Tagungen der Abteilung Sprachdidaktik



Das Faszinosum Metapher.

Erwerb – Bedeutung – Struktur – Funktion und Verstehen eines komplexen Phänomens aus interdisziplinärer Perspektive

 

Symposium am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 8.-10. Dezember 2011, veranstaltet von Prof. Dr. Klaus-Michael Köpcke und Dr. Constanze Spieß

 

Metaphern spielen im Alltag sowie in jeglichen Wissenszusammenhängen eine zentrale Rolle. In der Linguistik besteht mittlerweile Konsens darüber, dass Metaphern nicht mehr nur als rhetorisches Mittel bzw. als Redeschmuck aufzufassen sind, sondern wesentlich unser Denken, Reden und Handeln strukturieren. Dies ist das zentrale Ergebnis des vor über 30 Jahren erschienenen, epochemachenden Buches metaphors we live by von George Lakoff und Mark Johnson.

Im Anschluss an Lakoff/Johnson (1980) etablierte sich ein äußerst fruchtbarer und dynamischer linguistischer Forschungsbereich, der von der sprachlichen Konstitution von Welt und Wirklichkeit durch Metaphorik ausgeht und der unterschiedliche linguistische Perspektiven zusammenbringt: die Kognitionslinguistik, die Semantik, die Pragmatik sowie die Diskurslinguistik. (Vgl. beispielsweise hierzu vgl. Baldauf 1997, vgl. Fauconnier/Turner 1998, 2002 und 2008, vgl. Goschler 2008, vgl. Liebert 2003, Panther/Thornburg 2003 und 2004, Pielenz 1993, Ziem 2008)

Zur Beschreibung von Metaphern haben sich in diesem Zusammenhang in der Kognitionslinguistik verschiedene Konzepte als fruchtbar erwiesen: Idealisierte Kognitive Modelle (ICMs), Frames, kognitive Bereiche, Gestalten, Schemata und Prototypen. Ebenso wird darüber diskutiert, wie Metaphern im Sprachgebrauch verarbeitet werden und welche Verfahren im Sprachgebrauch eine Rolle spielen: Blending, Highlighting, Hiding oder Inferieren.

Dass die Metapher ein äußerst komplexes Phänomen darstellt, zeigen auch Publikationen der letzten Jahre verschiedener Fachdisziplinen, die die Analyse von Metaphern unter Rückgriff auf Lakoff/Johnson (1980) nicht nur in linguistischem Zusammenhang, sondern aus der je spezifischen Fachperspektive vornehmen. Der Funktion und Bedeutung von Metaphern wird somit in ganz verschiedenen Disziplinen (u.a. Theologie, Geschichtswissenschaft, Psychologie, Erziehungswissenschaft etc.) mit je spezifischer Fragestellung nachgegangen (z.B. u.a. Schwarke 2000, Junge 2009, Sarasin 2007, Fox Keller 1998, Gansen 2010, Gebhard 1999). Das Gemeinsame vieler, wenn nicht der meisten Publikationen (eingeschlossen sind hier auch die linguistischen) kann in der Auffassung gesehen werden, dass Metaphern Wissen repräsentieren, produzieren, manifestieren und vermitteln.Z

Ziel der geplanten Tagung ist es, sowohl linguistische, spracherwerbstheoretische, entwicklungspsychologische und didaktische Aspekte aufeinander zu beziehen sowie theoretische, methodische und empirische Aspekte der Analyse von Metaphern zu diskutieren. Durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Disziplinen wird die Thematik aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, die zugleich in Bezug zueinander gesetzt werden können. Dadurch erhoffen wir uns, der Komplexität von Metaphern gerecht zu werden und zu neuen Erkenntnissen gerade auch im Hinblick auf sprachliche Strukturen, Metaphernerwerb und empirische Umsetzung zu gelangen.

Hinsichtlich der umfassenden Frage, was das Faszinosum der Metapher ausmacht und welche Faktoren und Aspekte interdisziplinärer Art in der Analyse Beachtung finden müssen, damit Metaphern und metaphorische Prozesse adäquat erfasst und beschrieben werden können, ergibt sich ein notwendiger Klärungsbedarf verschiedener konkreter Fragen. Unseres Erachtens bietet sich eine Annäherung an das Phänomen der Metapher aus unterschiedlichen, insbesondere interdisziplinären Perspektiven an, um der Komplexität von Metaphern gerecht zu werden. Die folgenden Fragestellungen und Aspekte sollten dementsprechend Gegenstand der Beiträge, der Diskussionen und Reflexionen auf dem geplanten Symposium sein:

