Falsche Heiligkeit im Rom des 19. Jahrhunderts

2013-02-18katharina Von Hohenzollern150

Katharina von Hohenzollern


Einen brisanten Skandal aus dem Kirchenstaat arbeitet Prof. Dr. Hubert Wolf in dem jetzt erschienenen Buch „Die Nonnen von SantʼAmbrogio“ auf. Es geht um Giftmorde, vorgetäuschte Heiligkeit, Teufelsaustreibungen und verbotenen Sex im römischen Frauenkloster „SantʼAmbrogio“ im 19. Jahrhundert. „Der Fall wirft ein Schlaglicht auf grundsätzliche Richtungskämpfe um die Macht in der katholischen Kirche, die bis heute nicht abgeschlossen sind“, erläutert der Kirchenhistoriker.

Grundlage des Buches ist ein unerwarteter Aktenfund über einen Inquisitionsprozess im Archiv der Glaubenskongregation. Anklägerin war die deutsche Adlige Katharina von Hohenzollern (Bild), die als Novizin in SantʼAmbrogio mehrere Giftanschläge überlebte und in letzter Minute gerettet wurde. Die umfangreichen Akten erlauben es, den Prozess im Detail nachzuzeichnen. Hauptangeklagte waren die Novizenmeisterin Maria Luisa Ridolfi, die als wundertätige Heilige verehrt wurde, und ihr Beichtvater Giuseppe Peters.

„Maria Luisa nutzte ihre angeblichen Visionen und Briefe der Gottesmutter Maria, um sich zur absoluten Herrscherin im Kloster aufzuschwingen“, so Wolf. Mithilfe vermeintlicher Wunder habe sie auch einflussreiche Kirchenmänner in ihren Bann gezogen. Hinter Katharina von Hohenzollern und ihrer Anzeige standen ebenfalls hochrangige Kurienmitglieder. „Der Prozess wurde so zu einem Stellvertreterkrieg. Vor Gericht standen quasi auch eine bestimmte Frömmigkeitspraxis sowie eine einflussreiche theologische und kirchenpolitische Partei.“

2013-02-06 Ambrogio Cover 150Die Affäre spielt in der Zeit Piusʼ IX., der von 1846 bis 1878 Papst war. „Er lebte in ständiger Angst vor der Revolution, wandte sich immer mehr einem mystizistischen Weltbild zu und hoffte auf das unmittelbare Eingreifen göttlicher Kräfte in dieser Welt“, so Hubert Wolf. An der Kurie kämpften unterdessen Gegner und Anhänger einer Versöhnung mit der modernen Welt um die Macht. Der Fall „SantʼAmbrogio“ ist Wolf zufolge in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich für die Wissenschaft. „Er zeigt auch exemplarisch, wie im 19. Jahrhundert ein Inquisitionsprozess ablief und wie Frauen außerhalb der klerikalen Hierarchie großen Einfluss in der katholischen Kirche gewinnen konnten. Außerdem lässt er die Gefahren eines blinden Gehorsams und einer Verquickung von Heiligkeit, Macht und Sexualität erkennen.“

Um den Fall „SantʼAmbrogio“ aufzuarbeiten, nutzte Hubert Wolf seinen einjährigen Aufenthalt als Fellow am Historischen Kolleg in München. Das Buch „Die Nonnen von Sant’Ambrogio. Eine wahre Geschichte“ wird in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften der Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist im Verlag C.H.Beck erschienen und kostet 24,95 Euro.

Pressemitteilung als PDF zum Download.

Aktuelle Fotos von Hubert Wolf (Copyright: Isolde Ohlbaum) sind auf Anfrage erhältlich, Bilder zum Thema zum Download in der Rubrik Service.