Prill1Nachruf auf Prof. Dr. Ulrich Prill                                          


Am 6. Juli 2010 ist unser Kollege Prof. Dr. Ulrich Prill im Alter von 50 Jahren gestorben. Mit ihm verliert das Romanische Seminar einen geschätzten Romanisten, der im Jahr 2002 zusammen mit weiteren neuen Vertretern des Faches Romanistik an die Westfälische Wilhelms-Universität berufen worden war und die Romanische Philologie mit dem Schwerpunkt ältere und neueste französische Literatur vertreten hat. In der Rückschau liegen der Generationswechsel und der neue Aufbruch noch nicht lange zurück, und es fällt schwer, sich zu vergegenwärtigen, dass ein Lebensweg und die mit ihm verbundene wissenschaftliche Laufbahn beendet sein sollen.

Ulrich Prill wurde am 25. Januar 1960 in Düsseldorf geboren. Er studierte zunächst Französisch und Evangelische Theologie an der RWTH Aachen; ein Promotionsstudium, das die drei großen romanischen Philologien umfasste, schloss sich an. 1988 wurde Ulrich Prill bei Hans Felten mit einer Arbeit zum Thema „… – sind das nicht Zeichen der décadence?“ Zur Textkonstitution des Fin de siècle am Beispiel Elémir Bourges: Le Crépuscule des Dieux (Bonn 1988) promoviert. Er habilitierte sich 1997 im Fach Romanische Philologie an der Philosophischen Fakultät der TU Chemnitz mit einer Habilitationsschrift zur spanischen Literatur. Sie wurde 1999 unter dem Titel „Wer bist du – alle Mythen zerrinnen“: Benito Pérez Galdós als Mythoklast und Mythograph (Bern) publiziert. Von 1994 bis 1999 war Ulrich Prill wissenschaftlicher Mitarbeiter an der neu gegründeten Philosophischen Fakultät in Chemnitz und wirkte bei ihrem Aufbau mit, bevor er zum Wintersemester 1999 in Mainz/Germersheim eine Professur für Romanistik antrat.  Eine weitere Monographie war bereits 1999, nunmehr zur italienischen Literatur erschienen: eine Einführung und Synthese zu Dante (Stuttgart, Weimar); 2002 folgte ein Buch, das mit Ernst Jünger einem deutschen Autor des 20. Jahrhunderts gewidmet war: „mir ward Alles Spiel“. Ernst Jünger als homo ludens (Würzburg). Die Auszeichnung mit dem Ernst-Jünger-Stipendium des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg im Jahr 1998 hatte Ulrich Prill einen längeren Aufenthalt am Deutschen Literaturarchiv in Marbach ermöglicht, währenddessen er das neue Buch konzipierte und schrieb. In seiner Zeit in Münster sind eine Reihe von weiteren Publikationen entstanden, die den Blick auf die Kunst in der Region, die Theaterbühnen Nordrhein-Westfalens, aber auch auf die Romania in ihrer Vielfalt lenken, so der Band „Versos de amor, conceptos esparcidos…“. Diskurspluralität in der romanischen Liebeslyrik (2003), den Ulrich Prill zusammen mit Kollegen zu Ehren von Hans Felten herausgegeben hat.

Seit Beginn seiner Berufung an das Romanische Seminar in Münster vertrat Ulrich Prill auch in der Lehre alle drei großen romanischen Literaturen in interdisziplinärer Perspektive. Seine Forschungsinteressen erstreckten sich von der Literatur des Mittelalters bis zur Rezeption von Mythen und Konstruktion von Mittelalterbildern in der Literatur und im Film des 20. und 21. Jahrhunderts; seine Liebe für die klassische Musik, insbesondere für die Oper, verband sich in Seminaren mit den literarischen Themen Ästhetizismus und Dekadenz. In Ulrich Prill vereinten sich philologisches und kritisches Interesse mit wissenschaftlicher Neugierde für grenzüberschreitende Gegenstände. In seiner großen Freundlichkeit, in seiner heiteren und aufgeschlossenen Art, seiner Bereitschaft zu Frage und Diskussion und seiner Begeisterung für sein Fach war er ein sehr beliebter Universitätslehrer und geschätzter Kollege. In der Vielfalt seiner Themen hat er den Studierenden den breiten Kanon der romanischen Literaturen vor Augen geführt. Seine wissenschaftlichen Ansätze in Forschung und Publikationen auch in Münster auszufächern und zu vertiefen, ist ihm aufgrund seiner Erkrankung nicht vergönnt gewesen. Das Romanische Seminar der Universität Münster trauert um Ulrich Prill.
Prof. Dr. Karin Westerwelle


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