Musiktherapie in der Schule

Im Zauberwald des Spiels

Flowbewusstsein und Gegenwartsmoment in der musikalischen Improvisation mit Kindern

Doktorandin: Annegret Nolte, Dipl. Musiktherapeutin, Musklehrerin
Kontakt nolte.annegret@gmx.de
Betreuung: Prof. Dr. Rosemarie Tüpker

Das Promotionsprojekt will einen Beitrag zur qualitativen Grundlagenforschung im Bereich Kindermusiktherapie an der Schule leisten. Forschungsmaterial bilden musiktherapeutische Improvisationen, die mit Schulkindern im Alter von 7 bis 12 Jahren der Varmárskolí, Mosfellsbaer, Island durchgeführt und per Tonaufnahme dokumentiert und qualitativ, deskriptiv ausgewertet werden..D

as Spiel im Allgemeinen ist für die psychisch-geistige und emotionale Reifung des Kindes elementar wichtig und verlangt in der musiktherapeutischen Arbeit mit Kindern eine besondere Beachtung. Im Spiel der musikalischen Improvisation betreten Kinder einen seelischen Raum, der im Projekt als Zauberwald beschrieben wird. Im Zauberwald begegnen Kinder sich selbst und ihrer Umwelt. Sie verarbeiten im Spiel Erfahrungen, bewegen sich in Gefühlen und in symbolisch-präverbalen Welten und bringen sich zum Ausdruck. Im Zauberwald des Spiels erobern Kinder die Welt: Sie probieren aus, sie verwandeln, sie wagen etwas, sind selbstwirksam.

Es sind zwei Richtungen des Spielprozesses sichtbar. Es verklanglicht sich zum einen die innere Welt des Kindes nach außen hörbar und zum anderen wird die äußere Welt durch den gespielten symbolischen Klang in ein Selbstobjekt des Kindes verwandelt.

Diese beiden Richtungen beschreiben einen dynamischen Prozess der kindlichen Entwicklung und bilden sich in der musikalischen Improvisation ab. Den Höhepunkt dieser Dynamik findet in einer Phase des Flowerlebens statt. Es handelt sich dabei um ein vollkommenes sich Gewahrwerdens der Hier-und-Jetzt-Zeit, in der Handeln und Bewusstheit eine Einheit bilden, wie es Mikhael Csikszentmihalyi in seiner Forschung zum Flow charakterisiert. Von Außen betrachtet wirkt das Kind ganz bei sich selbst, versunken in seiner Welt des Spiels. Zeit spielt keine Rolle mehr. Im Flow ist das Kind subjektiv auf sich selbst bezogen, selbstsicher, selbstzufrieden, es spürt genau, was zu tun ist. Es ist losgelöst von der objektiven, begrifflichen Welt und bewegt sich statt dessen in der Dynamik des Spielprozesses und macht das, was notwendig ist, um den subjektiven Sinn des Spielmomentes zu erfüllen. Flowerleben entfaltet sich im Gegenwartsmoment und beinhaltet emotionale und geistig intelligente Prozesse, die Jean Piaget als Assimilation und Akkomodation beschreibt.

Das Forschungsprojekt untersucht folgende Grundthesen:

  • Die von Jean Piaget beobachteten Prozesse von Assimilation und Akkomodation bilden sich im Material der musikalischen Improvisation ab.
  • Flowmomente sind in der musikalischen Gestalt beschreib- und erkennbar, weil sie bestimmte musikalische Formen aus Musikimpulsen bilden.
  • Flowerleben ist mit einem Flowbewusstsein verbunden, das im Kontext von Assimilation und Akkomodation und unter Berücksichtung des Bewusstseinsmodell von Antonio Damasio Einfluss auf das Selbst nimmt und in seiner Struktur der musikalischen Gestalt nachvollziehbar ist. 
  • Im Flowerleben findet psychische Reifung statt. Therapeutische Interventionen dienen der Hinwendung zum Gegenwartsmoment, auf dessen Boden das Flowerleben Raum finden kann. Die therapeutischen Impulse und musikalischen Mitbewegungen in der musikalischen Improvisation sind im Sinne einer Therapie der Gegenwart (Daniel Stern) subjektiv sinnhaft und bewegen sich in Richtung von Intersubjektivität und Flowerleben in einer geteilten Zeit.