Routen der Reformation: Tecklenburg

Die Stadt Tecklenburg mit der namengebenden Festung war im Reformationszeitalter neben dem Schloss in Rheda als Zentrum der gleichnamigen Herrschaft der Sitz der Grafen von Tecklenburg. Seit dem Ende der 1520er Jahre lassen sich für dieses Territorium reformatorische Maßnahmen durch den damaligen Landesherrn Graf Konrad von Tecklenburg (1501–1557) feststellen. Offiziell führte dieser die Reformation in seinen Herrschaftsgebieten mit dem Erlass einer lutherischen Kirchenordnung 1543 ein. Während seine Erbtochter Anna (1532–1582), die auch die Grafschaften Bentheim und Steinfurt durch Eheschließung mit Tecklenburg-Rheda herrschaftlich verbinden konnte, bis zu ihrem Tod dem Luthertum treu blieb, führte ihr Sohn Arnold von Bentheim-Tecklenburg-Steinfurt (1554–1606) mit einer neuen Kirchenordnung 1588 das reformierte Bekenntnis in seinen Landen ein. Persönlich hatte sich der Graf bereits seit den 1570er Jahren dem Reformiertentum zugewandt.

Zur Reformationsgeschichte Tecklenburgs

Die Einführung der Reformation prägt das Tecklenburger Land konfessionell bis heute. Auch im Stadtbild Tecklenburgs haben sich Spuren dieses historischen Prozesses erhalten.

  • Wappenfries am Burgtor

    Der Wappenfries über dem heute noch erhaltenen Burgtor der Tecklenburg stammt zwar nicht unmittelbar aus der Reformationszeit, dennoch stellt er eine Folge dieser konfessionellen Veränderung in der Grafschaft Tecklenburg dar. Durch die Hinwendung zum Reformiertentum 1588 war der Heiratskreis der Tecklenburger Grafen stark eingeschränkt worden. So kamen nur noch reformiert-evangelische Fürstenfamilien für standesgemäße Ehen infrage. Der Wappenfries verdeutlicht eine solche Verbindung des regierenden Grafen Mauritz von Bentheim-Tecklenburg (1615–1674) mit Johanna Dorothea aus dem geographisch weit entfernten Haus Anhalt-Dessau im Jahr 1636. Auf dem reich gestalteten Fries des 1657 errichteten Torhauses sind die Wappen der Vorfahren der beiden Eheleute dargestellt. Getrennt von einer Frauenfigur in Rüstung, die als Minerva gedeutet wird, sind von links nach rechts folgende Wappen auszumachen: Hessen, Nassau, Neuenahr, Nassau, Bentheim-Tecklenburg, Anhalt, Pfalz-Bayern, Barby, Sachsen und Brandenburg.

    Wappenfries am Burgtor
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  • Tecklenburger Altstadt

    Mit seiner Hinwendung zur Reformation seit den 1520er Jahren führte Graf Konrad von Tecklenburg seine Herrschaftsgebiete Tecklenburg und Rheda in ein ungewisses Fahrwasser. Denn vor dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 konnte noch niemand wissen, dass den Anhängern der Confessio Augustana dauerhaft ihre freie Religionsausübung zugestanden werden würde. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts für ein neues Bekenntnis einzustehen und sich gegen die alte Kirche zu wenden, war also ein mutiger und ungewisser Schritt. 1538 trat Konrad dem Schmalkaldischen Bund bei, dem militärischen Bündnis der deutschen protestantischen Fürsten und Städte. Damit drohten dem Landesherrn und seinen Untertanen auch kriegerische Folgen. Aus diesem Grund ließ Konrad die Burg Tecklenburg den damaligen militärischen Bedürfnissen anpassen. An diese Maßnahmen erinnert noch heute eine Inschrift an der westlichen Burgmauer zum Hagen hin: „Cordt Greve unde Heer tho Teckeneborg Anno MDXXXVIII“ (1538).
    Zudem legte Graf Konrad in dieser „heißen Phase“ der Reformation nach italienischem Vorbild und der weiterentwickelten Waffentechnik folgend eine Bastion an, die aber durch die folgenden konfessionellen und politischen Entwicklungen militärisch nutzlos und überschüttet wurde. So geriet diese Anlage, die im Nord-Osten der Burg lag, in Vergessenheit und wurde erst 1944 im Zuge des Bauvorhabens eines Luftschutzstollens wiederentdeckt.
    Um ein möglichst freies Schussfeld nach Süden hin zu erreichen, wurde die bis in die 1530er Jahre erfolgte Bebauung niedergelegt und das unterhalb der Burg gelegene Terrain erhöht und begradigt, wie archäologische Untersuchungen gezeigt haben. Als sich aber nach dem Ende des von den Protestanten verlorenen Schmalkaldischen Krieges (1546/47) und nach dem Augsburger Religionsfrieden die konfessionspolitische Lage entspannt hatte, wurde unter der Regierung der Tochter Konrads, Gräfin Anna, die Tecklenburger Altstadt neu aufgebaut. Neben einem weiteren Torhaus, das 1577 errichtet wurde und seit Mitte des 17. Jahrhunderts als Leinenprüfstelle („Legge“) diente, stammt die Anlage des Marktplatzes mit der Linde und einigen Gebäuden aus dieser Epoche. Auch die Vorgängerbauten des sogenannten Meesenhofes und der alten Pastorat (Kummacher Str. 4) wurden damals angelegt.

