Macroglossum stellatarum
© IPBP/Krüger

Exotische Hochsommer-Gäste im Arzneipflanzengarten

von Lars Krüger

Es ist mittlerweile hinreichend bekannt, dass sich das Klima seit einigen Jahren rasant verändert. Extremwetterlagen nehmen zu und auch unsere Sommer werden wärmer und trockener. Wir werden uns im Lauf der kommenden Jahre wohl von einigen liebgewordenen Gartenpflanzen verabschieden müssen, für die unser Klima einfach zu warm und, vor allen Dingen, zu trocken wird.  Wir werden im Gegenzug auf neue Pflanzenarten aufmerksam, die mit den veränderten Klimavoraussetzungen in unseren Gärten besser zurechtkommen.

Aber darum soll es in diesem kleinen Aufsatz nicht gehen, sondern um einen bemerkenswerten kleinen Nachtfalter, der seit einigen Jahren mitten im Hochsommer in unseren Gärten beobachtet werden kann. Er hat die Angewohnheit im Schwirrflug vor einer Blüte zu schweben und sich dabei den Blütennektar der betreffenden Pflanze einzuverleiben. Vielleicht dachten einige Gartenbesitzer*innen deswegen schon daran, einen Kolibri entdeckt zu haben...?

Bei diesem kleinen Exoten handelt es sich um das Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), einem Insekt aus der Ordnung der Schmetterlinge (Lepidoptera) zur Familie der Schwärmer (Shingidae) gehörend. Das Taubenschwänzchen wird den Nachtfaltern zugeordnet, ist aber ein tagaktives Tier. Es gehört zu den Wanderfaltern, denn es ist in der Lage weite Strecken zu überwinden – bis zu 3000 km in 14 Tagen sind möglich. Und dabei ist es unglaublich schnell, denn es reist mit einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 80 km/h. Dabei schlägt es mit seinen Flügeln 70- bis 90-mal in der Sekunde. Und es kann nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts fliegen. Die Taubenschwänzchen aus dem westlichen Verbreitungsgebiet erreichen eine Flügelspannweite von ca. 36 – 50 mm.

Bei uns in Mitteleuropa gibt es drei Zeitabschnitte, in denen die Taubenschwänzchen häufiger als sonst zu beobachten sind: nämlich Ende Juni, Ende Juli und schließlich im August/September. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Falter, die im Juni und Juli gesehen werden, in Südeuropa geschlüpft sind und die weite Reise von dort bis in unsere Gärten bereits hinter sich gebracht haben. Lange Zeit war für diesen Nachtfalter spätestens in Süddeutschland die Reise zu Ende, aber in den extrem heißen Sommern 2003 und 2006 sind die Taubenschwänzchen dann erstmals weit in den Norden Deutschlands vorgestoßen – um danach regelmäßig wieder zu kommen.

Das Taubenschwänzchen besitzt von allen tagaktiven, blütenbesuchenden Insekten den längsten Saugrüssel, er wird bis zu 28 mm lang. Das ermöglich ihm im Schwirrflug vor der Blüte zu stehen und den Nektar aufzunehmen. Es ist in der Lage kleinste, vom Wind verursachte Pflanzenbewegungen auszugleichen und so exakt vor der Blüte zu schweben. Es kann bei seinen Flügen an den Nahrungspflanzen ca. 100 Blüten binnen 5 Minuten besuchen und der lange Saugrüssel bewahrt das Taubenschwänzchen obendrein auch vor unangenehmen Überraschungen, denn er ermöglicht ihm einen so großen Abstand zur Blüte, dass Fressfeinde, wie z.B. eine Krabbenspinne, keine Möglichkeit zum Zugriff bekommen.

Seine bevorzugten Nahrungspflanzen sind z.B. Sommerflieder (Buddleja spp.), Storchschnabel (Geranium spp.), Flammenblume (Phlox spp.), Flockenblume (Centaurea spp.), Natternkopf (Echium vulgare) und Seifenkraut (Saponaria officinalis), aber auch Sommerblumen wie die Petunie oder die Geranie. Zur Eiablage sucht es bevorzugt Labkraut-Arten (Galium spp.) auf, aber auch Färberröte (Rubia tinctorum), Sternmiere (Stellaria spp.) oder Spornblume (Centranthus ruber).

Obwohl das Taubenschwänzchen von Natur aus sehr wärmeliebend ist, meidet es die ganz große Hitze und ist an sehr heißen Tagen bevorzugt in den Morgen- und Abendstunden unterwegs. Als Nachtquartier wählt es sich sonnenerwärmte Steine oder Mauern aus.

Wenn man das Taubenschwänzchen genau betrachtet, könnte man glauben, dass es Augen hat, die eine Pupille haben, ähnlich unseren Augen. Aber wie alle anderen Insekten auch, haben sie tatsächlich Facettenaugen, nur halt mit einer Färbung, die an eine „echte“ Pupille erinnert und darum als Scheinpupille bezeichnet wird. Übrigens, der Name „Taubenschwänzchen“ ist vom Aussehen des Hinterleibes abgeleitet, denn er ähnelt durchaus dem Federschwanz eines Vogels. Allerdings sind die scheinbaren Federn verlängerte Schuppen, mit denen das Taubenschwänzchen beim Schwirrflug vor den Blüten ausgezeichnet manövrieren kann.

Quellen:

Macroglossum stellatarum
© IPBP/Krüger