Veranstaltungen im Wintersemester 2015/16


Vorlesung

DR. RÜDIGER SCHMIDT

082208 Vorlesung: Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918

Montag: 14-15h, Mittwoch 14-15h, Beginn: 2. Vorlesungswoche

Wenngleich sich die Aufmerksamkeit der Historiographie schon seit geraumer Zeit nicht mehr so sehr auf das „lange 19. Jahrhundert“ richtet und eher auf das 20. Jahrhundert verlagert hat, zählt das Deutsche Kaiserreich nach wie vor zu den am besten erforschten Epochen der vergangenen zweihundert Jahre. Die Bewertung des Kaiserreichs „war immer umstritten“ (Langewiesche) und reichte von einer Deutung, die den ersten deutschen Nationalstaat als sinnstiftenden Höhepunkt eines nationalen Einigungswerks würdigte, bis hin zu Interpretationen, die den Obrigkeitsstaat unmittelbar zum „Fluchtpunkt 1933“ und schließlich zur „deutschen Katastrophe“ (Meinecke) in ein Verhältnis setzten. Erst in jüngerer Zeit richtet sich der Fokus darüber hinaus auf eine Perspektive, die beispielsweise das wilhelminische Kaiserreich nicht nur als Zeit der Krise, sondern auch als Umbruch zur kulturellen Moderne in den Blick nimmt. Die Vorlesung thematisiert den „langen Anlauf“ bis zur Reichsgründung, Grundzüge der Verfassungsgeschichte des Kaiserreichs sowie die gesellschafts-, innen- und außenpolitischen Spannungslinien im Zeitraum zwischen 1871 und 1914/18.
Literatur zur Einführung: Volker Berghahn, Das Kaiserreich 1871-1914. Industriegesellschaft, bürgerliche Kultur und autoritärer Staat (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 16), Stuttgart 2003. Ewald Frie, Das Deutsche Kaiserreich (= Kontroversen um die Geschichte), Darmstadt 2004. Frank-Lothar Kroll, Geburt der Moderne. Politik, Gesellschaft und Kultur vor dem Ersten Weltkrieg, Berlin 2013. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918: Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990. Ders., Deutsche Geschichte 1866-1918: Machtstaat vor der Demokratie, München 1992. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3: Von der deutschen Doppelrevolution bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs (1849-1914), München 1995.

Proseminare

DR. CHRISTOPH LORKE
082220 Proseminar: Einführung in das Studium der neueren Geschichte: Einwanderung nach Deutschland. Aspekte der Migrationsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts,
Mo 10-14 Uhr. Beginn: zweite Vorlesungswoche

„Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“: Mit diesem Satz stieß der damalige Bundespräsident Christian Wulff 2010 hierzulande eine lebhafte Diskussion an, die bis heute andauert. Die Einwanderung nach Deutschland wird nicht selten mit hochgradig negativ konnotierten Formeln wie Armutsmigration, „Asylbetrug“ oder „Parallelgesellschaften“ kommentiert. Diese häufig abstrakt bleibenden Deutungen, die im Kern vor allem um Fragen von Nation, Identität und Alterität kreisen, verkennen aber zum einen, dass sich Deutschland steigender Beliebtheit als Einwanderungsziel erfreut und laut OECD-Zuwanderungsranking nach den USA das zweitbeliebteste Wanderungsziel ist. Sie lassen zudem in der Regel unberücksichtigt, dass Deutschland schon geraume Zeit wichtiges Auswanderungsziel für Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion ist. Auch deren Beweggründe, ein neues Leben fernab ihrer Heimat zu beginnen, unterschieden sich (und unterscheiden sich bis heute) stark – seien es die „Ruhrpolen“, die „Gastarbeiter“ oder Zuwanderer und Flüchtlinge, die infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion, des Bürgerkriegs in Jugoslawien oder aufgrund aktueller Konflikte nach Deutschland gekommen sind und kommen. Das Seminar nimmt die wichtigsten Etappen und Aspekte der Migrationsgeschichte in den Blick, ausgehend vom späten 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart. Neben der politik-, sozial- und kulturgeschichtlichen Rahmung und konkreter Verwaltungspraxis (Migrationskontrolle, Einreisebestimmungen, Staatsangehörigkeit, Asylrecht) geht es dabei vor allem auch um zentrale gesellschaftliche Debatten um die Zuwanderung.
Neben diesen inhaltlichen Aspekten vermittelt das Seminar grundlegende Methoden und Techniken der Neueren und Neuesten Geschichte. Hierfür sind umfangreiche praktische Übungsanteile vorgesehen. Für einen Leistungsnachweis sind neben einer regelmäßigen und aktiven Teilnahme das Halten eines Referats, das Bestehen einer Klausur sowie das Verfassen einer Hausarbeit erforderlich.
Literatur zur Einführung: Bade, Klaus J. (Hrsg.): Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart, München 1992; Herbert, Ulrich: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge, München 2001; Meier-Braun, Karl-Heinz/ Weber, Reinhold (Hrsg.): Deutschland Einwanderungsland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Stuttgart 2013; Nonn, Christoph: Kleine Migrationsgeschichte von Nordrhein-Westfalen, Köln 2011; Oltmer, Jochen: Migration im 19. und 20. Jahrhundert (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 86), München ²2013; ders. (Hg.): Migration steuern und verwalten, Göttingen 2003.

