Lange Zeit wurde die Spätantike entweder als Ausgang des Klassischen Altertums oder Beginn des Mittelalters, als Übergangszeit also, nicht jedoch als eigenständige Epoche, wahrgenommen. Neben dem 1853 erstmalig erschienenen Werk des Schweizer Althistorikers Jakob Burckhardt, Die Zeit Constantins des Großen, das den Begriff „spätantik“ als Synonym für das Ende alles Klassischen prägte, belegt die Geschichte des Untergangs der antiken Welt (1895-–1920) des Mommsen-Schülers Otto Seeck die Auffassung, die Spätantike sei eine Zeit des Alterns, Welkens und Vergehens.

Erst mit der Blüte des Historismus in Deutschland erfuhr die Spätantike die Beachtung als eine eigenständige Epoche. Es war der Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl, der in seiner Spätrömischen Kunstindustrie von 1901 die Phase der späten römischen Kaiserzeit als eigene, auch progressive Epoche der Kunst begriff, und nicht als einen tiefen Fall, wie es Johann Winckelmann noch im ausgehenden 18. Jahrhundert tat.

Heute gehört die Spätantike zu den etablierten Forschungsbereichen der Alten Geschichte und wird nicht lediglich als Ausklang der Antike oder als Vorspiel des Mittelalters gesehen, sondern nimmt einen festen Platz in der geschichtswissenschaftlichen Erforschung des ersten Jahrtausends europäischer Geschichte ein.

Das Eindringen germanischer Stämme, die Zunahme orientalischer Einflüsse, die Konsolidierung des griechischen Ostens und nicht zuletzt auch die Christianisierung des römischen Reiches stellen nur einen kleinen Teil der vielschichtigen und hochinteressanten Prozesse der Transformation des spätantiken Imperium Romanum dar, denen im Seminar nachgegangen werden soll.

Die Teilnehmer der Übung sollen einen Überblick über die kulturhistorischen Entwicklungen, die sich wandelnden Strukturen von den letzten Soldatenkaisern über den Aufschwung im vierten Jahrhundert bis hin zur Auflösung der Reichseinheit erhalten, und sollen dabei mit den wesentlichen Methoden und Werkzeugen der Alten Geschichte und der einschlägigen Grundwissenschaften vertraut gemacht werden.

Für den erfolgreichen Abschluss der Übung werden die regelmäßige und aktive Teilnahme, das absolvieren einiger kleinerer Aufgaben sowie das Bestehen eines abschließenden Tests  vorausgesetzt.

Einführende Literatur:

Bowersock, G. W.: Late Antiquity. A guide to the postclassical World, Cambridge 2000.
Demandt, A.: Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284-565 n. Chr, (= HdA 3.6), München 2007.
Dinzelbacher, P.; Heinz, W.H.: Europa in der Spätantike, Darmstadt 2007.
Jones, A. H. M.: The Later Roman Empire 284-602, 2 Bd., Oxford 1973.
Krause, J.-U.: Die Spätantike (284 bis 565 n. Chr.), in: H.-J. Gehrke; H. Schneider (Hrsg.): Geschichte der Antike. Ein Studienbuch, Stuttgart, Weimar 2006, S. 409-–477.



Semester: SoSe 2016