KleverHerzoege
Die sechs Klever Herzöge, Adolf I., Johann I., Johann II., Johann III., Wilhelm V. und Johann Wilhelm (v.l.n.r.), ausgestellt im Städtischen Museum Haus Koekkoek in Kleve.
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Via media

Einen Mittelweg zwischen der neuen und der alten Lehre beschritt das vereinigte Herzogtum Jülich-Kleve-Berg mit seiner ‚humanistischen Reform‘. Beeinflusst von den Lehren Erasmus‘ von Rotterdam, versuchten die Herzöge, Einfluss auf die Kirchenpolitik in ihrem Herrschaftsbereich zu nehmen. Dabei strebten sie nicht danach, die katholische Kirche abzuschaffen, sondern diese zu modernisieren und zu verändern. Um die Einheit der Kirche zu gewährleisten, wurden dem formal vorherrschenden katholischen Ritus lutherische Elemente hinzugefügt: Unter Beibehaltung der katholischen Liturgie gestattete Herzog Wilhelm V. 1558 die Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt, einer der zentralen Forderungen der Reformation. Die deutsche Messe lehnte er hingegen ab. Die Einführung einer Landeskirche war nicht nur der Wunsch lutherischer Landesherren: Im Zuge der via media strebte der Herzog ebenfalls nach der Etablierung eines eigenen Kirchenregiments und griff dazu auf die Einführung einer eigenen Kirchenordnung zurück, deren Einhaltung er mittels Visitationen überprüfte. Der Erlass der Kirchenordnung von Jülich-Kleve-Berg erfolgte bereits 1532 und erfuhr im folgenden Jahr eine Überarbeitung. Inhaltlich knüpfte die Kirchenordnung in einigen Punkten an die Forderungen Luthers an, behielt dabei jedoch zentrale Elemente der katholischen Kirche bei. Ein wesentlicher Bestandteil der Ordnung war es, auf „konfessionelle Polemik und Spaltung“ zu verzichten und eine reine Lehre des Evangeliums festzuschreiben. Während die Realpräsenz Christi im Abendmahl bejaht und eine Werkfrömmigkeit im Sinne der katholischen Kirche betont wurde, griff die Kirchenordnung gleichzeitig die lutherische Lehre von der Gnade Gottes auf und versuchte, eine vermittelnde Position zwischen den beiden Bekenntnissen einzunehmen. Ziel der Reform Wilhelms V. war eine „an der Bibel orientierte Frömmigkeit“ (Werner Freitag) in Verbindung mit einer besseren Seelsorge.

Die Reformbestrebungen Jülich-Kleve-Bergs strahlten nicht nur auf die zum Herzogtum gehörigen Grafschaften Mark und Ravensberg aus, sondern berührten auch die formal unabhängige, de facto aber vom großen Nachbarn beeinflusste Reichsstadt Dortmund sowie das Reichsstift Essen, die sich der Kirchenpolitik des Herzogs nur schwer entziehen konnte.

Die humanistisch-irenische Reform der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg währte mit Unterbrechungen das ganze 16. Jahrhundert; den Lutheranern wurde zwar gegen dessen Ende die Religionsfreiheit gewährt, nicht aber das exercitium publicum, das heißt die Gewährung von Pfarrrechten und die öffentliche Religionsausübung. Damit konnte formal in Stadt (und Land) kein neues Kirchenwesen errichtet werden. Die humanistische Reform scheiterte jedoch, da mit dem Kölner Erzbischof und mit den Bischöfen, die für die Grafschaft Ravensberg zuständig waren, nicht kooperiert wurde. So wurden etwa die Reformen, die die Bischöfe im kaiserlichen Auftrag 1548 vorzunehmen hatten (Formula reformationis), abgelehnt; im Zweifel ging für den Herzog und seine Räte der politische Herrschaftsanspruch vor. Zudem waren im Sinne der Reform (aus-)gebildete Pfarrer Mangelware. Die Kleriker, die von den Räten in den herzoglichen Patronatspfarren eingesetzt wurden, erwiesen sich dann oft als eigentliche Lutheraner, später auch als Reformierte. Auch katholische ‚Pfründenjäger‘ sind nachzuweisen. Im späten 16. Jahrhundert ist das Gebiet der humanistischen Reform also ein Mosaik aus katholischen (Bochum), lutherischen (die Mehrzahl der Städte), reformierten (Hamm, Kamen) und gemischt-liturgischen Pfarreien.
Erst nach dem Dynastiewechsel 1609 wurde in den vereinigten Territorien die Synode eingerichtet, auf der sich reformierte Pfarrer nebst einigen Laien (Kirchenälteste) bzw. lutherische Pfarrer trafen, um über Lehre, Personal und Organisation zu entscheiden.

Herzogtum Jülich-Kleve-Berg

Grafschaft Mark

Grafschaft Ravensberg

Reichstadt Dortmund

Reichsstift Essen

URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/viamedia/index.html

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