NIKLAS LENHARD-SCHRAMM
082223 Proseminar: Einführung in das Studium der neueren Geschichte: Die deutsche Revolution von 1848/49
Mittwoch: 16–18 Uhr, Donnerstag: 16–18 Uhr

Die deutsche Revolution von 1848/49 gilt als vorläufiger Höhepunkt der deutschen Demokratie- und Nationalbewegung. Auch wenn sie von vielen Beteiligten (und später auch Historikern) als „gescheitert“ wahrgenommen wurde, waren ihre Auswirkungen doch bleibend. Die Ereignisse der Jahre 1848 und 1849 bildeten auch in der weiteren deutschen Geschichte immer wieder einen positiven oder negativen Bezugspunkt für politisches Denken und Handeln. Im Proseminar sollen die Ursachen, der Verlauf und die Auswirkungen jener Ergebnisse und Entwicklungen in den Blick genommen werden, die sich in der Wahrnehmung vieler Zeitgenossen zu einem einheitlichen Revolutionsgeschehen verdichteten. Soweit erforderlich sollen dabei auch Entwicklungen in anderen Nationen mit in den Blick genommen werden. Neben dem inhaltlichen Teil führt das Proseminar in einem propädeutischen Teil in die Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens sowie in die wichtigsten Methoden, Techniken und Hilfsmittel der Neueren Geschichte ein. Teilnahmevoraussetzungen sind die regelmäßige und aktive Teilnahme, die Übernahme eines Referates, eine Klausur sowie eine Hausarbeit.
Literatur zur Einführung: WOLFRAM SIEMANN, Die deutsche Revolution 1848/49. Frankfurt am Main 1985; FRANK ENGEHAUSEN, Die Revolution von 1848/49. Paderborn u.a. 2007; DIETER HEIN, Die Revolution von 1848/49. München 42007; RÜDIGER HACHTMANN, Epochenschwelle zur Moderne. Einführung in die Revolution von 1848/49. Tübingen 2002.

DR. RÜDIGER SCHMIDT
082224 Proseminar: Militär, Staat und Gesellschaft im Deutschen Kaiserreich
Donnerstag 16-18 h, Freitag 14-16 h, Beginn: zweite Vorlesungswoche