    Linde am Markplatz Tecklenburg
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    Marktplatz Tecklenburg
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    Legge
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  • Stadtkirche Tecklenburg

    Das Kirchenschiff der Tecklenburger Stadtkirche St. Georg ist ein Zeugnis aus der Reformationszeit. Im Zuge der militärischen Aufrüstung der hiesigen Burg ab 1538 im Kontext der heißen Phase des Konfessionskonfliktes und des Schmalkaldischen Krieges (1546/47) wurde die Bebauung im Bereich der heutigen Tecklenburger Altstadt abgebrochen, um ein freies Schussfeld nach Süden und Südosten zu erhalten. Auch die sich damals in diesem Bezirk befindende St. Georgskapelle wurde abgebrochen. Nachdem sich die politisch-konfessionelle Situation nach dem Augsburger Religionsfrieden beruhigt und gefestigt hatte, begann unter der Regierung des Grafen Everwin III. von Bentheim-Tecklenburg-Steinfurt (1536–1562) und nach dessen Tod unter seiner Witwe Anna von Tecklenburg die Neubebauung der Fläche. Im Zuge dieser erneuten Besiedlung wurde auch die Tecklenburger Stadtkirche zwischen 1562 und 1566 errichtet. Diese Baudaten sind durch eine erhaltene Inschrift dokumentiert. Der barocke Turm wurde erst um 1720 fertiggestellt. Zuvor hingen die Glocken an einem auf dem Kirchhof aufgestellten Holzgestell. Im Innern der Kirche befinden sich die Grabdenkmäler des Grafen Konrad von Tecklenburg (1501–1557) und seiner Gemahlin Landgräfin Mechthild von Hessen (um 1490–1558).

    ev. Stadtkirche in Tecklenburg
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    Grabdenkmal des Konrad von Tecklenburg

    In der Tecklenburger Stadtkirche befindet sich das Grabdenkmal des Grafen Konrad von Tecklenburg (1501–1557), der die lutherische Reformation in seinen Herrschaftsgebieten Tecklenburg und Rheda eingeführt hatte. Das Epitaph, das um 1557 von Johann Brabender aus Baumberger Sandstein gearbeitet wurde, ist daher ein wichtiges Zeugnis der Reformation. Es zeigt die lebensgroße, vollplastische Liegefigur des Grafen (1, 71 m Höhe). Teils auf einem Sockel stehend, ist er mit übereinandergeschlagenen Armen auf einem Kissen zur Ruhe gebettet. Diese als liegende Position zu interpretierende Haltung ist eine seit dem Hochmittelalter charakteristische Art der Darstellung. Graf Konrad ist bewaffnet, mit einem prachtvollen und detailiert herausgearbeiteten Harnisch bekleidet und mit reicher Helmzier geschmückt. Somit ist seine weltlich-kriegerische Stärke visualisiert. Diese traditionelle Darstellung ist also noch nicht dezidiert reformatorisch. Seinen Bezug zur neuen Lehre erhält das Grabdenkmal aber durch die Inschrift, in der das Vertrauen Konrads auf die göttliche Gnade deutlich wird:

    ANNO D[omi]NI XVc LVII [1557] DI[E] VI. MAII IST DER WOLGEBORNN VNND EDELL HER CUNNRADT GRAVE ZU TECKELNBURG VN[T] [H]ER ZV REDE [ZO?] NACH DE[M] WILLEN GODTS MIT TODT ABGANGE[N] DEM GODT GNADE

    Grabdenkmal des Konrad von Tecklenburg
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    Epitaph der Mechthild von Hessen

