Städtische Reformation

Die Reformation in der Stadt folgte besonderen Verlaufsformen. Das lag zunächst einmal daran, dass hier andere Strukturen vorherrschten als auf dem Land. In den Städten gab es religiöse Gruppen wie die Fraterherren, Augustinereremiten oder andere Bettelorden, bei denen die neuen Impulse aufgrund ihrer Lehren auf fruchtbaren Boden fielen. Da sie zum Teil direkte Kontakte nach Wittenberg besaßen, wirkten die religiösen Gruppen in der Stadt als Multiplikatoren für die Lehren Luthers. Zudem ermöglichte der genossenschaftliche Charakter der Stadt den Zusammenschluss um der Reformation willen. Ferner boten die Städte die nötige Infrastruktur: Plätze und Kirchhöfe, auf denen sich Menschen versammeln konnten. Rathäuser standen für Disputationen zur Verfügung. Nachrichten und Druckschriften verbreiteten sich im Kommunikationsraum Stadt schnell. Soziale Spannungen, die einen wichtigen Teil der religiösen Dynamik ausmachten, waren in der Stadt spürbarer.
Die reformationswilligen Bürger – angeleitet von den Prädikanten – machten ihre Anliegen auf Versammlungen deutlich, wählten Ausschüsse und unterstützten den Wunsch nach Disputationen. Sie beteiligten sich an Bilderstürmen und überreichten dem Rat ihre Forderungen nach Einführung der neuen Lehre und nach neuen Predigern, nach der Amtsenthebung der „papistischen“ Kleriker und nach der Aufhebung der Klöster. Das Vorgehen und die Forderungen waren unrechtmäßig, denn alle Regelungen des Kirchenrechts und die bischöflichen Kompetenzen sollten außer Kraft gesetzt werden. Die Ratsherrschaft wurde in Frage gestellt, es sei denn, den Forderungen wurde nachgegeben. Da die Idee von Stadt aber den Schwur rechtsgleicher Bürger und deren Eintracht zur Grundlage hatte, musste eine Lösung des Konfliktes gesucht werden. Schwur und Eintracht verbanden sich wie im Spätmittelalter mit der Idee der Sakralgemeinschaft. Eintracht konnte also nur dann wiederhergestellt werden, wenn die neue religiöse Wahrheit durchgesetzt wurde. Die ganze Stadt musste folglich die Reformation annehmen, um das Heil der Sakralgemeinschaft zu sichern. Dieser Forderung folgte der Rat als Organ der Bürgerschaft. Die dann erfolgende gegenseitige Erneuerung der Eide, des Bürgereides und des Verpflichtungseides des Rates, konstituierte den Zusammenschluss der Bürger aufs Neue. Der Rat galt nun wieder als legitimes Organ der Bürger und er definierte sich stärker als zuvor auch als gottgewollte Obrigkeit. Er garantierte religiöse Wahrheit und Eintracht. Allerdings mussten zu Absicherung der Reformation Verhandlungen mit dem Stadtherrn aufgenommen werden. In diesen Verträgen wurden dann vielfach Zugeständnisse gemacht, so dass etwa Stifte und kirchliche Einrichtungen als katholische Inseln in der Stadt bestehen bleiben durften.
In den Landstädten scheiterten die Reformationsbestrebungen zumeist, weil sie keine ausreichende Größe und Autonomie besaßen und unter starkem Einfluss des Landesherrn standen. Hinzu trat, dass die erforderliche Infrastruktur (z.B. Reformatoren) hier nicht in ausreichendem Maße vorhanden war.
Entsprechend war eine Reformation, wie sie oben in einer Art Idealschema dargestellt wurde, nur in den Städten mit einer gewissen Autonomie möglich, exemplarisch wird hier auf einige Städte, wie die Reichsstadt Dortmund oder das formell der Grafschaft Mark zugehörige, tatsächlich aber weitgehend autonom verwaltete Soest mit der umliegenden Börde, dem städtischen Territorium, eingegangen.

Reichsstadt Dortmund

Soest mit Börde

Bischofsstadt Osnabrück

Bischofsstadt Minden

Bischofsstadt Münster

Bischofsstadt Paderborn

Reichsstift Essen

URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/staedtischereformation/index.html

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