Das Proseminar wird aus gegebenem Anlass durch drei zusätzliche Termine ergänzt, die am 15.2., 16.2. und 17.2.2016 stattfinden.
Das Deutsche Kaiserreich gilt in vielerlei Hinsicht als Musterbeispiel einer Gesellschaft, in der sich das Militärische tief in die Matrix des Sozialen eingelagert hatte. Militärische Verhaltensmuster wirkten prägend in die Lebens- und Arbeitswelt hinein. Die Symbolsprache des Kaiserreichs richtete sich auf die zeitgenössisch dominierenden Leitbilder Nation und Militär, wenngleich diese auf Preußen-Deutschland reduzierte Perspektive differenzierende Momente, die vor allem für den süddeutschen Raum zu konstatieren wären, noch zu wenig zu berücksichtigen scheint. Das Seminar thematisiert u.a. die Stellung des Militärs in der Verfassung des Kaiserreichs, Probleme der Heeresfinanzierung, die seit dem preußischen Verfassungskonflikt aufgetretenen und seither anhaltenden Spannungslinien zwischen der monarchischen Kommandogewalt und den Ansprüchen des Parlaments, den in der wilhelminischen Zeit erfolgten Übergang vom Heeres- zum Marineprimat sowie die Rolle der Kriegervereine im Kaiserreich.
Ferner bietet das Seminar im propädeutischen Teil eine Einführung in die Theorien und Methoden, Hilfsmittel und Arbeitstechniken der neueren und neuesten Geschichte. Für den Erwerb eines Seminarscheins sind die Übernahme eines Referats, eine schriftliche Hausarbeit sowie eine Abschlussklausur obligatorisch.
Literatur zur Einführung: Michael Epkenhans, Die wilhelminische Flottenrüstung 1908-1914. Weltmachtstreben, industrieller Fortschritt, soziale Integration, München 1991.Stig Förster, Der doppelte Militarismus. Die deutsche Heeresrüstungspolitik zwischen Status-quo-Sicherung und Aggression 1890-1913, Stuttgart 1985. Thomas Kühne/Benjamin Ziemann (Hg.), Was ist Militärgeschichte?, Paderborn 2000. Thomas Rohkrämer, Der Militarismus der „kleinen Leute“. Die Kriegervereine im Deutschen Kaiserreich 1871-1914, München 1990. Oliver Stein, Die deutsche Heeresrüstungspolitik 1890-1914. Das Militär und der Primat der Politik, Paderborn 2007. Dieter Storz, Kriegsbild und

Hauptseminare

PROF. DR. MASSIMILIANO LIVI
082309 Hauptseminar: "Von Crystal Palace 1815 bis Mailand 2015: Die Weltaustellungen als Repräsentationsort von Fortschritt und Zukunft"
Do 12-14
Die Anmeldeliste für das Hauptseminar liegt vom 29.06.2015 bis 15.07.2015 und vom 05.10.2015 bis 15.10.2015 (jeweils Mo – Do; 10:00 – 12:00 Uhr) in Zimmer 137 aus.

Seit dem 1. Mai läuft in Mailand unter dem Motto „Den Planeten ernähren, Energie für das Leben“ die 34. offizielle Weltausstellung. Bereits diese Fokussierung auf das Recht aller Menschen auf gesunde und ausreichende Ernährung zeigt, wie sehr sich seit der „Great Exhibition of the Works of Industry of All Nations“ im Londoner Crystal Palace 1851 das Konzept von der industriellen Entwicklung als Motor von bzw. Ausdrucksmittel für Fortschritt und Zukunft abgewandt hat. Dies geschah vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Mit den Ausstellungen in Brüssel 1958 (A More Human World), Montreal 1967 (Man and His World) und Osaka 1970 (Progress and Harmony for Mankind) rückte die Beziehung zwischen Mensch, Natur und Technologie immer weiter ins Zentrum der Betrachtung - bis sie im Jahr 2000 zum Motto der Expo in Hannover wurde.
Über die Analyse von Quellen, die im Kontext ausgewählter Weltausstellungen entstanden sind, wird sich das Seminar in räumlicher und diachroner Perspektive mit der Transformation der Beziehung von industrieller und technologischer Entwicklung und den Fortschritts- bzw. Zukunftsvisionen der Menschen beschäftigen. Dabei sollen auch die alternativen, jenseits der offiziellen Kommunikationsräume der jeweiligen Expos geführten Diskurse in den Blick genommen werden.
Eine Teilnahme an der Übung "Fortschritt und Zukunft als Begriffe der Moderne: Eine Lektüreübung" ist nicht Pflicht, wird es jedoch empfohlen.
Literatur: Thomas Großbölting: "Im Reich der Arbeit". Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in den deutschen Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790-1914. Winfried Kretschmer: Geschichte der Weltausstellungen. Campus, Frankfurt am Main/New York 1999. Eric Mattie: Weltausstellungen. Belser, Stuttgart/Zürich 1998. Alexander C.T. Geppert, Jean Coffey, Tammy Lau: International Exhibitions, Expositions Universelles and World's Fairs, 1851-2005. A Bibliography.

