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Proben aus der Wüste im Gepäck

Gastwissenschaftlerin aus Äthiopien erforscht am Exzellenzcluster „Cells in Motion“ widerstandsfähige Mikroorganismen.
Zu Gast am Exzellenzcluster „Cells in Motion“: Wissenschaftlerin Lulit Tilahun Wolde aus Äthiopien.
© CiM - Roberto Schirdewahn

Lulit Tilahun Wolde liebt es, zu reisen. Für ihre Forschung verschlägt es die Äthiopierin regelmäßig an einen der heißesten und unwirtlichsten Orte der Welt: Dallol heißt das Gebiet in der äthiopischen Wüste Danakil, in dem die Biotechnologin zwischen Salzsäuretümpeln und Lavagestein einmal jährlich Wasser- und Bodenproben entnimmt. Wieder zuhause an ihrer Universität in der Hauptstadt Addis Abeba untersucht sie Mikroorganismen, die sich den extremen Umweltbedingungen in Dallol angepasst haben und dort gedeihen. Die aktuelle Forschungsreise von Lulit Wolde geschieht allerdings unter weniger extremen Bedingungen: Seit zwei Monaten ist sie in Münster – als Gastwissenschaftlerin am Exzellenzcluster „Cells in Motion“ der Universität. Mitgebracht hat sie ihre Proben aus Dallol, um sie in einem deutschen Labor auf molekularer Ebene genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wie es zu ihrem Aufenthalt in Münster kam? „Das ist eine lange Geschichte“, sagt Lulit Wolde. Und eine internationale: Am Ende war es eine Wissenschaftlerin an einem tschechischen Institut, die einen deutschen Kollegen auf das Forschungsprojekt einer äthiopischen Doktorandin aufmerksam machte – Lulit Wolde. Der deutsche Wissenschaftler: Dr. Sebastian Leidel, Gruppenleiter am Exzellenzcluster „Cells in Motion“ und am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster. Er erforscht mit seiner Arbeitsgruppe verschiedene Ribonukleinsäuren in Zellen, kurz RNA. Sie sind wichtig, um aus den genetischen „Bauanleitungen“ in einer Zelle Proteine zu machen. Als Sebastian Leidel von den Arbeiten der Äthiopierin hörte, war er sogleich interessiert und lud sie nach Deutschland in sein Labor ein. Denn er möchte wissen: Welche Rolle spielen Modifikationen der RNA dabei, dass die Mikroorganismen in extremen Situationen überleben können? „Die Einladung war eine riesige Chance für mich, ich habe nicht lange gezögert“, sagt Lulit Wolde. Nachdem der Exzellenzcluster ihr eine finanzielle Unterstützung zugesagt hatte, konnte sie ihre Koffer für ihren erstmaligen Besuch in Deutschland packen.

Nach zwei Monaten hat sie mittlerweile einiges von Münster gesehen. „Ich mag die Stadt sehr, es ist so friedlich hier“, sagt sie. Im münsterschen Labor extrahiert sie vor allem die RNA ihrer aus Äthiopien mitgebrachten Zellen, um sie dann mithilfe der Massenspektrometrie zu untersuchen. Das ist gar nicht so einfach, weil sich die Mikroorganismen nicht nur in der Natur, sondern auch gegenüber experimentellen Verfahren sehr widerstandsfähig zeigen. Wenn Lulit Wolde nach insgesamt drei Monaten wieder nach Hause fährt, ist sie sich sicher, dass sie von ihrem Besuch im deutschen Labor profitieren wird. „Ich habe schon jetzt meinen Horizont erweitert, viel über alternative Techniken und die Bedienung bestimmter Geräte gelernt“, sagt die 35-Jährige, die an ihrem heimischen Institut die einzige Frau im Forscherteam ist.

Obwohl es ihr in Münster gefällt, freut sie sich auf ihre Rückkehr. Zuhause wartet nämlich ihre fünfjährige Tochter auf sie, die für die Zeit des Forschungsaufenthalts bei Lulit Woldes Mutter in Addis Abeba lebt. Auch an ihre Universität zieht es Lulit Wolde zurück, wo sie ebenfalls als Dozentin arbeitet. „Ich habe die Verantwortung, mein hinzugewonnenes Wissen und meine Begeisterung für die Wissenschaft an die jungen Studierenden in Äthiopien weiterzugeben“, sagt sie. Sie hofft, dass sie auch nach ihrer Abreise weiter mit der deutschen Forschergruppe zusammenarbeiten kann. „Es ist so ein riesiges Feld, an dem wir arbeiten. Wir haben gerade erst begonnen.“ Und ihre nahen Zukunftspläne? Im Februar 2018 geht die nächste Reise der Forscherin voraussichtlich wieder nach Dallol. Aufgrund der enorm hohen Temperaturen von bis zu 46 Grad im Sommer ist der Jahresanfang das einzige Zeitfenster, in dem die Wissenschaftler dorthin fahren und Proben nehmen können. Proben, die bestimmt auch weiterhin in internationalen Laboren auf Interesse stoßen.