Forschungsschwerpunkte

Die Kolleg-Forschergruppe hat die „intermediären“ theoretischen Grundfragen der Normenbegründung in Medizinethik und Biopolitik, die nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion als besonders wichtig, strukturbildend und für die Zukunft der Debatte mutmaßlich weichenstellend erscheinen, sowohl je für sich als auch insbesondere in ihrem wechselseitigen Zusammenhang analysiert.

Das Forschungsfeld wurde in erster Linie anhand von thematischen Untergliederungen operationalisiert, die die vordringlichen Grundfragen ansprachen und die zugleich besonders geeignete − da hinreichend offene, aber dennoch klar forschungsleitende − Anknüpfungspunkte und Kristallisationskerne für Kooperationen mit weiteren einschlägig qualifizierten Wissenschaftlern und Fellows bildeten.

Diese thematischen Untergliederungen der Forschung verstehen sich nicht als Teilprojekte, sondern als Dimensionen einer einheitlichen Thematik. Sie standen deshalb zwar jeweils in der primären Verantwortlichkeit einer/s der beteiligten Forscher/innen, wurden aber in enger und laufender Kooperation der Antragsteller, Fellows und beteiligten Nachwuchswissenschaftler/innen − sowie in Teilen auch der außeruniversitären Kooperationspartner − bearbeitet und miteinander eng vernetzt.

„Glück“ und „Wohlergehen“ als Basis für moralische Normen?

Ob die Bezugnahme auf das menschliche Glück/Wohlergehen (bio)ethische Normen begründen kann, ist umstritten. Dabei ist unschwer zu erkennen, dass hier eine Reihe ethischer Grundsatzprobleme aufgeworfen, zugleich aber auch zahlreiche Anwendungskontexte tangiert sind. Sowohl diesen Grundsatz- als auch den Anwendungsproblemen wurde in verschiedenen Richtungen nachgegangen.
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Die Ethik des Rechts und ihre In- und Exklusion der Moral

Die Gegenstände der Medizin- und Bioethik sind rechtlich verfasst. Jeder Versuch, eines dieser Felder durch normative Vorgaben wirksam zu steuern, muss letztlich die Gestalt des Rechts annehmen und sich seiner Institutionen bedienen. Der Forschungsschwerpunkt ging der Frage nach, welche spezifischen normativen In- und Exklusionsmechanismen der Rechtsdiskurs für die Medizin- und Bioethik bereit hält.
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Die Konsequentialismus-Debatte im Spiegel moderner Bioethik

Ethischer Konsequentialismus begründet Normen allein damit, dass sie auf direk­­te oder indirekte Weise das Gute in der Welt befördern. Diese im weitesten Sinne "funktionale" Auffassung von Moral sieht sich mit einer Reihe von Schwie­rig­keiten konfrontiert, die nicht nur in den gegenwärtigen ethischen Grundsatz­debatten, sondern auch in bioethischen Kontexten eine  Rolle spielen. In diesem Projekt wurden die Möglichkeiten und Grenzen eines in verschiedener Hinsicht "angereicherten" Konsequentialismuskonzepts untersucht.
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Bioethische Normsetzung zwischen Natur und Handlungsmacht

In diesem Schwerpunkt ging es um die grundsätzliche Frage des Verhältnisses von menschlichen Handlungen zu natürlichen „Grenzen“. Es wurde versucht, jenseits von Teleologie und reinem Konventionalismus eine Konzeption von Normsetzungen zu entwickeln, die menschliche Handlungszwecke und natürliche Entwicklungsstufen begründet einander zuzuordnen erlaubt.
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Politische Regulierung moralischen Dissenses und moralischer Konflikte

Die politische Regulierung biomedizinischer Fragen ist in aller Regel durch tiefgreifende normative Dissense und Konflikte gekennzeichnet. Es wurde daher der Frage nachgegangen, in welchem Ausmaß die in der bioethischen und politiktheoretischen Diskussion verfochtenen Prinzipien und Verfahren für den politischen Umgang mit moralischer Pluralität die moralische Pluralität in der Biopolitik zu berücksichtigen und zu verarbeiten vermögen.
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Normative Bedeutung und Funktion zeitlicher Dauer und zeitlicher Fristen

Fristenregelungen des Lebensschutzes, Schutzfristen für Biopatente oder die zeitliche Limitiertheit von menschlichem Glück sind Beispiele bioethischer Gegenstände, bei denen zeitliche Dauer und zeitliche Fristen normativ wirksam werden. Nicht zuletzt in der medizinethischen Diskussion der Bindungswirkung, die in der Vergangenheit getroffenen Patientenverfügungen zuerkannt werden kann, spiegelt sich die Dringlichkeit einer systematischen Aufarbeitung dieses Komplexes.
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Normative Grundlagen der Public Health

In diesem Schwerpunkt wurden die Grundlagen und Hintergründe für unsere normativen und evaluativen Aussagen mit Bezug auf die Volksgesundheit identifiziert. Die Interdependenzen zwischen den Antworten auf die Frage nach dem deskriptiven und evaluativen Status kollektiver Akteure und dem axiologischen Stellenwert der Gesundheit, vor allem mit Bezug auf den grundlegenden Wert personaler Autonomie, wurden aufgezeigt. Auf dieser Grundlage wurde eine normativ plausible Konzeption von Public Health entwickelt, die sich möglichst neutral gegenüber den Schismen Individualismus- Holismus, Liberalismus-Kommunitarismus und Liberalismus-Perfektionismus verhält.
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Die systematische wechselseitige Konfrontation mit den Forschungsergebnissen der Partner und deren laufende Integration in die je eigene Perspektive stand im Vordergrund der gemeinsamen Tätigkeit. Die Forschergruppe war nicht projektförmig organisiert, sondern strebte  eine Struktur an, die ihren Mitgliedern zwar die Vertiefung in die eigene forscherische Arbeit ermöglicht und abverlangt, diese jedoch durch intensiven Austausch und Gespräche mit international führenden Kollegen und mit Nachwuchswissenschaftler/innen in den strukturierten Rahmen eines gemeinsamen übergreifenden Projekts einbettete.

Die Mitglieder der Kolleg-Forschergruppe gingen davon aus, dass sich das Ziel, in gemeinschaftlicher Arbeit eine Art „interaktive“, d.h. vernetzte Landkarte ihres Forschungsfeldes zu erstellen, auf diese Weise am effektivsten umsetzen lässt. Insofern waren die thematischen Untergliederungen nicht als abschließend zu verstehen, sondern als Kristallisationspunkte, die einen strukturierten Zugriff auf das gemeinsame Forschungs- und Themenfeld erlauben und deshalb unter allen Umständen vertieft behandelt werden sollten, die zugleich jedoch Anschlussmöglichkeiten für weitere und anders fokussierte Fragestellungen bieten sollten.