DR. RÜDIGER SCHMIDT
082246 Hauptseminar: Die Unterwerfung Europas: Deutsche Außen- und Kriegspolitik 1938-1943
Montag, 18-20 h, Raum , Beginn: zweite Vorlesungswoche
Die Anmeldeliste für das Hauptseminar liegt vom 29.06.2015 bis 15.07.2015 und vom 05.10.2015 bis 15.10.2015 (jeweils Mo – Do; 10:00 – 12:00 Uhr) in Zimmer 137 aus.

Der Zweite Weltkrieg bildete das Schlüsselereignis des 20. Jahrhunderts, zugleich den größten Konflikt der Menschheitsgeschichte, der weltweit über sechzig Millionen Opfer kostete. Dabei reichen die Ursachen dieser global geführten Auseinandersetzung, die den Höhepunkt und das Ende eines zweiten ‚Dreißigjährigen Krieges’ markierte, bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zurück. Zu den maßgeblichen Kriegsfolgen auf der politisch-staatlichen Ebene zählt die Veränderung der Landkarte Europas für knapp ein halbes Jahrhundert. Der Kurs thematisiert Grundzüge der nationalsozialistischen Außenpolitik und des internationalen Mächtesystems der dreißiger Jahre ebenso wie verschiedene Aspekte des Krieges, wobei sich der Blick insbesondere auf politisch-weltanschauliche sowie militärische (auch besatzungspolitische) und ökonomische Probleme richtet.
Literatur zur Einführung: Wilhelm Deist/ Manfred Messerschmidt/ Hans-Erich Volkmann (Hg.), Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 1: Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik, Stuttgart 1979 (sowie die Folgebände dieser Reihe); Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler 1871-1945, Stuttgart 1995; Rolf-Dieter Müller/ Gerd R. Ueberschär, Hitlers Krieg im Osten 1941-1945. Ein Forschungsbericht, Darmstadt 2000.

Übungen

LUKAS GRAWE M.A., DR. THORSTEN KRUSE, M.A.
082274 Übung: Bündnisse in Europa von 1871 bis 1918
Einführungssitzung 20.10.2015, 14-16, Blocktermin 10.-11.12., 9-18, 12.12., 9-13