    Ebenfalls in der Tecklenburger Stadtkirche befindet sich das Epitaph der Gattin Konrads von Tecklenburg, der Landgräfin Mechthild von Hessen ( 1558). Sie war die Cousine eines Vorreiters der Reformation: des Landgrafen Philipp I. von Hessen (1504–1567). Die Verstorbene – als Vollplastik ausgeführt und von vier Wappen gerahmt – kniet betend vor Jesus am Kreuz. Obwohl die Darstellung vom Kreuzestod des Heilands auch im Katholizismus der Zeit verbreitet ist, soll hier vermutlich versinnbildlicht werden, dass nicht Werkfrömmigkeit, sondern einzig und allein das Vertrauen auf den Kreuzestod Christi die Sündenschuld des Menschen tilge. Hier zeigt sich die neue Form des Andachtsbildes. Der Opfertod Christi am Kreuz veranschaulicht das Sola gratia – ‚allein durch die Gnade‘ –, also das Vertrauen auf die Erlösung durch die göttliche Gnade. Darauf verweist eindeutig auch die Inschrift:

    An[n]o 1588 distages de[n] VI Augusti ist de Hochgeborne Fürst[lich]e Frawe Mechtelt gebor[ne] La[n]tgräfi[nn]e to Hesse[n] Grave[n] to Teckelnborch Wedwe in Godt v[er]stove[n] [!] der Godt genad A[me]N

    Epitaph der Mechthild von Hessen
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    Opferstock

    Ebenfalls aus der Zeit der Errichtung der Tecklenburger Stadtkirche dürfte der Opferstock stammen, der hier die evangelische Einrichtung des „Gemeinen Kastens“ repräsentiert. Vor der Reformation wurde die Armenfürsorge vorwiegend durch sogenannte Memorialstiftungen finanziert. Gläubige stifteten Kirchen, Klöstern oder einem Priester Geld, um mit diesen finanziellen Mitteln die Armen zu unterstützen und zu speisen. Im Gegenzug sollten die Armen für das Seelenheil des Stifters oder für bereits verstorbene Verwandten desselben beten. Man glaubte, so die qualvolle Zeit der Seele im Fegefeuer verkürzen zu können. Mit der Reformation war allerdings der Glaube an Fegefeuer und Werkfrömmigkeit in evangelischen Regionen geschwunden. Die Stiftungsgelder wurden hier nun in einen ‚Vermögenstopf‘ überführt, eben den Gemeinen Kasten. Alles Stiftungsgeld konnte dort verwahrt und dann den Armen zugeleitet werden. Die Gläubigen sollten nicht mehr stiften, um ihre eigene Seele oder die anderer zu retten, sondern die Armen freiwillig und aus Nächstenliebe unterstützen.

    Opferstock in der ev. Stadtkirche in Tecklenburg
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    Grabmal eines unbekannten Ritters

    An der südlichen Außenwand der evangelischen Stadtkirche ist ein weiteres Grabmal angebracht. Auf ihm ist ein Ritter in voller Rüstung und mit gefalteten Händen als Ritzzeichnung dargestellt. Ehemals dürften sich vier Wappenbilder in den Ecken der Sandsteinplatte befunden haben. Die Inschrift ist zwar größtenteils nicht mehr erhalten, jedoch bezeugt die Jahreszahl 1575 und die typisch evangelische Grabzeichenformel „yn Godt Entla[pen]“, dass wir ein Zeugnis der Reformation vor uns haben. Aufgrund des Sterbedatums lässt sich vermuten, dass es sich bei dem Verstorbenen um Christopher von Tecklenburg, Drost der Grafschaft Tecklenburg, gehandelt hat, der ein unehelicher Sohn des dem Luthertum anhängenden Grafen Konrad von Tecklenburg (1501–1557) gewesen sein soll.

    Grabplatte eines unbekannten Ritters
    © IStG

Literatur

Gabriele Böhm, Evangelische Stadtkirche Tecklenburg, Münster u.a. 2012 (Westfälische Kunststätten 113).

Gabriele Böhm, Tecklenburg. Historischer Stadtrundgang, 2., überarb. Aufl., Münster u.a. 2013 (Westfälische Kunststätten 72).

Werner Freitag, Reformation in Westfalen. Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikt und Koexistenz, Münster 2016, S. 173–192.

Brigitte Jahnke, Tecklenburg von Ackerbürger bis Zwanzigstes Jahrhundert, Tecklenburg 1994.

Helmut Naumann, Der Wappenfries am Burgtor der Tecklenburg, in: Unser Kreis 1992. Jahrbuch für den Kreis Steinfurt 5 (1991), S. 211–219.

Die Brabender. Skulptur am Übergang vom Spätmittelalter zur Renaissance, hrsg. v. Hermann Arnhold, Münster 2005.