| "Geos unterwegs"
"Geos unterwegs"

Zugriff auf den Erdmantel

Vortrag von Dr. Felix Genske über Forschungsfahrt in die Arktis

Fotos

Dr. Felix Genske an Bord der "Polarstern"
Dr. Felix Genske an Bord der "Polarstern"
© Elmar Albers
  • Aufgetürmte Eisschollen am Weg der "Polarstern"
    © Felix Genske
  • Neugieriger Beobachter: ein Eisbär
    © Felix Genske
  • Dr. Felix Genske mit Gesteinen, die am Gakkelrücken geborgen werden konnten
    © Elmar Albers
  • Dr. Felix Genske mit dem Stahlkorb, der an einem acht Kilometer langen Stahlseil hinter dem Schiff hergezogen wird, und mit dem Proben gesammelt werden
    © Elmar Albers
  • Das Forschungsschiff "Polarstern" ist als Eisbrecher gebaut worden und kann sich seinen Weg durch eine bis zu anderthalb Meter dicke Eisdecke bahnen.
    © Felix Genske
  • Ein so genannter "Schwarzer Raucher". Aus dem Meersboden quillt heißes Wasser, in dem Minerale gelöst sind. Diese werden von Bakterien in biologische Materie umgewandelt.
    © Courtesy of the PS137 NUI team. Copyright WHOI
  • Ein so genannter "Schwarzer Raucher". Aus dem Meersboden quillt heißes Wasser, in dem Minerale gelöst sind. Diese werden von Bakterien in biologische Materie umgewandelt.
    © Courtesy of the PS137 NUI team. Copyright WHOI

Obwohl mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche von Wasser bedeckt sind, liegen nur für rund 20 Prozent des Meeresbodens genaue Karten vor. Kilometertief unter dem Wasserspiegel können Gebirge, Schluchten und Täler nur indirekt erforscht werden. Auf der Fahrt 137 des Forschungsschiffs „Polarstern“ kam deshalb im Sommer dieses Jahres unter Federführung des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven ein ganz spezieller Tauchroboter zum Einsatz: Der ROV NUI (Nereid Under Ice) wurde unter anderem von der NASA entwickelt. Sie hofft, damit irgendwann Wasserplaneten im Weltraum erforschen zu können. Eine ähnlich fremde Welt erlebte Dr. Felix Genske vom Institut für Mineralogie der Universität Münster auf der Erde bei der Fahrt zum Gakkelrücken, der zwischen Grönland und Sibirien liegt.

Der in 4000 Metern Meerestiefe liegende Gebirgszug ist bis zu 3000 Meter hoch. Er liegt an der Grenze zwischen zwei auseinander driftenden Kontinentalplatten und ist unter anderem durch den daraus resultierenden Vulkanismus entstanden. Nirgendwo sonst geht dieser Vorgang so langsam vor sich. Während sich die Platten am Mittelozeanischen Rücken im Atlantik um einige Zentimeter pro Jahr voneinander weg bewegen, ist es im Polarmeer weniger als ein Zentimeter. Die Gründe dafür sind noch ungeklärt, ebenso wie die Frage, warum es entlang des Gakkelrückens klar definierte vertikale Grenzen zwischen verschiedenen Abschnitten gibt.

Das möchte Genske klären, wie er beim zweiten Vortrag der Reihe „Geos unterwegs“ am Dienstag (14. November) im Geomuseum erläuterte. „Die extrem langsame Spreizungsrate führt zu einer ungewöhnlich dicken Peridotit-Schicht. Dieses Gestein macht einen großen Teil des Erdmantels aus.“ Und der ist normalerweise nur durch kilometertiefe Bohrungen erreichbar. „Der Gakkelrücken ist eine der wenigen Stellen auf der Welt, wo der Erdmantel direkt erreichbar ist“, so Genske. Dafür lohnt sich eine Fahrt in arktische Gewässer, die selbst im Sommer (noch) von Eis bedeckt sind.

Die 40 Jahre alte „Polarstern“ kann bis zu anderthalb Meter dicke Eisschollen durchfahren. Dafür legt die Besatzung den Bug auf das Eis, das durch das Gewicht des Schiffes bricht und eine Fahrtrinne freigibt. „An den dicksten Stellen musste die Polarstern das Eis rammen, was immer wieder einen ordentlich Ruck gegeben hat“, erzählte der Mineraloge. Auch dass er sich sechs Wochen lang eine Kabine von neun Quadratmetern mit einem Kollegen teilte und die Mitternachtssonne den Biorhythmus durcheinander brachte, machte die Fahrt zu einer besonderen Herausforderung. Die hervorragende Küche – sonntags traf sich der Weight Watchers Club – und ein Gym mit Pool sorgten für Ausgleich und Entspannung.

Immer neue Abwechslung bot die Fauna auf und unter dem Eis. Eisbären, Sturmvögel, Elfenbeinmöven schufen das Bild eines scheinbar intakten Lebensraums. Doch 2035 wird das Polarmeer, so die Prognose, in den Sommermonaten eisfrei sein. Das mag die Erforschung der Arktis erleichtern, wird den Klimawandel aber entscheidend verstärken.

Die Welten unter dem noch vorhandenen Eis sind noch weitgehend unerforscht. Kilometertief, fernab vom Sonnenlicht hat sich dennoch Leben entwickelt. „Schwarze Raucher“, hydrothermale Quellen, in denen sich Minerale in heißem Wasser lösen und von Bakterien in organische Nährstoffe umgewandelt werden, die am Beginn der Nahrungskette stehen, sind dafür der Ausgangspunkt. In 3.400 Metern finden sich beispielsweise Schlangensterne, zierliche Geschöpfe mit langen Armen, die sich von Plankton oder Kleinstsubstanzen ernähren. Die Wissenschaftler auf der „Polarstern“ sichteten auch Kolonien von Kieselschwämmen, von denen erst in den letzten Jahren zahlreiche neue Arten gefunden wurden, sowie Seeanemonen, Garnelen und Fische.

Das internationale Team aus Geophysikern, Ozeanographen, Geologen, Physikern und Petrologen konnte zahlreiche Messungen durchführen und Proben entnehmen. Für Genske besonders interessant sind die Gesteine, die durch einen großen flexiblen Metallkorb, der an einem acht Kilometer langen Stahlkabel hinter dem Schiff hergeschleppt wurde, aufgefangen und an Bord gebracht wurden. Sie können neue Aufschlüsse über die Zusammensetzung des Erdmantels liefern.

Von den nahezu unerforschten Meerestiefen geht es am 12. Dezember in der Reihe „Geos unterwegs“ zu unvorstellbaren Zeiträumen. Unter dem Titel „Ein Hauch von Unendlichkeit – Wie wird Leben zu Stein?“ berichtet Dr. Steffen Trümper, Kurator der geologischen Abteilung des Geomuseums,  von der Entstehung und Entdeckung von Fossilien. Sein Vortrag beginnt um 19 Uhr im Foyer des Geomuseums. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung nicht erforderlich.