• Dissertationsprojekt

    Arbeitstitel: Werkförmigkeit. Eine Modelltheorie des literarischen Werks

    Mit dem Werkbegriff ist im 20. Jahrhundert ein Grundbegriff der Literaturwissenschaft in die Krise geraten. Doch trotz der Kritik – insbesondere von Seiten der literarischen Avantgarde, des Poststrukturalismus und auch der Performanztheorie – ist der Werkbegriff weder aus der literaturwissenschaftlichen Theorie noch aus ihrer Praxis verschwunden. In jüngster Zeit lässt sich vielmehr ein neues Interesse am literarischen Werkbegriff verzeichnen. Dabei reflektieren neuere Untersuchungen den „Konstruktcharakter“ des Werks und fassen es als „konzeptionelle Spielfläche“ (Steffen Martus) oder „soziale Tatsache“ (Carlos Spoerhase) auf. Ebenso wie nach der Revision des Autorbegriffs die Autorfunktionen in den Blick der Forschung rückten, werden nun die Funktionen des Werks aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive untersucht.
    Diese Entwicklungen bilden den Ausgangspunkt des Dissertationsprojekts, das zunächst die Frage fokussiert, wie ein derartiger ‚revidierter‘ Werkbegriff expliziert werden kann. Das Ziel dieses ersten Arbeitsschrittes ist die Explikation eines pragmatischen Werkbegriffs, für welche die Diskurstheorie Michel Foucaults ebenso zu berücksichtigen sein wird wie die Sprach- und Sozialphilosophie von John R. Searle. Die Explikation wird von der Hypothese geleitet, dass ‚Werk‘ als Status von Texten begriffen werden kann und das Resultat einer sozialen Tätigkeit darstellt.
    Ausgehend von einem pragmatischen Werkbegriff verlagert sich das literaturwissenschaftliche Interesse auf die Formen und Formgebungsprozesse, anhand deren Texten Werkstatus zugeschrieben wird, sowie auf die Funktionen, die mit der Zuschreibung des Werkstatus einhergehen. Der Beobachtung folgend, dass das Werk einen „Kristallisationsort von Normen des Umgangs mit Literatur“ darstellt (Martus), zielt das Dissertationsprojekt darauf ab, die Topographie dieses ‚Ortes‘ zu kartieren. Um das je spezifische Zusammenwirken disparater Formen und Formgebungsprozesse beschreibbar zu machen, auf welches die Werkkonstitution offenbar zurückgeführt werden kann, soll das Konzept der Werkförmigkeit fundiert werden. Dabei werden produktions-, rezeptions- sowie werkästhetische Aspekte gleichermaßen in den Blick genommen und die ‚inneren‘ Formen von Texten (etwa die narrative Struktur, die Ambiguität oder der Stil) werden ebenso auf ihr werkkonstitutives Potential hin untersucht wie Textumgangsformen (zum Beispiel Paratexte, der Veröffentlichungsakt oder die Vermarktung) sowie nicht zuletzt die Materialität von Texten. Mit Hilfe des Konzepts der Werkförmigkeit sollen demnach potentielle Werkformen erfasst werden, anhand deren sich je spezifische Werkmodelle ermitteln lassen, die Texten und dem Umgang mit ihnen zugrundeliegen.
    Relevant werden diese werktheoretischen Überlegungen insbesondere dann, wenn es um mögliche Funktionen des Werks geht. Im Rahmen des Dissertationsprojekts wird exemplarisch die ‚poetische Funktion‘ des Werks in den Blick genommen. Am Beispiel von Johann Wolfgang von Goethes Die Wahlverwandtschaften, Franz Kafkas Der Verschollene und Rolf Niederhausers Seltsame Schleife soll untersucht werden, inwiefern die spezifischen Werkmodelle der Texte zugleich als poetische Modelle bzw. als Modelle der Literatur lesbar werden. Als solche, so die Hypothese, reflektieren die Texte die ihnen selbst zugrunde liegenden Formen literarischer Kommunikation und suchen diese zu beeinflussen.

  • Vita

    seit 04/2017 Mitherausgeber der Zeitschrift Textpraxis. Digitales Journal für Philologie (www.textpraxis.net)
    seit Oktober 2016 Promotionsstipendiat am DFG-Graduiertenkolleg „Literarische Form. Geschichte und Kultur ästhetischer Modellbildung“ (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
    2016 zunächst Studentische, dann Wissenschaftliche Hilfskraft am Philosophischen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Prof. Dr. Reinold Schmücker)
    seit 2015 Mitglied des Zentrums für Wissenschaftstheorie (ZfW) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
    seit 2012 zunächst Studentische, dann Wissenschaftliche Hilfskraft am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Abteilung Neuere deutsche Literatur (Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf)
    2012 – 2016

    Master-Studium der Germanistik sowie ab 2013 Master-Studium der Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Universitetet i Agder (Kristiansand, Norwegen), Abschlüsse: M.A. (Germanistik), M.A. (Philosophie)

    2011 – 2015 Studentische Hilfskraft am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Abteilung Sprachwissenschaft (Prof. Dr. Eckard Rolf)
    2008 – 2012 Bachelor-Studium der Germanistik und Philosophie sowie Studium der katholischen Theologie (Zertifikat Gym./Ges.) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Abschluss: B.A.

  • Publikationen

    2018 „Das gesperrte ‚Werk‘? Veröffentlichung und Werkwerdung am Beispiel von Max Frischs ‚Berliner Journal‘“ in: Svetlana Efimova (Hg.): Autor und Werk. Wechselwirkungen und Perspektiven. Sonderausgabe # 3 von Textpraxis. Digitales Journal für Philologie (2.2018). http://www.textpraxis.net/thomas-kater-das-gesperrte-werk.
    2018 „Von Fakes, ‚fun facts‘ und anderen Alternativen. Literaturwissenschaft im ‚postfaktischen‘ Zeitalter“ in: Literaturwissenschaften in der Krise. Zur Rolle und Relevanz literarischer Praktiken in globalen Krisenzeiten. Tübingen: Narr Francke Attempto, 2018. S. 75-89.
    (zus. mit Amrei Bahr, Christoph Fischer und Nicolas Kleinschmidt) „Why it Would Not Be Better Not to Believe in Material Artifacts – Even If One Could Get Away With It“ in: Peter van Inwagen: Materialism, Free Will and God. Hg. v. Ludger Jansen und Paul M. Näger. Cham: Springer, 2018. S. 97-106.
    2017 „‚Brückenschläge – Eine wissenschaftstheoretische Perspektive auf die empirische Ästhetik“ in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 62.1 (2017). S. 171-176. (Tagungsbericht)
    2016 „Christiana Werner: Wie man mit Worten Dinge erschafft. Die sprachliche Konstruktion fiktiver Gegenstände“ in: Zeitschrift für Philosophische Forschung 70.4 (2016). S. 602-605. (Rezension)
    2016 „Keine Wiederkehr des Dagewesenen. Zu Gegenwart und Potential des literarischen Werkbegriffs“ in: Journal of Literary Theory online (2016). http://www.jltonline.de/index.php/conferences/article/view/782/1836. (Tagungsbericht)
    2016 „Die Poesie verstörender Kargheit. Eduard Claudius: Gewitter. Erzählungen (1948)“ in: Vom Heimatroman zum Agit-Prop. Die Literatur Westfalens 1945-1975. 118 Essays. Hg. v. Moritz Baßler, Walter Gödden, Sylvia Kokot und Arnold Maxwill. Bielefeld: Aisthesis, 2016. S. 32-36.