EXC 2060 B3-11 - Vertragsrecht zwischen Legistik und Kanonistik
Projektzeitraum
Projektstatus
laufend
Mittelgeber
DFG - Exzellenzcluster
Förderkennzeichen
EXC 2060/1
Beschreibung
Das Projekt widmet sich der Frage, wie und zu welchen Zwecken man sich in Diskursen seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart auf aequitas beruft. Diese Frage verbindet naturgemäß zunächst Juristen, Philosophen und Theologen, wenn etwa bei der Entscheidungsfindung außerrechtliche Instanzen herangezogen werden und deshalb die Billigkeitslehre der nikomachischen Ethik (Epikie) ebenso von Bedeutung ist wie die spätere inhaltliche Aufladung der aequitas unter dem Einfluss des Christentums. Das Phänomen ist aber auch von allgemeinhistorischem Interesse. Wenn rechtliche, theologische und politische Auseinandersetzungen schon grundsätzlich nicht aus ihrem gesellschaftlichen Kontext zu lösen sind, gilt das in besonderem Maße dort, wo man sich ausdrücklich auf religiöse Überzeugungen oder ethisches Empfinden stützt. Ungeachtet dessen ist die bisherige Forschung zur eingangs umrissenen Frage allerdings weitgehend disziplingebunden geblieben, hat sich beispielsweise auf die aequitas canonica im Kirchenrecht oder auf den Gegensatz von ius aequum und ius strictum im weltlichen Recht konzentriert.In einem ersten Teil soll das Projekt die bislang bestehenden Grenzen aufbrechen und sich der Verwendung von aequitas als Legitimationstopos in einem historisch-vergleichenden Zugriff widmen. Im Dialog zwischen Juristen, Theologen, Philosophen und Historikern gilt es herauszuarbeiten, in welcher Funktion sich aequitas-orientierte Argumentation seit dem Aufblühen von Legistik und Kanonistik im Mittelalter bis in die Gegenwart entfaltet hat. Davon ausgehend soll ermittelt werden, inwieweit und mit welcher Berechtigung aequitas jeweils Einfallstor für welche externen Wertvorstellungen gewesen ist und was die Kriterien gesteuert hat, nach denen die Berufung auf aequitas zulässig war. Parallel zu diesem ersten Projektteil wird in einem zweiten Teil mit einer eigenständigen vertiefenden Untersuchung erschlossen, von welchen Vorstellungen zu aequitas-basierter Argumentation sich die Rechtswissenschaft zu Beginn ihrer „Renaissance" an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert hat leiten lassen. Ausgeleuchtet werden soll damit vor allem, wie sich die Autorität der antiken Quellen begründet und ob sie sich womöglich erst allmählich verfestigt hat. Insgesamt will das Projekt so den Blick für die enge Verzahnung von Religion, Recht und staatlichen Entscheidungen jenseits der schon heute vielbeachteten materiellen Phänomene (etwa zur Lehre vom gerechten Preis) auf grundsätzlicher Ebene schärfen.