  • Zu diskutieren ist, inwiefern die genannten Konzepte (Frame, Schema, Prototyp, ICM, kognitive Bereiche etc.) zur Erfassung von Metaphorik geeignet sind oder Ergänzungen bedürfen. In diesem Zusammenhang könnten die verschiedenen Theorien (kognitive Metapherntheorien, Interaktionstheorie, Relevanztheorie etc.) auf den Prüfstand gestellt werden.
  • Wie entstehen Metaphern und welche Verfahren sind an ihrer Entstehung beteiligt? Welche Prozesse sind beim Verstehen von Metaphern beteiligt?
  • Wie lässt sich der formale, semantische und funktionale Wandel von Metaphern beschreiben? Welche Faktoren begünstigen oder verhindern Metaphernwandel?
  • Lassen sich Metaphern oberflächenstrukturell typologisieren? Welche Rolle spielen dabei die Formen hinsichtlich der Produktivität, der Funktion sowie der Bedeutung von Metaphern? Welche Typologisierungskriterien können zu Grunde gelegt werden? Welche spezifischen morphosyntaktischen und lexikalischen Bauformen weisen Metaphern auf? Gibt es wissensdomänenspezifische bzw. kommunikationsbereichsspezifische Muster?
  • Wenn unser Denken, Sprechen und Handeln metaphorisch strukturiert ist, dann ist zu vermuten, dass die verschiedenen Metaphernbereichen zugehörigen Metapherntoken untereinander vernetzt sind bzw. dass Metaphern permanent neue Metaphern generieren. Wie sieht eine solche Vernetzung aus? Und gibt es Mechanismen der Metapherngenese durch Metaphern? Gibt es in den einzelnen Wissensdomänen unterschiedliche Metaphernnetze oder gibt es zentrale Metaphern, die in allen Domänen auftauchen?
  • Für die empirische Analyse von Metaphern stellen sich aus forschungspraktischer Perspektive folgende Fragen, die ein breites Diskussionsfeld eröffnen sollten: Wie kann ein valides Korpus erstellt werden? Können Metaphern mit korpuslinguistischen (d.h. u.a. auch statistischen) Verfahren adäquat beschrieben werden? Welche Erhebungsmethoden sind für welche Forschungsfragen geeignet? Wie gehen die unterschiedlichen Fachdisziplinen vor (Erziehungswissenschaft, Psychologie, Linguistik etc.)?
  • Ein weiterer Gegenstand ist der Erwerb von Metaphern durch muttersprachliche Sprecher. Wie erwerben Kinder metaphorisches  Sprachwissen? Welche Rolle spielt kulturelles und soziales Wissen für das Verständnis und die Verwendung von Metaphern? In welcher Funktion verwenden Kinder Metaphern? Welche Untersuchungsmethoden lassen sich bezüglich der Erwerbsfrage anwenden?

Welche Rolle spielen Metaphern bei der Vermittlung von Wissen in schulischen Kontexten oder bei der Vermittlung ethischer und moralischer Normen?

Plakat zur Tagung
Flyer zur Tagung

Literatur

  • Baldauf, Christa (1997): Metapher und Kognition. Grundlagen einer neuen Theorie der Alltagsmeta-pher, Frankfurt u.a.: Peter Lang.
  • Fauconnier, Gilles/Turner, Mark (1998): Conceptual Integration Networks. In: Cognitive Science Vol. 22 (2), 133-187.
  • Fauconnier, Gilles/Turner, Mark (2002): The Way We Think: Conceptual Blending and the Mind's Hidden Complexities, New York: Basic Books.
  • Fauconnier, Gilles/Turner, Mark (2008): Rethinking Metaphor. In: Ray Gibbs, Ray (ed.): Cambridge Handbook of Metaphor and Thought. Cambridge University Press.
  • Fox Keller, Evelyn (1998): Das Leben neu denken. Metaphern der Biologie im 20. Jahrhundert. Mün-chen: Kunstmann.
  • Gansen, Peter (2010): Metaphorisches Denken von Kindern. Theoretische und empirische Studien zu einer Pädagogischen Metaphorologie. Würzburg: Ergon.
  • Gebhard, Ulrich (1999): Alltagsmythen und Metaphern – Phantasien von Jugendlichen zur Gentech-nik. In: Schallies, Michael/Wachlin, Klaus (Hrsg.): Biotechnologie und Gentechnik. Neue Technologien verstehen und beurteilen. Heidelberg: Springer, 99-115.
  • Goschler, Juliana (2008): Metaphern für das Gehirn. Eine kognitiv-linguistische Studie, Berlin: Frank& Timme.
  • Junge, Mattias (2010): Metaphern in Wissenskulturen, Wiesbaden: VS Verlag.
  • Lakoff, George/Johnson, Mark (1980): Metaphors we live by, Chicago.
  • Liebert, Wolf-Andreas/Geideck, Susan (2003): Sinnformeln: Linguistische und soziologische Analysen von Leitbildern, Metaphern und anderen kollektiven Orientierungsmustern. Berlin, New York: de Gruyter.
  • Panther, Klaus-Uwe/Thornburg, Linda (2003): Metonymy and Pragmatic Inferencing, Amsterdam: Benjamins.
  • Panther, Klaus-Uwe/Thornburg, Linda (2004): The Role of Conceptual Metonymy in Meaning Construc-tion. In: metaphorik.de 06/2004. Online unter: http://www.metaphorik.de/06/pantherthornburg.htm
  • Pielenz, Michael (1993): Argumentation und Metapher, Tübingen: Narr Verlag.
  • Radden, Günter/Köpcke, Klaus-Michael/Berg, Thomas/Siemund, Peter (2007) (Hrsg.): Aspects of Meaning Construction. Amsterdam: Benjamins.
  • Sarasin, Philipp: mit Silvia Berger, Marianne Hänseler, Myriam Spörri (Hg.): Bakteriologie und Moderne. Studien zur Biopolitik des Unsichtbaren 1870 - 1920, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2007
  • Schwarke, Christian (2000): Die Kultur der Gene. Eine theologische Hermeneutik der Gentechnik, Stuttgart/Berlin/Köln.
  • Skirl, Helge (2009):  Emergenz als Phänomen der Semantik am Beispiel des Metaphernverstehens. Emergente konzeptuelle Merkmale an der Schnittstelle von Semantik und Pragmatik, Tübingen: Narr.
  • Steen, Gerard (2010): A method for linguistic metaphor identification: From MIP to MIPVU (with A.G. Dorst, J.B. Herrmann, A.A. Kaal, T. Krennmayr, T. Pasma). Amsterdam, Philadelphia: Benjamins.
  • Steen, Gerard (2007): Finding metaphor in grammar and usage: A methodological analysis of theory and research, Amsterdam: Benjamins.
  • Ziem, Alexander (2008): Frames und sprachliches Wissen. Kognitive Aspekte der semantischen Kompetenz, Berlin/New York: de Gruyter.