Textsorte: Sachtext

Im Zentrum des Fachprojekts Deutsch steht die strategische Erschließung von Sachtexten.
Als Sachtexte (auch pragmatische Texte, expositorische Texte oder Gebrauchstexte) werden Texte verstanden, die allgemeines Wissen über einen (fachexternen oder -übergreifenden) Sachverhalt darstellen und dieses an Laien vermitteln (vgl. Baurmann 2009). Sie zeichnen sich also durch eine klare Zweck- und Adressatenorientierung (vgl. Becker-Mrotzek 2013; Studienseminar Koblenz 2009) sowie durch einen Wirklichkeits- bzw. Faktenbezug (vgl. Klute 2006) aus.
Je nach Typologie, die wiederum immer aus einem spezifischen Forschungsinteresse resultiert, lassen sich dabei verschiedene Funktionen und damit Arten von Sachtexten (darstellend, informierend, appellierend, argumentierend, …) unterscheiden. Aus diesen Funktionen wiederum leiten sich je spezifische strukturelle und formale Textsortenmerkmale ab, die es bei der strategischen Erschließung dieser Texte zu beachten gilt.
Im Fachprojekt Deutsch werden vor allem (didaktisch aufbereitete) informierende Sachtexte eingesetzt, also Texte, die Laien entsprechend ihrer Voraussetzungen und ihres Vorwissens sachlich und allgemein über einen Gegenstand, einen Sachverhalt oder ein Ereignis informieren.
Im Kontext von Lesestrategietrainings ist diese Fokussierung auf Sachtexte keineswegs selbstverständlich. Zum einen werden in verschiedenen Lesestrategieprogrammen und sogar im Rahmen von Schulleistungsstudien wie PISA und IGLU zur psychometrischen Erhebung von allgemeinen Textverstehenskompetenzen oftmals gleichermaßen Sachtexte und literarische Texte eingesetzt. Zum anderen werden in Forschung und Praxis Sachtexte häufig mit Fachtexten gleichgesetzt. Dies suggeriert eine unproblematische Übertragbarkeit des strategischen Umgangs mit Sachtexten auf den Umgang mit Fachtexten sowie literarischen Texten. Davon distanziert sich das Fachprojekt Deutsch ausdrücklich.
Zur Begründung werden Sachtexte im Folgenden zum einen von Fachtexten, zum anderen von literarischen Texten abgegrenzt und damit verdeutlicht, dass die unterschiedlichen Textbereiche je unterschiedliche Zugänge und damit auch je spezifische Lesestrategien erfordern.

Sachtext vs. Fachtext

Sachtexte lassen sich aufgrund textinterner wie textexterner Merkmale von Fachtexten unterscheiden.
Zu den textinternen Merkmalen zählen u. a. die verwendete Sprache, die Einbettung des Themas in einen größeren Zusammenhang sowie der strukturelle Aufbau. So wird in Sachtexten, in denen über ein allgemeines, fachexternes bzw. -übergreifendes Thema informiert wird, meist eine allgemeine Bildungssprache verwendet. Im Gegensatz dazu zeichnen sich Fachtexte, die ein fachspezifisches Thema behandeln und bei der Darstellung den fachspezifischen Fragestellungen und Erkenntnisprozessen, also der Epistemologie des jeweiligen Faches folgen, durch die Verwendung von Fachtermini und eines fachsprachlichen Duktus (vgl. Roelcke 1999) aus.
Textexterne Unterscheidungskriterien sind zum einen die jeweilige Funktion des Textes, zum anderen die jeweiligen Adressaten. So dienen informierende Sachtexte der Vermittlung von allgemeinen Informationen zu einem Thema an Laien, während Fachtexte neben der Vermittlung von fachlichem Wissen auch als Mittel einer fachinternen (Experten-)Kommunikation fungieren und an (mehr oder weniger ausgebildete) Fachexpertinnen und -experten adressiert sind.
Insbesondere im schulischen Rahmen, in dem auch Fachtexte didaktisch aufbereitet und u. U. sprachlich und strukturell an die Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler angepasst werden, können auch der Kontext und die jeweilige didaktische Funktion ein entscheidendes Unterscheidungskriterium zwischen Sach- und Fachtexten sein. So werden Fachtexte im Fachunterricht häufiger als Lernmedien (vgl. Fenkart et al. 2010) eingesetzt, durch deren Rezeption spezifisches fachliches Wissen aufgebaut werden soll, während Sachtexte im Deutschunterricht als Lerngegenstände fungieren, durch die spezifische Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler – in unserem Fall ein strategischer Umgang mit Texten – gefördert werden sollen. Das jeweilige Thema des Textes spielt in diesem Zusammenhang eine eher untergeordnete Rolle.
Aus diesen Unterschieden zwischen Sach- und Fachtexten und den spezifischen Funktionen der Texte im Kontext des jeweiligen Faches, in dem sie eingesetzt werden, lassen sich auch unterschiedliche strategische Umgangsweisen mit den jeweiligen Texten ableiten. Während sich der Umgang mit Sachtexten durch allgemeine Lesestrategien auszeichnet, bedarf ein adäquater Umgang mit Fachtexten spezifischer Lesestrategien, die entsprechend der jeweiligen Epistemologie des Faches profiliert sind (vgl. Shanahan & Shanahan 2012).

Sachtext vs. literarischer Text

Literarische Texte und Sachtexte unterscheiden sich in ihren Funktionen sowie inhaltlichen und sprachlichen Gestaltungen grundlegend. Während sich literarische Texte v. a. durch ihre Literarizität, ihre Fiktionalitätsmerkmale, Ambiguitäten sowie ihre spezifische ästhetische Gestaltung auszeichnen, sind Sachtexte zumeist in einem sachlichen Stil und einer eindeutigen Sprache verfasst. Sie können zwar unterschiedlich leicht oder schwer zugänglich und verständlich sein, erfordern aber im Gegensatz zu literarischen Texten (zumeist) keine Interpretationen und lassen nicht grundsätzlich verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu. Außerdem referieren Sachtexte auf außertextliche Phänomene, benennen allgemeingültige Fakten und dienen der Informierung über einen Sachverhalt und der Vermittlung von Wissen zu einem bestimmten Zweck, während sich literarische Texte durch Selbstreferenzialität und Zweckfreiheit auszeichnen.
Zwar ist auch bei der Rezeption von literarischen Texten eine strategische Herangehensweise hilfreich, aufgrund der Verschiedenheit der Textbereiche sowie der Unterschiede der ablaufenden Verstehensprozesse bei der Erschließung der Texte differieren die jeweiligen Umgangsweisen mit den Texten jedoch erheblich.
Didaktische Modellierungen zur strategischen Erschließung von Sachtexten, die bei der Strukturierung der Texte, dem Filtern relevanter Informationen sowie der Bildung lokaler und globaler Kohärenzen hilfreich sind, haben innerhalb der Lesedidaktik schon lange Bestand. Die fachliche und fachdidaktische Modellierung eines strategischen Umgangs mit literarischen Texten steht jedoch noch immer aus (zu ersten Ansätzen s. Schilcher & Pissarek 2018; Leubner et al. 2016).