Vor dem Ersten Weltkrieg spielten Bündnisse in Europa eine zentrale Rolle in den zwischenstaatlichen Beziehungen. Sie sollten zum einen der Friedenssicherung, zum anderen aber auch der Einflusserweiterung innerhalb und außerhalb Europas dienen. Einen wesentlichen Stellenwert nahm in der Zeit von 1871 bis 1890 das Bündnissystem Otto von Bismarcks ein. Dieses erfuhr nach dem erzwungenen Rücktritt des deutschen Reichskanzlers im Jahr 1890 einen grundlegenden Wandel. Nach der Ära Bismarck begann sich der europäische Kontinent in rivalisierende Bündnisblöcke zu spalten. Diese dienten nicht mehr primär der Friedenssicherung, sondern sollten für einen immer wahrscheinlicher werdenden Krieg zwischen den Großmächten möglichst günstige Voraussetzungen schaffen. Gleichwohl waren auch sie gewissen Veränderungen unterworfen, die Annäherungen an den gegnerischen Block oder gar den Wechsel der Bündniszugehörigkeit nicht ausschlossen. Die Übung wird die wichtigsten europäischen Bündnisse vor und während des Ersten Weltkrieges beleuchten und dabei Kontinuitäten und Wandel aufzeigen. Im Zuge dessen werden auch weniger bekannte Aspekte von Bündnissen und Bündnisverhandlungen wie beispielsweise Formen der Geheimdiplomatie thematisiert.
Für die Teilnahme an der Übung ist es obligat, an der einführenden Sitzung am 20. Oktober 2015 von 14 bis 16 Uhr teilzunehmen. Hier sollen gemeinsam die Untersuchungsfelder abgesteckt und Referatsthemen vergeben werden. Für die Raumangabe beachten Sie bitte die Hinweise im HISLSF! Das eigentliche Blockseminar wird vom 10. bis 12. Dezember 2015 stattfinden, Ort und Zeit werden in der Einführungssitzung bekannt gegeben. Die Teilnehmerzahl ist auf 25 Personen begrenzt. Unbedingt erforderliche Anmeldungen unter: l_graw01@uni-muenster.de.
Literatur: AFFLERBACH, Holger, Der Dreibund. Europäische Grossmacht- und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg, Wien/Köln/Weimar 2002; ANGELOW, Jürgen, Kalkül und Prestige. Der Zweibund am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Wien/Köln/Weimar 2000; BOECKH, Katrin, Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung auf dem Balkan, München 1996; CLARK, Christopher, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, München 2013; FREHLAND-WILDEBOER, Katja, Treue Freunde? Das Bündnis in Europa 1714-1914, München 2010; KENNAN, George F., Die schicksalhafte Allianz. Frankreich und Rußland am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Köln 1990; RICHTER, Heinz A., Der Krieg im Südosten, Bd. 1: Gallipoli 1915, Mainz 2013; RICHTER, Heinz A., Der Krieg im Südosten, Bd. 2 Makedonien 1915-1918, Mainz 2014; WILLIAMSON, Samuel R., The politics of grand strategy. Britain and France prepare for war, 1904-1914, Cambridge 1969; WOLF, Klaus, Gallipoli 1915: Das deutsch-türkische Militärbündnis im Ersten Weltkrieg, Sulzbach 2008.

ANNIKA HARTMANN/PHILIPP ERDMANN
082316 Übung: "Volksgemeinschaft" im Nationalsozialismus: Utopie oder soziale Praxis?
Do 14-16

Das aus dem Deutschen Kaiserreich stammende Konzept der "Volksgemeinschaft" war ein Kern des nationalsozialistischen Denkens. Mit dem Begriff wurde die Utopie der nationalen Einheit und gesellschaftlichen Gerechtigkeit im erneuerten, wieder erstarkten Reich propagiert. Als soziale Praxis meinte die Durchsetzung der Volksgemeinschaft aber vor allem auch die Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen, so genannter „Gemeinschaftsfremder“.
Die historische Forschung und einige ihrer führenden Vertreter wie Ian Kershaw haben in den letzten 10 Jahren durch die „Volksgemeinschaft“- Debatte die Auseinandersetzung mit dem Begriff wiederbelebt. Deutlich wurde so, dass er mehr ist als nur eine propagandistische Phrase. Gleichzeitig müssen Historiker aufpassen, sich von eben diesen Propagandaformeln nicht fehlleiten zu lassen.
Im Rahmen der Übung sollen anhand ausgewählter Quellen unterschiedliche Perspektiven und Zusammenhänge beispielsweise zwischen "Volksgemeinschaft" und Judenverfolgung oder Gesundheitspolitik erarbeitet werden. Damit erlaubt die Veranstaltung einerseits die Auseinandersetzung mit Potenzialen und Grenzen des Volksgemeinschaftsbegriffs für die historische Forschung, andererseits wird ein detaillierter Blick auf die NS-Gesellschaft insgesamt und ihre Ideologien möglich.
Zur Einführung: Kershaw, Ian, „Volksgemeinschaft“. Potenzial und Grenzen eines neuen Forschungskonzepts, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Band 59, Heft 1, München 2011, S. 1-17. Wildt, Michael, „Volksgemeinschaft”, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 03.06.2014, (https://docupedia.de/zg/Volksgemeinschaft).

