Digitale Editionen setzen neue Standards

2012-07 Workshop Editionen 150

Die neuen Möglichkeiten und Erfordernisse digitaler Editionen haben 27 Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland am 9. Juli 2012 bei einem Workshop  am Historischen Kolleg in München diskutiert. Deutlich wurde, dass digitale Editionen keineswegs zu Qualitätseinbußen führen, sondern im Gegenteil neue Standards setzen. Retrodigitalisierungen, also nachträgliche Digitalisierungen von ursprünglich analogen Medien, wurden zwar als legitim und vielfach wertvoll bezeichnet. Als entscheidendes Ziel definierte der Workshop aber, den Sprung zu „born digital“ zu schaffen, also Inhalte gezielt für eine digitale Fassung zu erarbeiten und die zusätzlichen Möglichkeiten von elektronischen Datenbanken und webbasierten Veröffentlichungen von Anfang an ins Konzept einzubeziehen. Veranstalter des Workshops waren das Münsteraner Projekt „Kritischen Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis“ und die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Unstrittig war, dass auch digitale Quelleneditionen höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügen müssen. Der mediale Wechsel bedeute keineswegs ein Abrücken von etablierten Kriterien, betonte Helmut Neuhaus, der Sekretär der Historischen Kommission. Nach wie vor gehe es darum, bestimmte Quellen als editionswürdig auszuwählen, eine sorgfältige Quellen- und Textkritik vorzunehmen und die edierten Quellen durch Einleitung, biographische Kommentierung, Sachkommentar und Bibliographie in ihre Zusammenhänge einzuordnen. Denn nur so könnten Quelleneditionen ihre Aufgabe erfüllen, eine Erstorientierungs-, eine Impuls-, und eine Fundamentierungsfunktion für die Forschung zu bieten. Parallel solle immer noch die Veröffentlichung in Buchform möglich sein. Allerdings müsse man sich klar sein, dass diese dann nicht mehr alle Elemente der digitalen Edition abbilden könne.

Auch die Forschungsförderung muss sich laut Hubert Wolf, dem Leiter der Pacelli-Edition, noch stärker auf die gestiegene Bedeutung von digitalen Editionen einstellen. „Digitale Editionen sind reicher als Printeditionen. Sie benötigen zusätzliches Personal, das über spezielle, auch technische Kompetenzen verfügt. Das muss ein Umdenken in Ministerien, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und privaten Stiftungen zur Folge haben“, sagten der Kirchenhistoriker und Helmut Neuhaus unisono.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops prognostizierten, dass der Trend zur Digitalisierung unumkehrbar sei. Editionsarbeit werde auch deswegen zunehmend Teamwork sein, der einzeln arbeitende Editor mehr und mehr der Vergangenheit angehören. Diskutiert wurde außerdem die Frage, wie digitale Informationen langfristig gesichert werden können. Für diese Langzeitarchivierung, so das Fazit, seien speziell auf diesem Feld ausgewiesene Institutionen notwendig. Auch Bücher hätten die Jahrhunderte schließlich nur überdauert, weil Bibliotheken sich um sie gekümmert hätten.

Der Workshop „Digitale Editionen“, wird im kommenden Jahr erneut in München stattfinden. Er wird unter anderem das Ziel verfolgen, zu technischen und methodischen Standards für digitale historische Online-Editionen zu gelangen. Das Programm und eine Pressemeldung zum diesjährigen Workshop sind auf der Homepage des Historischen Kollegs zu finden.