Lehr-Lern-Labor am Zentrum für Didaktik der Biologie
Vorhaben: „Diversität beim Unterrichten humanbiologischer Themen mit fachspezifischen digitalen Tools begegnen“

Übergeordnetes Teilprojekt: Lehr-Lern-Labore, Lernwerkstätten und Learning-Center
Teilprojektleitung: Prof. Dr. Marcus Hammann, Prof. Dr. Gilbert Greefrath
Vorhabenleitung: Prof. Dr. Benedikt Heuckmann
Mitarbeiterin: Sarah Wilken
Förderzeitraum (2. Förderphase): 01.07.2019 bis 31.12.2023

 

Das Themenfeld der „Humanbiologie“ nimmt im Rahmen des Biologieunterrichts sowie in der Ausbildung von Lehrkräften traditionell einen großen Stellenwert ein (KMK, 2019). Beim Unterrichten humanbiologischer Inhalte werden Lehrer:innen in vielfacher Weise mit der Diversität ihrer Schülerinnen und Schüler konfrontiert, die eine Herausforderung darstellen kann. Die Diversität betrifft kognitive, motorische und affektive Aspekte. Lernende verfügen über heterogene fachliche Vorerfahrungen und Vorstellungen, die sich in verschiedenen Schülervorstellungen äußern (z.B. zum Blutkreislauf oder zur Struktur und Funktion des menschlichen Herzens; Hammann & Asshoff, 2017). Daneben beeinflussen unterschiedlich ausgeprägte praktische Fähigkeiten (practical skills; Mayer, 2007) im Rahmen der Erkenntnisgewinnung das Lernen humanbiologischer Inhalte, z.B. bei der Messwerterfassung von Vitalparametern und der Durchführung von Experimenten. Besonders im Rahmen der fachspezifischen Arbeitsweise des Sezierens tierischer Präparate wird das Lehren und Lernen humanbiologischer Inhalte zudem durch emotionale und ethische Haltungen beeinflusst (Elmali, 2022; Hug, 2008). 

Um der Diversität des Themenfeldes Humanbiologie und den sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Planung und Durchführung von Lehr-/Lernszenarien gerecht zu werden, kann die Interaktivität, Adaptivität und Multimedialität themenspezifischer digitaler Tools hilfreich sein (Opfermann et al., 2020). Beispielsweise kann die Arbeit mit interaktiven 3D-Animationen und Simulationen die Rekonstruktion von Vorstellungen zum Herzkreislaufsystem initiieren. Mithilfe digitaler Tools zum Sezieren kann den affektiven und motorischen Herausforderungen des Sezierens und Experimentierens erfolgsversprechend begegnet werden (Elmali, 2022; Wörner et al, 2022). 

Im Fokus des Lehr-Lern-Labor am Zentrum für Didaktik der Biologie steht die Förderung der professionellen Kompetenz angehender Biologielehrer:innen bezogen auf das Unterrichten humanbiologischer Inhalte durch die Integration technologischer, diversitätsbezogener, fachlicher und fachdidaktischer Perspektiver. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Förderung professioneller Handlungskompetenz, die auf professionelles Wissen und motivational-affektiven Dispositionen (wie z.B. Überzeugungen) zurückgeht (Kunter et al, 2009; Blömeke et al, 2015).  Das professionelle Wissen der angehenden Lehrer:innen wird innerhalb des Lehr-Lern-Labors angelehnt an den theoretischen Rahmen des TPACK-Modells (Koehler et al, 2013) sowie den DiKoLAN-Orientierungsrahmen (Becker et al., 2020). Exploriert werden soll hier die fachspezifische Möglichkeit der Transformation fachlicher und fachdidaktischer Perspektiven durch den Einsatz zielgerichteter digitaler Tools. Die motivational-affektiven Dispositionen werden zum Einen durch generisch ausgerichtete Perspektiven transmissiver oder konstruktivistische Überzeugungen zum Lehren und Lernen erfasst (Gimbel et al., 2018), und zum Anderen kombiniert mit themenspezifischen Überzeugungen zum Lehren und Lernen mit digitalen Tools (vgl. Vogelsang et al., 2019). Die Berücksichtigung der Überzeugungen gilt in der Forschungsliteratur als entscheidender Faktor, um das volle Potenzial digitaler Tools für Lehr-Lernprozesse auszuschöpfen, da diese die Integration von Technik verhindern oder fördern können (Schreiter, 2021; Kim et al., 2013; Hew & Brush, 2007; Blackwell et al., 2013; Bice & Tang, 2022). Überzeugungen beeinflussen die professionelle Handlungskompetenz als handlungsleitende Dispositionen (Heuckmann et al., 2020), wobei es erste Hinweise gibt, dass es einen Zusammenhang zwischen Überzeugungen zu Lehren und Lernen und der Art der Integration digitaler Medien in den Unterricht besteht (Ertmer & Ottenbreit-Leftwich, 2010; Kim et al., 2013; Vogelsang et al., 2019). 