DR. DANIEL SCHMIDT
082276 Übung: Nationalsozialistische Herrschaft im Ruhrgebiet
Mi 8-10, Beginn: 2. Semesterwoche

In der jüngeren NS-Forschung wird der Begriff der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft kontrovers diskutiert. Handelt es sich um einen innovativen Zugang zur Geschichte der nationalsozialistischen Gesellschaft oder um ein Konstrukt der NS-Propaganda, das sich kaum in der sozialen Realität abbildet? Am Beispiel des Ruhrgebietes, einer Industrieregion, deren Bevölkerung dem Nationalsozialismus vor 1933 überwiegend ablehnend gegenüberstand, sollen im Rahmen dieser Übung Herrschaftspraktiken und Herrschaftsalltag des NS-Regimes vor dem Hintergrund aktueller Forschungen untersucht und diskutiert werden. Teil der Übung ist eine Exkursion zur Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“. Dort ist seit Mai 2015 eine neue Dauerausstellung zu sehen, in deren Mittelpunkt Anspruch und Wirklichkeit der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft in einer Industriestadt des Ruhrgebietes stehen.
Einführende Literatur: Heinrichs, Clemens (Hrsg.): Eine – reine – keine Stadtgesellschaft. Oberhausen im Nationalsozialismus 1933 bis 1945, Oberhausen 2012; Nolzen, Armin: Die westfälische NSDAP im „Dritten Reich“, Westfälische Forschungen 55 (2005), S. 423-469; Rohkrämer, Thomas: Die fatale Attraktion des Nationalsozialismus. Über die Popularität eines Unrechtsregimes, Paderborn u.a. 2013; Schmiechen-Ackermann, Detlef (Hrsg.): „Volksgemeinschaft“: Mythos, wirkungsmächtige soziale Verheißung oder soziale Realität im „Dritten Reich“?, Paderborn u.a. 2012; Wildt, Michael: Geschichte des Nationalsozialismus, Göttingen 2008.

PROF. DR. FRANZ-WERNER KERSTING/PROF. DR. MARKUS KÖSTER
082282Übung: Was ist schon normal? Psychiatrie und Gesellschaft im historischen und aktuellen Film
Termine und Ort: Mo, 26.10. und 7.12.2015, jeweils 16-18 Uhr, Fürstenberghaus Raum....; Blockveranstaltung vom 15.-17.1.2016, Akademie Franz-Hitze-Haus.

