Gerlach und dem Schauspieler Fritz Kortner einstimmig zum neuen Mitglied des Ordens gewählt. Er trat damit die Nachfolge von Rudolf Bultmann an, der seinerseits Nachfolger von Romano Guardini geworden war.

Am 23. Juni 1970 reiste der damalige Ordenskanzler Prof. Dr. Percy Ernst Schramm nach Münster, um Karl Rahner die Mitgliedschaft anzutragen. Dies geschah am Vormittag in der Münsteraner Wohnung von Karl Rahner in der Frauenstraße 7 (Marianum). Am Nachmittag fand die Verleihung des Ordenszeichens im Senatssaal des Schlosses statt; der damalige Rektor der Universität, Prof. Dr. med. H. Rollhäuser, hatte den Prorektor, Prof. Dr. B. Kötting, die Altrektoren Prof. Dr. Predöhl und Prof. Dr. Ritter, die Dekane aller Fakultäten und die Mitglieder der Katholisch-Theologischen Fakultät sowie Freunde des zu Ehrenden eingeladen.
Der Ordenskanzler zitierte in seiner Ansprache aus der Laudatio, die das Ordensmitglied Gerhard von Rad formuliert hatte: „Herr Professor Dr. Karl Rahner S.J. ist einer der produktivsten, ideenreichsten und angesehensten Vertreter der katholischen Theologie … Besonders hervorgehoben werden muß sein Einfluß in den Beratungen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Seine Stimme wird aber weit über den Bereich der katholischen Theologie hinaus gehört.“
Und Karl Rahner verwies in seiner Antwort (ohne den Text des Ordenskanzlers vorab gesehen zu haben), dass „auch der Theologe in diesem Orden seinen Platz und seine Aufgabe hat, und wäre es auch nur die, vor einer falschen, verabsolutierenden Vergötzung irgendeiner … einzelnen Wissenschaft und Kunst zu warnen und so immer wieder - natürlich mit vielen anderen zusammen und in Selbstkritik sich selbst gegenüber - jene freie Offenheit zu erkämpfen, in der allein der Mensch, seine Wissenschaft und seine Künste leben können.“
Und er fuhr fort: „Dass ich als katholischer Theologe neben dem großen evangelischen Theologen Gerhard von Rad diesem Orden angehören kann, daß mich diese Auszeichnung dazu noch in besonderer Weise mit Romano Guardini und Rudolf Bultmann verbindet, betrachte ich ebenso als Ehre und als eine ganz eigentümliche Freude.“
Die bei der Verleihung gehaltenen Reden sind unter diesem Link nachzulesen.
Nur vier Tage vor diesem Termin, am 19. Juni 1970, hatte Staatssekretär Prof. Dr. Hermann Lübbe Karl Rahner in Düsseldorf das „Große Verdienstkreuz mit Stern“ verliehen.
Mit dem VW 1600 zu Vorträgen unterwegs
Karl Rahner hat in seinen vier Jahren in Münster in besonderer Weise für die Fakultät gewirkt. Als er 1967 zum Sommersemester nach Münster kam, hatte er am 5. März seinen 63. Geburtstag gefeiert. Seine Bibliographie verzeichnet für die Jahre 1967 bis 1971 rund 1.000 Veröffentlichungen. Ich habe es nachgehalten: Von Mitte Oktober 1969 (Beginn des Wintersemesters) bis zum 20. Dezember hielt er 20 auswärtige Vortragsverpflichtungen ein. Orte waren zwischen Frankfurt und Bremen, Hannover, Kassel und Aachen. Wir fuhren mit einem VW 1600 nachmittags jeweils zum Vortragsort, abends um 20 Uhr Vortrag, dann gegen 22 Uhr Rückfahrt. Ankunft in der Frauenstraße in der Regel nach Mitternacht. Die Vorträge waren immer komplett ausgebucht. Am nächsten Morgen feierte er um 7 Uhr einen Gottesdienst für die Ordensschwestern im Marianum und an drei oder vier Tagen hielt er um 8 Uhr seine Vorlesung "Dogmatik" in F 1.
Zum Autor
Heribert Woestmann, Akademischer Direktor i. R., wurde 1942 in Recklinghausen geboren. Nach seinem Studium der Katholischen Theologie für das Lehramt an höheren Schulen war er bis zu seinem Ruhestand 2007 in 40 Dienstjahren an der Fakultät, von 1967 bis 1971 arbeitete der Theologe bei Prof. Dr. Karl Rahner (1904 bis 1984). Karl Rahner war von 1967 bis 1971 Ordinarius am Seminar für Dogmatik und Dogmengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster.
Der Orden „Pour le mérite für Wissenschaften und Künste“ wurde 1952 von Bundespräsident Theodor Heuss begründet. Ihm gehören rund 80 ausgewählte Frauen und Männer aus Wissenschaft und Kunst aus Deutschland und aller Welt an. Der Orden versteht sich als disziplinenübergreifende Vereinigung.