Rule of Law oder Empire on Trial? Politische Prozesse im Britischen Empire, 1916-1971

Das Britische Empire beherrschte seine Kolonien mit dem Anspruch, dort die Rule of Law durchzusetzen und zu garantieren. Dieser drückte sich über die Dauer seiner Existenz unter anderem durch eine Reihe mal mehr, mal weniger rechtsstaatlichen Standards entsprechenden Gerichtsverfahren und Urteilssprüchen aus, die Rule of Law teils performativ herstellten, teils simulierten, jedoch nie von den gewaltförmigen, kolonialen und/oder rassistischen Machtverhältnissen abgelöst waren.
Das Projekt fragt für das späte Britische Empire im 20. Jahrhundert, ob sein offensiv kommunizierter Anspruch, mit der Rule of Law zu herrschen, ein stabilisierender, seine Beharrungskraft stärkender Faktor war oder ob er antikolonialen oder anderweitig dissidenten Aktivist:innen vor allem eine Angriffsfläche bot, es vorzuführen, zu demaskieren, zu delegitimieren und dadurch letztendlich zu schwächen.
Das Projekt versucht dabei, performanztheoretische Überlegungen zur Herstellung von Rechtsstaatlichkeit – hier Rule of Law – vor Gericht, mit aktuellen Überlegungen zum Britischen Empire zu verbinden. Diese verstehen das Empire eben nicht als dichotomes Konstrukt mit der dominanten Metropole auf der einen Seite und verschiedenen voneinander abgeriegelten, effizient durchherrschten kolonialen Räumen („Peripherie“) auf der anderen, sondern als einen global verflochtenen, interdependenten Kommunikations- und Bewegungsraum, in dem Widersprüche, unterschiedliche Handlungsspielräume und Widerstände immer mitgedacht werden müssen.