„Psychiatrie im Film“ ist kein neues Phänomen. Immer wieder hat sich das Kino in seiner Geschichte mit diesem Thema auseinandergesetzt. Dies zeigen nicht zuletzt Klassiker wie Alfred Hitchcock‘s „Psycho“ (1960) oder Milos Forman‘s „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975). Vielfach wurden dabei die Definition von „Normalität“ und der Umgang mit dem als „anormal“ Definierten verhandelt. Heute werden psychische Krankheiten immer öfter offen und medial diskutiert, sind kein wirkliches Tabuthema mehr. Zudem finden die spezifisch kulturellen Bedingungen ihrer Entstehung, Wahrnehmung und Therapie verstärkte Aufmerksamkeit. Gleichzeitig zeigt sich in der Geschichtswissenschaft unter dem Schlagwort „Visual History“ ein gewachsenes Interesse am Medium Film und seiner Bedeutung für die
(De-)Konstruktion kultureller Selbst- und Fremdbilder in Vergangenheit und Gegenwart.
Welches Bild von Psychiatrie, psychisch Kranken und psychiatrischen Kliniken Filme zeigten und zeigen, wie in ihnen gesellschaftliche „Normalität“ und „Anders sein“ visuell repräsentiert wurden, welche Leitbilder und Reformideen sich in ihnen spiegelten, mit welchen filmsprachlichen Mitteln sie arbeiteten und welchen Quellenwert solche Filme überhaupt für Historikerinnen und Historiker heute haben können, möchte diese Übung an ausgewählten Beispielen herausarbeiten. Ziel ist nicht zuletzt, den Umgang mit Film als Quelle zu erlernen. Im Zentrum der Veranstaltung steht das historische Subgenre „Anstaltsfilm“ – ergänzt um aktuelle Formate der visuellen Auseinandersetzung mit seelischen Handicaps. Eine „Filmografie“ wird in der ersten Sitzung verteilt.
Der Hauptteil der Veranstaltung in der Akademie Franz-Hitze-Haus wird mit zusätzlichen Referenten/Experten durchgeführt. Für die Räumlichkeiten und die gute Verpflegung in der Akademie wird ein Kostenbeitrag von 36 € p.P. erhoben. Anmeldung erforderlich: markus.koester@uni-muenster.de
Empfohlene Literatur zur Einführung: Brückner, Burkhart: Geschichte der Psychiatrie, Bonn 2010; Fellner, Markus: psycho movie. Zur Konstruktion psychischer Störung im Spielfilm, Bielefeld 2006; Kersting, Franz-Werner: Visual History. Anstaltspsychiatrie der 50er und 60er Jahre im Spiegel von Filmdokumenten aus Westfalen, in: Westfälisches Ärzteblatt 03/2013, S. 56-58 (=Teil I), 04/2013, S. 47-48 (=Teil II); Köster, Markus: Vom Nutzen des Spielfilms für die Geschichte, in: Murken, Jens u.a. (Hg.): Kirchenarchiv mit Zukunft. Festschrift für Bernd Hey, Bielefeld 2007, S. 333-343; Paul, Gerhard.: Visual History, Version: 3.0, in: Docupedia Zeitgeschichte, 13.3.2014 [http://docupedia.de/zg/Visual_History_Version_3.0_Gerhard_Paul]; Wulf, Hans Jürgen: Psychiatrie im Film, Münster 1995 (erstmals 1985).

PROF. DR. MASSIMILIANO LIVI
082310 Übung: Fortschritt und Zukunft als Begriffe der Moderne: Eine Lektüreübung
Do 14-16

Alle Kulturen der Welt, in allen Phasen ihrer Geschichte, haben sich mit der Zukunft auseinandergesetzt und dabei Zukunftsbilder entwickelt, die stark variierten und es erst in der Moderne zu einem allgemein-operativen, extrem linearisierten Begriff von Zukunft gebracht haben. Vor allem die industrielle Revolution wirkte als Auslöser einer unaufhaltbaren - und auch als solche wahrgenommenen - Entwicklung bis in die 1970er Jahre. Fortschritt und Zukunft wurden somit Teil einer Narration, die sich erst nach der Krise der 1970er Jahre aufgespalten und immer neue Varianten hervorgebracht hat: Von Zukunfts-Euphorie über Zukunfts-Pessimismus und Hyperfuturismus bis hin zu neuen, durch die „Paradigmen der Begrenzung” bedingten Zukunfts- und Fortschrittsvorstellungen.
In der Übung werden wir uns mit diesen unterschiedlichen Ideen und Vorstellungen von Zukunft und Fortschritt, wie sie im 19. und 20. Jahrhundert formuliert worden sind, auseinandersetzen und ergründen, wie diese synchronisch und diachronisch in den jeweiligen politischen, sozialen und technologischen Kontexten zu verorten sind. Im Mittelpunkt werden aber nicht nur die Formulierungen von Perspektiven stehen, die sich mit der technologischen Entwicklung beschäftigen, sondern auch diejenigen, die politische Macht, Rechte der Bürger, Bildung und Kultur, Verteilung der Ressourcen usw. miteinbeziehen.
Hölscher, Lucian: Die Entdeckung der Zukunft. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1999. Salvadori, Massimo: Fortschritt – die Zukunft einer Idee, Berlin: Wagenbach 2008. Strathern, Oona: Die Visionäre: Eine kleine Geschichte der Zukunft - von Delphi bis heute. Wien: Signum 2008. Hanlon, Michael: The Golden Quarter. Why has human progress ground to a halt?, in: «aeon» 3.12.2004, online: <http://aeon.co/magazine/science/why-has-human-progress-ground-to-a-halt/>