Krypta

2015-02-02 Krypta Cover

Wer sich wie Hubert Wolf tief hinabwagt in die Keller der Kirchengeschichte, stößt auf überraschend brisante kirchliche Traditionen. Diesen unterdrückten Strömungen der Kirchengeschichte ist der Münsteraner Kirchenhistoriker für sein neues Buch „Krypta. Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte“ auf den Grund gegangen, das am 28. Januar 2015 bei C.H. Beck erschienen ist. 

An zehn Beispielen zeigt er darin heute verdrängte oder vergessene Verwirklichungen des Katholischen, die zum Vorbild für zukünftige Reformen werden könnten. In den verborgenen Gewölben der Kirchengeschichte findet er etwa vom Volk gewählte Bischöfe, mächtige Kirchenfürstinnen oder Laien, die von Sünden lossprechen konnten. "Die Kirche der Vergangenheit ist ganz anders, als wir denken. Sie hält Modelle bereit, die für mehr Demokratie, mehr Freiheit und mehr Gleichberechtigung stehen", sagt Wolf dazu. Klug umgesetzt könnten diese Ideen das Gesicht der Kirche auch heute entscheidend verändern.

Der Kirchenhistoriker greift in seinem Buch darum auch hochaktuelle Themen auf: den Rücktritt Benedikts XVI., die Namenswahl von Papst Franziskus, die umstrittene Besetzungen von Bischofsstühlen, die Piusbruderschaft, die Regensburger Rede des Papstes und die Residenz des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst. Die Skandale der vergangenen Jahre sind nach Ansicht Wolfs nicht allein auf persönliches Versagen zurückzuführen. Sie hätten ihre eigentliche Ursache vielmehr in den veralteten Strukturen der Ämter und Entscheidungswege in der katholischen Kirche. "Der Blick in die Vergangenheit hat daher auch etwas Subversives – denn die Stellung des Papstes, der Bischöfe und des Klerus war nicht immer so unantastbar wie heute."

Hubert Wolf wendet sich damit auch gegen das Geschichtsbild fundamentalistischer Katholiken. "Sie beschwören einen Einheitskatholizismus. Doch den hat es so nie gegeben", sagt er. Das Verhältnis zwischen dem Papst, den Konzilien, den Kardinälen, den Priestern, den Mönchen und Nonnen sowie den einfachen Gläubigen in den Gemeinden sei oft ganz anders gewesen als es die konservative Geschichtsschreibung glauben machen wolle. "Viele Möglichkeiten wurden erst im 19. und 20. Jahrhundert systematisch unterdrückt und vergessen." Die katholische Kirche sei überraschend vielfältig und wandelbar gewesen. "Es gab und gibt keine ideale Ausprägung von Kirche. Kirche hat sich immer verändert und muss sich weiter verändern." Hubert Wolf hält deswegen grundlegende Reformen für unverzichtbar.



Hubert WOLF, Krypta.
Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte,
München: C.H. Beck 2015, ISBN 978-3-406-67547-8