Das Lehr-Lern-Labor am Zentrum für Didaktik der Biologie untersucht vor diesem Hintergrund die folgenden Forschungsfragen:

  • Inwiefern können kognitive, motorische und emotionale Diversitätsdimensionen im digitalen Humanbiologieunterricht adressiert werden? 
  • Über welches Professionswissen und über welche Überzeugungen verfügen angehende Lehrer:innen bezogen auf das diversitätssensible Unterrichten humanbiologischer Inhalte mit digitalen Tools? 
  • In welchem Ausmaß werden das Professionswissen und Überzeugungen der angehenden Lehrer:innen durch die Teilnahme am Lehr-Lern-Labor verändert?
  • Welche Zusammenhänge bestehen zwischen kognitiven und affektiv-motivationalen Facetten professioneller Kompetenz bezogen auf die Gestaltung diversitätssensibler Lehr-Lern-Szenarien mit digitalen Tools im Lehr-Lern-Labor?

Dem Erkenntnissinteresse wird im Lehr-Lern-Labor durch die Integration technologischer, diversitätsbezogener, fachlicher und fachdidaktischer Perspektiven in einem Seminarkonzept nachgegangen: Im Begleitseminar zum Lehr-Lern-Labor erarbeiten sich die Studierenden zunächst fachliche und fachdidaktische Grundlagen des Themenfeldes der Humanbiologie. Die fachlichen Inhalte werden in einer praktischen Übungsphase zusammen mit der Fachwissenschaft und gestützt durch digitale Anatomie- und Physiologietools des Herstellers „AD-Instruments“ erarbeitet. In einem Blended-Learning Format (Himpsl-Gutermann, 2017) werden die Fachinhalte mit fachdidaktischen Inhalten verknüpft. Diese Inhalte beziehen sich insbesondere auf das Lehren mit digitalen Tools, das Testen von humanbiologiespezifischen digitalen Tools und den der Humanbiologie inne liegenden Diversitätsdimensionen (Schülervorstellungen, Unterschiede bei motorischen Fähigkeiten und ethischen Haltungen).
Durch die angeleitete Ausgestaltung von Lehr-Lern-Szenarien für das Lehr-Lern-Labor kommen technologische, diversitätsbezogene, fachliche und fachdidaktische Perspektiven in einem handlungsbezogenen Kontext zusammen. Die Planung und Durchführung der Lehr-Lern-Szenarien schließt sich an das Forschende Lernen an, wodurch die Studierenden ihrem zukünftigen Arbeitsalltag entsprechend a) Lernumgebungen und Unterrichtsmaterial vorbereiten, die Planung dann in einem b) Lehr-Lern-Labor umsetzen, wobei c) die Lernprozesse der Schüler:innen diagnostiziert werden müssen. Anschließend wird d) die Unterrichtseinheit evaluiert und reflektiert, um e) die Planung und die Materialien zu adaptieren (Roth & Priemer, 2020).

Referenzen

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Bice, H., & Tang, H. (2022). Teachers’ beliefs and practices of technology integration at a school for students with dyslexia: A mixed methods study. Education and Information Technologies, 1-27.

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