„Bundespräsident muss in Indonesien klare Worte sprechen“

Kirchenvertreter fordern von Wulff Verurteilung der Gewalt gegen Kirchen und Moscheen

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Dr. Andreas A. Yewangoe

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Vor dem Indonesien-Besuch von Bundespräsident Christian Wulff haben Kirchenvertreter des Landes das deutsche Staatsoberhaupt zu klaren Worten gegen die Verletzung der Religionsfreiheit aufgefordert. Die indonesische Regierung tue fast nichts gegen die Angriffe von militanten Gruppen auf Kirchen und Moscheen der Ahmadiyya, kritisierte der Vorsitzende der Gemeinschaft der Kirchen in Indonesien, Dr. Andreas A. Yewangoe, bei einem Besuch am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Wulff solle mit Präsident Susilo Bambang Yudhoyono offen sprechen. Es fehlten strafrechtliche Schritte. „Das Schweigen muss ein Ende haben.“

„Es ist wichtig, dass Bundespräsident Wulff mit unserem Präsidenten über die Einhaltung der Menschenrechte und die konkreten Bedingungen der Religionsfreiheit in Indonesien spricht“, sagte der Kirchenvertreter. Sein Land habe eine lange Tradition des friedlichen Miteinanders zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften. Seit den Gewaltausbrüchen aber sei die religionspolitische Lage „besorgniserregend“. Das Europaparlament hatte im Juli in einer Resolution verurteilt, dass die indonesische Regierung die Gewaltausbrüche nicht strafrechtlich verfolge.

Der Bundespräsident besucht Indonesien ab Mittwoch im Rahmen einer sechstägigen Asienreise. Ein Schwerpunkt seiner Gespräche in dem südostasiatischen Land sind der interreligiöse Dialog und die Entwicklungspolitik. Indonesien ist mit rund 230 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste muslimisch geprägte Land der Welt. Die Verfassung in dem mehrheitlich muslimischen Land ermöglicht die gleichberechtigte Koexistenz mehrerer Religionen und garantiert Religionsfreiheit, wie Theologe Prof. Dr. Hans-Peter Großhans vom Exzellenzcluster erläuterte. In diesem Jahr hätten jedoch militante Gruppen mehrfach Kirchengemeinden und Moscheen der Ahmadiyya angegriffen. Die Ahmadiyya verstehen sich selbst als muslimische Erneuerungsbewegung, werden aufgrund von Lehrdifferenzen von anderen Muslimen aber als häretisch verurteilt.

„Systematische Schwächen“

Prof. Großhans leitet das Cluster-Projekt C16 „Religiöse Pluralität und interreligiöse Transformationsprozesse im Pancasila-Staat: Islam und Christentum in Indonesien“, das Yewangoe zu Vorträgen über Religionsfreiheit in seinem Land eingeladen hat. „In unseren Forschungen zeigt sich, dass die jüngsten Ausschreitungen nicht nur als vorübergehendes Problem einzuschätzen sind, sondern auf systematische Schwächen der religionspolitischen Konstellation in Indonesien hinweisen.“

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden in den vergangenen zwei Jahren knapp 70 Interviews mit Dozenten islamischer und christlicher Hochschulen in vier verschiedenen Regionen Indonesiens durchgeführt, um Deutungsmuster über den religiösen Pluralismus in Indonesien zu erheben. „Angesichts der harten machtpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Religion und Politik in Indonesien hat akademische Forschung und Lehre dort eine Schlüsselfunktion“, erläuterte Theologin Simone Sinn, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt. Die kritische wissenschaftliche Analyse der religionspolitischen Praxis und die konzeptionelle Entwicklung einer pluralitätsfähigen Religionspolitik in Indonesien stehe erst am Anfang. „Zivilgesellschaftliche und akademische Initiativen sehen darin aber eine wichtige Gestaltungsaufgabe und nutzen dazu auch internationale Kooperationen“, so Simone Sinn unter Verweis auf die Kooperation des Cluster-Projekts mit dem „Center for Religious and Cross-Cultural Studies“ sowie dem „Indonesian Consortium for Religious Studies“ in Yogyakarta. (vvm)