• 1. Grundsätzliches

  • 2. Der höfische Reimpaarvers
  • 2.1 Textbeispiel: Der arme Heinrich
  • 2.1.1 Der erste Vers
  • 2.1.2 Der zweite Vers
  • 2.1.3 Der dritte Vers
  • 2.1.4 Versübergreifende Aspekte
  • 2.1.5 Der vierte Vers
  • 2.1.6 Der fünfte Vers
  • 2.1.7 Der sechste Vers
  • 2.1.8 Der siebte Vers
  • 2.1.9 Der achte Vers
  • 2.1.10 Übung: Verse 9-16
  • 2.1.11 Der 17. Vers
  • 2.1.12 Übung: Verse 18-22
  • 2.1.13 Der 23. Vers
  • 2.1.14 Die männlich zweisilbige Kadenz
  • 2.1.15 Übung: Verse 24-33
  • 2.1.16 Der 34. Vers
  • 2.1.17 Der übervolle Takt
  • 2.1.18 Übung: Verse 35-39
  • 2.1.19 Der 40. Vers
  • 2.1.20 Übung: Verse 41-46
  • 2.1.21 Der 47. Vers
  • 2.1.22 Kadenzen
  • 2.1.23 Übung: Vers 48-54
  • 2.1.24 Vers 55
  • 2.1.25 Übung: Vers 56-91
  • 2.1.26 Verse 92 und 93
  • 2.1.27 Übung: Vers 94-100
  • 2.1.28 Quiz
  • 2.2 Alternierender Rhythmus
  • 2.3 Metrik und Editionsphilologie

  • 3. Strophik

  • 4. Der Leich
  • 2.1.11 Analyse von Vers 17

    Analysieren Sie nun bitte nach dem gewohnten Schema Vers 17:

         17     ein rede die er geschriben vant.

    Vielleicht möchten Sie die Hebungen folgendermaßen platzieren:

                         o           o           o         o
         17     ein rede die er geschriben vant.

    Damit gelangen Sie, ganz regulär, zu dieser Umschrift:

                          o           o           o         o
         17     ein  rede die er geschriben vant.
                   r °wq r °t   r°  t  r  ° t ^° 

    Vers 17 beginnt nach dieser Lesung mit einem Auftakt. Im ersten Takt findet sich eine gespaltene Hebung, dieser Takt enthält also drei Silben, von denen die ersten beiden je nur ein Achtel lang sind (das ist möglich, weil die Tonsilbe phonetisch kurz ist). Die folgenden Takte sind im alternierenden Rhythmus gehalten. Die Kadenz ist männlich einsilbig.

    Vielleicht aber haben Sie bei der Verteilung der Hebungen eine Lesung favorisiert, bei der im zweiten Takt das Wort ‚die' betont und das folgende Pronomen ‚er' mit ihm unter Vermeidung des Hiats zu ‚díer' verschliffen wird. Da ‚die' einen Diphthong trägt, kann man hier nicht die bereits besprochene Elision (Wegfall des unbetonten Endvokals) durchführen, dafür aber kann man zu einem anderen wortverkürzenden Verfahren zur Vermeidung des Hiats greifen, dem Gegenstück zur Elision: der Aphärese.
    Bei einer Aphärese fällt der anlautende Vokal eines Wortes nach einem langen auslautenden Vokal weg (Diphthonge sind immer lang), wodurch die zwei Worte beim Sprechen zu einem (‚díer') zusammen- gezogen werden. Zur Markierung der Aphärese können Sie den wegfallenden Vokal analog zum Elisionspunkt mit einem Aphärese- punkt kennzeichnen. Das ergibt folgende Lesung des Verses:

                         o       o              o          o
         17     ein rede die ẹr geschriben vant.
                   r °t r° t       r°  t   r ° t    ^° 

    Auch diese Lesung ist regulär und zeigt den wichtigen Umstand an, dass mittelhochdeutsche Verse nicht selten mehrere metrische Lesarten zulassen. Die Entscheidung für eine der Möglichkeiten ist oftmals Ansichtssache, grundsätzlich lassen sich aber zwei Kriterien angeben, nach denen eine „bessere" Lesart von einer „schlechteren" unterschieden werden kann: Vorzuziehen ist in erster Linie diejenige Lösung, welche die sinntragenden Wörter des Verses am besten hervorhebt, zu prüfen ist auch, ob sie den alternierenden Rhythmus möglichst weitgehend einhält. Vieles spricht in diesem Falle also für die zweite Lesart.


    Es ist bei der metrischen Analyse zu bedenken, dass auch bei strenger Anwendung der Regeln manchmal alternative Lösungen möglich sind.

    Im Folgenden werden wir daher auch metrische Varianten angeben. (vgl. Vers 72).






    Lehrer Lämpel
    
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