• 1. Grundsätzliches

  • 2. Der höfische Reimpaarvers
  • 2.1 Der arme Heinrich
  • 2.2 Alternierender Rhythmus
  • 2.3 Metrik und Editionsphilologie
  • 2.3.1 Editionsphilologie Vers 33
  • 2.3.2 Editionsphilologie Vers 24
  • 2.3.3 Editionsphilologie Resümee

  • 3. Strophik

  • 4. Der Leich
  • 2.3 Metrik und Editionsphilologie

    Das Verhältnis zwischen Metrik und Editionsphilologie ist komplex. Die Gründerväter der Altgermanistik, Karl Lachmann ist unter ihnen besonders hervorzuheben, waren schnell bei der Hand, wenn es galt, einen metrisch nicht stimmigen Vers auch gegen die handschriftliche Überlieferung zu ändern.

    Vgl. Lachmann 1926, S. VI: „dennoch wird unmöglich, bei werken von denen es nie autographa gegeben hat, die überlieferung vollkommen genügen: daher ist häufig, was der sinn oder der versbau oder des dichters art unwidersprechlich forderte, aus schlechten handschriften oder nach meiner vermutung gesetzt worden“.

    Dieses Verfahren wurde über viele Jahrzehnte geübt; erst seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ist es zu einer höheren Wertschätzung der handschriftlichen Überlieferung gekommen, und die rein metrisch bedingten Eingriffe wurden seltener, heute gelten sie vielen als verpönt.

    Ob man sich eher an die metrische Norm oder an die Überlieferung halten soll, ist nicht leicht zu entscheiden. Vom heutigen Standpunkt aus sind die Sympathien für handschriftennahe Entscheidungen ausgeprägt; und dies völlig zu Recht, wenn man sich manche überzogenen Konjekturen vor Augen führt, wie sie vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts en vogue waren.

    Dabei vergisst man leicht, dass die erste Generation von professionellen Altgermanisten auch Gründe für ihre Hochschätzung metrischer Argumente ins Feld führen konnte.

    Vgl. Lachmann 1926, S. VI. Lachmann verfolgt das Ziel, „dass uns möglich gemacht werden sollte Eschenbachs gedichte so zu lesen wie ein guter vorleser in der gebildetsten gesellschaft des dreizehnten jahrhunderts aus der besten handschrift vorgetragen hätte.“ Vgl. ebd., S. XXIX [zum ›Titurel‹]: „allein ich gestehe, es ist mir nicht überall gelungen den versbau nach seiner regel wieder herzustellen, obgleich ich soviel erlaubt scheint gethan habe“.

    Zwischen der Lebenszeit eines Textautors und der frühesten greifbaren Überlieferung liegen häufig mehrere Jahrzehnte, nicht selten mehr als ein ganzes Jahrhundert. Daher muss man damit rechnen, dass sich die Überlieferung keineswegs eng an den ursprünglichen Text hält. Vielmehr sind verderbte Textstellen in großer Zahl überall nachweisbar.

    Mit der Metrik meinte man nun, ein zuverlässiges Heilmittel für Textverderbnisse aller Art gefunden zu haben. Das leuchtet ein, wenn man annimmt, dass die Autoren um metrische Korrektheit bemüht waren. Waren sie es aber? Vermutlich ja, denn vorgetragene Verskunst tendiert zur Regelhaftigkeit und mittelhochdeutsche Verstexte sind für den Vortrag bestimmt gewesen. Waren sie es aber immer und auf jeden Fall? Das weiß niemand. Man neigt heute dazu, größere Freiheit in metrischen Dingen anzunehmen, als das noch vor vierzig Jahren der Fall war.

    Wir haben uns aus didaktischen Gründen entschieden, in dieser Einführung in die mittelhochdeutsche Metrik auf eine Ausgabe von Hartmanns ›Armem Heinrich‹ zurückzugreifen, in der an einigen Stellen aus metrischen Gründen konjiziert wurde. Im Folgenden wird beispielhaft an zwei Stellen dargestellt, wie sich handschriftliche Überlieferung, metrische Norm und Editorenentscheidung zueinander verhalten, um einen Einblick in dieses für die Metrik wichtige Feld zu eröffnen.






    Lehrer Lämpel
    
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