Überraschendes aus Österreichs Himmel – Neue Erkenntnisse zum Kindberg-Meteoriten
Vor genau fünf Jahren, in den frühen Morgenstunden des 19. November 2020, erleuchtete eine außergewöhnlich helle Feuerkugel den Himmel über Teilen Deutschlands, Österreichs und Italiens. Dabei handelte es sich um einen Meteoroiden, der beim Eintritt in die Erdatmosphäre durch seine enorme Geschwindigkeit ein gleißendes Leuchten erzeugte.
Dank des europäischen Feuerkugelnetzwerks konnte der ungefähre Einschlagsort rasch eingegrenzt werden. Die tatsächliche Suche gestaltete sich jedoch aufgrund der winterlichen Bedingungen schwierig. Erst im darauffolgenden Sommer wurde schließlich bei Kindberg in der Steiermark ein Fragment des Meteoriten mit einem Gewicht von 233 g gefunden. Damit reiht sich der Meteorit als fünfter überhaupt in die Reihe der beobachteten Meteoritenfälle Österreichs ein.
Nach seiner Klassifikation als schwach geschockter L6-Chondrit wurde es um den Fund jedoch still – bis jetzt. „ ‚Kindberg‘ mit seinen typischen schwarzen Schockadern eignet sich als ideales ‚frisches‘ Studienobjekt für Infrarot-Messungen auf der Suche nach Effekten, die im Zusammenhang mit den Schockadern stehen und gleichzeitig im Infraorten sichtbar sind“ erklärt Prof. Dr. Addi Bischoff. „Danach haben wir gesucht, denn diese Informationen sind für die Fernerkundung z.B. für das Infrarotspektrometer MERTIS wichtig“ ergänzt Dr. Maximilian Reitze. Daher stellte das Institut für Planetologie der Universität Münster Anfang dieses Jahres eine Probenanfrage beim Naturhistorischen Museum in Wien, um den Geheimnissen des Kindberg-Meteoriten auf die Spur zu kommen.
Unter Federführung um die Planetologen Prof. Dr. Addi Bischoff, Dr. Iris Weber und Dr. Maximilian Reitze von der Universität Münster befasste sich dann ein deutsch-französisch-österreichisches Forschungsteam mit der Analyse des kosmischen Bruchstücks – mit überraschenden Ergebnissen, welche jetzt im renommierten Fachjournal „Meteoritics & Planetary Science“ erschienen sind.
„In dem Gestein entdeckten wir unter anderem das seltene Mineral Wadsleyit, das nur unter extrem hohen Drücken aus Olivin entsteht“ sagt Dr. Maximilian Reitze. Diese Hochdruckphase tritt neben Ringwoodit und Majorit in winzigen Bereichen auf. Erst durch den Einsatz des Infrarot-Spektrometers mit Mikroskop am Institut für Planetologie konnten die Wissenschaftler die besonderen Minerale identifizieren.
Auf der Erde bilden sich solche Hochdruckphasen normalerweise nur tief im Erdmantel – weit unterhalb der erreichbaren Tiefe – oder künstlich im Labor. Im Fall des Kindberg-Meteoriten entstanden sie durch heftige Zusammenstöße seines Mutterkörpers mit anderen Asteroiden im Asteroidengürtel, rund 250 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.
„Die Entdeckung belegt, dass selbst in schwach geschockten Meteoriten Hochdruckphasen entstehen und erhalten bleiben können“ führt Prof. Dr. Bischoff aus.
Diese Erkenntnis ist nicht nur für die Meteoritenforschung relevant: „Das neue Wissen liefert uns wertvolle Hinweise für die Fernerkundung von Asteroiden und Gesteinsplaneten wie Merkur“ erklärt Dr. Maximilian Reitze. Wenn Hochdruckphasen bereits bei geringer Schockbelastung auftreten, könnten sie bei stärker geschockten Gesteinen noch häufiger vorkommen. Dies muss bei der Interpretation von Spektraldaten solcher Körper berücksichtigt werden.
„Die aktuellen Ergebnisse dienen uns daher als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen – insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Erforschung des Merkurs mit dem MERTIS-Instrument an Bord der ESA-Mission BepiColombo“ fasst Dr. Iris Weber zusammen. An dieser wissenschaftlichen Mission ist das Institut für Planetologie auch beteiligt.
Für weitere Informationen oder Presseanfragen:
Dr. Maximilian P. Reitze
Institut für Planetologie
maximilian.p-reitze@uni-muenster.de
0251 83 34720 (Reitze)
Originalpublikation
Addi Bischoff, Maximilian P. Reitze,,Julia Roszjar, Markus Patzek, Jean-Alix Barrat, Jasper Berndt, Tommaso Di Rocco, Andreas Pack, and Iris Weber: Kindberg, the 5th meteorite fall in Austria: A weakly shocked L6 chondrite breccia with high-pressure phases.
Meteorit Planet Sci. DOI: https://doi.org/10.1111/maps.70072
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